Kastenwagen-Front „nicht optimal“ unfallsicher

Der ADAC ließ einen ausgebauten Kastenwagen mit einem Pkw bei 56 km/h zusammenstoßen. Das Ergebnis des Crashtests: Beide Fahrgastzellen wurden stark beschädigt. Für die Insassen beider Fahrzeuge besteht hohes Verletzungsrisiko.
Ein Frontalaufprall bei 56 Stundenkilometern – das klingt spektakulär und gehört nicht zum Standard-Testverfahren für Wohnmobile. Dabei fragen sich viele Camper: Wie sicher ist die Besatzung in einem Reisemobil?
Um diese Frage zu beantworten, hat der ADAC hat im Crashtest einen zum Campingbus mit einem Kombi zusammenprallen lassen. Bei dem getesteten Modell handelt es sich um einen Standard-Transporter-Ausbau mit Superhochdach. Der Campingbus hat ganz typisch ein Heckbett, eine kleine Küchenzeile mit gegenüberliegendem Bad und eine Sitzgruppe hinter dem Fahrersitz.
Der ausgebaute Kastenwagen ist mit 3,5 Tonnen Maximalgewicht doppelt so schwer wie der Pkw. Bei diesem Kräftemessen – wenn man es als solches bezeichnen will, da hier die Energie des Aufpralls getestet wird – scheint es in Theorie einen klaren "Sieger" zu geben: Das schwerere Fahrzeug. Doch der praktische Test zeigt: Die Knautschzonen beider Fahrzeuge sind mit diesem Aufprall überfordert.
Knautschzone im Kastenwagen beschädigt
Im ADAC-Crashtest wurden in beiden Fahrzeugen die Fahrgastzellen empfindlich beschädigt. Die Pedale schoben sich beim Aufprall weit in den Fußraum. Folglich gibt es bei einem Crash sowohl für die Fahrerin des Pkws wie auch des Kastenwagens ein hohes Verletzungsrisiko.
Im Campingbus ist aber nicht nur die Person hinter dem Steuer bei einem Unfall gefährdet. Auch wer hinten sitzt, kann bei einem Unfall verletzt werden. Der ADAC führt das hohe Verletzungsrisiko für Insassinnen auf der Rückbank auf die Konzeption der Sitzbank zurück, da diese in den meisten Wohnmobilen "nur aus dünnem Holz besteht". Daher breche beim Crash der Rücksitz zusammen und infolgedessen prallen die Köpfe der hinten Sitzenden gegen den Fahrersitz. Im Test sei das mit einem Kinder-Dummy im Kindersitz und einem Erwachsenen-Dummy geschehen. Auch die Gefahr von Verletzungen im Bauchraum ist recht hoch. Zum Test wurde der übliche Dinnettentisch übrigens ausgebaut.
ADAC empfiehlt: Fahrgastzelle, Rückbank und Küchenzeile verbessern
Der ADAC kommt zu folgendem Schluss: "Hier muss bei der Unterkonstruktion der Sitzbank in der zweiten Sitzreihe nachgebessert werden. Diese muss in jedem Fall so stabil sein, dass sie beim Unfall nicht unter den Insassen zusammenbricht. Nur so kann verhindert werden, dass der Gurt vom stabilen Becken in den empfindlichen Bauchraum rutscht und innere Verletzungen verursacht. Auch zu dicke und zu weiche Auflagen gilt es zu vermeiden, da auch damit die Gefahr steigt, dass der Beckengurt verrutscht und schwere Verletzungen verursacht."
Auch für die Konstruktion des Wohnraums im Campingbus hat der ADAC Anmerkungen. Nachbessern könnten Campingbus-Hersteller bei der Küchenzeile. Bei dem getesteten Kastenwagen waren die Küchenschränke nur mit wenigen Schrauben miteinander verbunden und nicht fest im Fahrgestell verankert. Deshalb sind die Schränke und dessen Inhalt beim Aufprall durch den Innenraum geflogen und haben so die Insassen gefährdet. "Hier sollte auf mehr Stabilität und eine Verbindung mit dem Fahrzeug geachtet werden", so der ADAC.
Eine bessere Konstruktion der Rückbank und Küche sind nicht die einizgen Empfehlungen, die der ADAC ausspricht. Hersteller von Wohnmobilen sollten, genauso wie Pkw-Hersteller, die Fahrzeugfront so konzipieren, dass die Fahrgastzelle beim Aufprall stabil bleibt. Die Aufprall-Energie sollte in der Knautschzone so abgebaut werden, dass das Fahrerhaus ein Überlebensraum ist, der die Insassen bestmöglich schützt.
Anzumerken an dieser Stelle ist, dass es sich bei dem getesteten Modell um einen ausgebauten Kastenwagen handelt. Das Basisfahrzeug stammt entweder von Fiat mit Ducato oder dem baugleichen Citroën-Modell, dem Jumper. Bei dieser Art von Campingausbauten verändern Freizeitfahrzeughersteller an der Fahrerhauskabine selbst nichts, außer dass gegebenenfalls die Fahrerhaussitze abgeändert oder getauscht werden. Daher gilt dieser Appell des ADAC eigentlich Basisfahrzeug-Zulieferern wie Fiat, Citroën & Co.
Heckausbau, Gasanlage und Bad überzeugen
Einige positive Dinge bei der passiven Sicherheit in Campingbussen stellte der Crashtest jedoch auch heraus: Das Doppelbett, das Bad, die Heckschränke und die Kofferraum-Zurrösen haben den Crashtest gut überstanden und dem Aufprall standgehalten.
Für viele Camper-Neulinge verursacht das Mitführen einer Gasflasche ein mulmiges Gefühl. Für all diejenigen zieht der ADAC ein erfreuliches Fazit: Der Crashsensor der Gasanlage hat die Gasversorgung wie gewünscht unterbrochen beim Unfall und so das Brandrisiko verringert.
Was tun für die Sicherheit an Bord?
Doch nicht nur die Freizeitfahrzeug-Hersteller, auch die Camper selbst, können einiges für die Sicherheit an Bord tun. Mit einigen Grundregeln zum sicheren Beladen und Verstauen und mit der richtigen Gewichtsverteilung können Verletzungen beim Crash vorgebeugt werden. Außerdem gilt wie immer: Während der Fahrt nichts offen herumliegen lassen und auf jeden Fall anschnallen.
Außerdem sollte man beim Kauf oder der Miete eines Wohnmobils auf Assistenzsysteme achten, so der ADAC. Ein Notbrems- und ein Spurhalteassistent können Unfälle zwar nicht zu 100 Prozent ausschließen, verringern das Unfallrisiko jedoch deutlich.