Drei Kombis für die Ewigkeit
Audi Avant gegen BMW Touring und Mercedes T-Modell – ein Klassiker unter den Vergleichstests von Oberklasse-Kombis. Diesmal am Start: mildhybridisierte Dieseltriebwerke um 200 PS.
Dann kommt das Thema in der Kaffeepause wieder einmal auf das "letzte" Auto, das man sich gönnen sollte. Eines, das man neu kauft, um mit ihm alt zu werden. So eine innige Partnerschaft will abgewogen werden, und bald kreisen diverse Plädoyers. Jenes um Kombis verweilt – nicht etwa bei der Trivialität des Nützlichen. Vielmehr wird die Feinheit des Fahrens ausführlich thematisiert und am Beispiel eines Audi A6 Avant, BMW 5er Touring oder Mercedes E-Klasse T-Modells festgemacht. An diesem Punkt nicken sogar diejenigen zustimmend, die zuvor gedanklich in gänzlich anderen Kategorien unterwegs waren.
Klar, für einen der genannten Edelkombis muss man mehr als die stillen Reserven auflösen, möglicherweise sogar das obere Limit der Finanzierungsmöglichkeiten ausreizen. Deshalb halten wir uns hier bewusst am unteren Ende des Portfolios auf und schlagen vernünftige Dieseltriebwerke vor – alle übrigens mildhybridisiert. Der A6 kommt als 204-PS-TDI samt Quattro-Antrieb. Dazu, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen, die Allradler BMW 520 d xDrive sowie Mercedes E 220 d 4Matic, beide mit 197 PS. Sie sind auch rein hinterradgetrieben erhältlich, was für die meisten Anwendungen ausreichen dürfte. Und fürs T-Modell gäbe es noch eine günstigere Einstiegsvariante, den 200 d.
Wobei das ja das Schöne an der Motoren-Entwicklung ist: Anders als früher sind Einstiegsdiesel keine Notlösung, sondern ein Genuss – mit ihrem früh anliegenden Drehmoment und dem kräftigen Durchzug. Dank E-Boost, also Unterstützung durch einen kleinen Elektromotor im Antriebsstrang, geht es im passenden Moment vorwärts, ohne dass die Tankuhr im Eiltempo rückwärtswandert. Denn bei Alltagsfahrten ergeben sich Verbräuche von 4,9 l/100 km (Mercedes und BMW) beziehungsweise 5,3 beim Audi.
Elektrisches Fiepen
Der A6 verbraucht also am meisten. Dabei rollt er in der Stadt sogar rein elektrisch. Man wäre geneigt, "lautlos" zu schreiben, doch das Fiepen des E-Werks ist kaum zu überhören. Gut dagegen: Der Audi nutzt es fast so häufig wie mancher Vollhybrid. Möglich macht dies ein Triebstranggenerator, der maximal 230 Nm liefert – um den Verbrenner zu unterstützen oder kurzzeitig zu ersetzen.
Eine E-Maschine sitzt an der Ausgangswelle des Siebengang-DKG, kann also den A6 antreiben, nicht jedoch den 2.0 TDI anwerfen; das übernimmt ein zusätzlicher Riemenstartergenerator. Der Aufbau wirkt schon in der Theorie recht komplex und scheint es auch real zu sein, denn Getriebe und E-Antrieb verhakeln sich zuweilen, beim Heranbremsen an Ampeln beispielsweise.
Bei der E-Klasse hakelt nichts, sie fährt aber nie rein elektrisch. Dafür kann der zwischen Motor und Getriebe integrierte Startergenerator den Selbstzünder anwerfen. Ferner natürlich Bremsenergie rekuperieren sowie mit bis zu 205 Nm aushelfen, solange sich der Ladedruck des Turbos aufbaut.
Leistungsgefühl statt Leistungsdaten
Müßig zu diskutieren, welches System per se besser ist. Fakt dagegen: Das T-Modell wiegt und verbraucht weniger als der Avant. Und der Touring? Der unterbietet den Audi sogar um fast 100 Kilogramm. Er nutzt ebenfalls einen Startergenerator, allerdings steuert jener beim Gasgeben nur schmale 25 Nm bei – nichts, was den Turbo-Übergang egalisieren könnte. Den versucht der Zweiliter vielmehr mit einer höheren Anfahrdrehzahl zu verschleifen. Und wirkt dennoch deutlich matter, als es die Messwerte suggerieren. In diesem Vergleichstest täuschen die Zahlen ohnehin etwas über den gefühlten Druck hinweg: Die E-Klasse schiebt am kraftvollsten an, aus dem Keller ebenso wie bei hohem Tempo. Doch weil der 220 d ohne dezidierte Launch Control startet, schafft er keine guten (Papier-)Sprintwerte.
Tipp für Interessenten: Einfach nicht davon irritieren lassen! Freuen Sie sich stattdessen auf die breit gespreizte Automatik, die auf der Langstrecke mit ihrem neunten Gang in angenehm niedertourige Register wechselt und aufmerksam kürzere Übersetzungen einlegt, wenn sie gefordert werden. Wobei man sich selbst beim Laufenlassen eher im unteren Drehzahlbereich aufhält, denn der Zweiliter liefert dort bereits genug Druck, um das Auto fulminant aus der Kurve zu drücken.
Der große Kurvenkünstler
Fulminant? Ja, die E-Klasse fühlt sich von Kurven angezogen, gar hineingezogen. Der Oberklasse-Mercedes hat seinem Luftfahrwerk über Generationen Agilität beigebracht. Komfort konnte es ohnehin längst. Nun wirkt das T-Modell zusätzlich zentriert, liegt satt in der Hand, lenkt locker ein, bleibt stets geschmeidig und hält engen Kontakt zur Straße. Bodenwellen, die den E aus der Spur bringen könnten, müssen wohl erst noch erfunden werden.
Mehr noch: Je schlechter der Belag, desto stärker saugt sich der 220 d an und lässt nicht locker. Ja, das ist anregend. Und man ertappt sich dabei, dass man diesen großen Kombi so bewegt, dass es einen selbst bewegt und die Oberklasse auch hierbei oberklasse ist. Kehren nimmt der Mercedes eng und ohne Kurbelei – obwohl der Testwagen ohne die optional verfügbare Hinterachslenkung auskommen muss, welche die Lenkarbeit unterstützt.
Federung top, Lenkung mit Fragezeichen
Der Avant hat ein solches System und bindet es gut in den Fahrfluss ein. Sein aufpreispflichtiges Luftfahrwerk gefällt mit schluckfreudiger Federung samt firmer Dämpfung. Ja, auch es gestattet selbst dann eine anregende Linienwahl, wenn die schlechte Straße zum Aufreger wird, hält verbindlichen Kontakt, erreicht allerdings nicht die saugende Spurführung des T-Modells. Und nicht diese unbefangene Selbstverständlichkeit, mit der die E-Klasse das Tempo jederzeit anziehen kann.
Wobei im A6 keinesfalls das Fahrwerk zum limitierenden Faktor wird, sondern vielmehr die Lenkung: Sie bleibt reserviert in ihrer Auskunftsfreudigkeit, teilt andererseits durch leichtes Rütteln mit, wenn die Vorderachse bei der Trias aus Bremsen/Lenken/Einfedern an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Handflächen-Sensoriker beklagen ferner, dass die Unterstützung weniger kontinuierlich als vielmehr sprunghaft arbeitet.
Kariöse Fahrbahnbeläge
Ein Thema mit der Lenkung hat sich ebenso der 5er angelacht. Im jetzigen Testwagen findet sie immerhin zu einer harmonisch arbeitenden Unterstützung zurück, nicht jedoch zum Gefühl fürs Gripniveau. Zudem lässt sie nach wie vor eine gewisse Festigkeit um ihre Mittellage vermissen. Da trifft es sich gut, dass dem BMW ohnehin kaum der Sinn danach steht, an die Grenzen seiner Möglichkeiten zu gehen. Das Klein-klein der Kurven umkurvt der Große am liebsten, zumal dort häufig kariöse Fahrbahnbeläge anzutreffen sind. Diese drängen sich durch Karosserie- Zittern ins Bewusstsein und pieken das Komfort-Empfinden ebenso wie ein leichter Seegang auf welligen Strecken. Besser also, man entfernt sich auf Fernstraßen.
Dort stört es weniger, dass das Stahlfahrwerk keine allzu enge Bindung mit der Straße eingehen möchte. Vielmehr schwebt der Touring durch die Lande, was ihn etwas von der Wirklichkeit entkoppelt. Dass es im Fünfer weniger ums Dahinkurven als vielmehr ums Dahinrauschen geht, kann andererseits durchaus einen Reiz ausmachen. Und man könnte dank des sparsamen Dieselantriebs nun so weit dahinrauschen, wie einem der Sinn stünde, denn der 60-Liter-Tank gestattet Reichweiten um die 1.000 Kilometer. Das gilt für den BMW wie für seine Konkurrenten und macht alle drei zu hervorragenden Reisebegleitern.
Kurz, flach, groß
Gerade das Verräumen von Urlaubsgepäck zählt ja zu den ureigenen Begabungen großer Kombis. Nach wie vor liefert der Mercedes die größte Raumausbeute, bietet das voluminöseste Kofferabteil – interessanterweise als Kürzester und Flachster unter den dreien. Tatsächlich findet sich sogar ein gut nutzbarer Stauraum unter dem Ladeboden, wo bei Audi und BMW nur noch kleine Fächlein geblieben sind.
Beim Touring passt immerhin das Gepäckrollo hinein, sehr praktisch. Leider hat er sich von seinem separat zu öffnenden Heckfenster verabschiedet. Was allerdings lästiger ist: Schon seit Generationen hält BMW eine Gurthöhenverstellung für entbehrlich und schränkt damit seinen Kundenkreis ein. Mercedes dagegen montiert sie sogar im Fond – einzigartig im Umfeld.
Premium? Nicht überall
Einzigartig auch die vielen Möglichkeiten, das Instrumenten-Panel zu konfigurieren. Ja, in der E-Klasse gibt es sogar eine digitale Darstellung der Rundinstrumente – unübertroffen gut in der Ablesbarkeit. A6 und 5er dagegen irritieren mit einer sehr eingeschränkten Auswahl. Und auf das Wenige, was geboten wird, blickt man aufgrund der fragwürdigen Darstellung eher ratlos.
Was gibt es noch zum Karosserie-Kapitel zu bemerken? Die irritierend schlechte Sicht aus dem Fünfer heraus. Man sitzt tief, blickt auf eine hoch aufragende Armaturen-Landschaft statt auf Hindernisse vor dem Fahrzeug und versucht, um die breiten A-Säulen herumzulinsen.
Beim A6, wie schon bei anderen Audi der jüngsten Generation, irritiert wiederum die Qualitätsanmutung. Die einstige Benchmark-Firma spart sich derzeit mit harten Kunststoffen in großer Zahl ans untere Ende der Premium-Liga. Eine gewisse Tradition dagegen hat das kleine Gepäckabteil des Avant. Ein Thema, das bei Interessenten bekannt sein dürfte – wer sich darauf einlässt, kauft bewusst die schicke Verpackung und weniger die Möglichkeit, besonders viel Inhalt hineinzuladen.
Aus dem Vortrieb gerissen
Wobei dem vollen Auslasten zumindest technisch wenig entgegensteht, denn die Bremsanlage des A6 reißt den Avant geradezu aus seinem Vortrieb heraus. Wir notieren 31,1 Meter, bis er aus Tempo 100 zum Stillstand kommt, was viele Punkte einbringt. Beim Touring und beim T-Modell ist es jeweils etwa ein Meter mehr – immer noch immens wenig. Und es zeigt, welchen hohen Sicherheitsanforderungen Autos gerecht werden, für deren Abstimmung man noch Zeit investiert.
Die Ausstattung mit Assistenzsystemen ist ebenso vorbildlich. Die meisten bringt die E-Klasse mit, was ihr das Sicherheitskapitel einbringt – trotz des Schnitzers bei der Wirkweise des Bremspedals; es tritt sich irritierend weich.
Was der Kombi wirklich kostet
Der Mercedes setzt hierbei übrigens ebenso wie der BMW auf die sogenannte Sportbremse, die man gegen Aufpreis erwerben kann. Wie ja vieles erst in so ein Modell hineinkonfiguriert werden will, um es vom Oberklassewagen auf das Niveau eines Klassewagens zu heben. Am Ende staunen wir wieder einmal darüber, wie weit sich der Testwagen- vom Grundpreis entfernt und wie er bei der E-Klasse stramm Richtung Sechsstelligkeit marschiert.
Da mag es mehr oder weniger trösten, dass das T-Modell zumindest im Vergleich die niedrigsten Festkosten verursacht. Und sie könnten noch niedriger sein, wenn die E-Klasse nicht jährlich zum Kundendienst samt Ölwechsel müsste.
Deutlich günstiger ist der 5er bei den Wartungskosten, deutlich teurer dagegen bei der Vollkasko-Versicherung, wo ihn die Assekuranzen derzeit in eine hohe Typklasse einstufen. Kleines Plus: Immerhin gewährt BMW drei Jahre Garantie auf die Produkte. Audi und Mercedes vertrauen ihren eigenen nur zwei.
Dabei eilt ja gerade den Dieselversionen der Ruf voraus, echte Langläufer zu sein – ein weiterer Grund, warum sie sich im Kombi-Gewand für eine dauerhafte Partnerschaft anbieten. Friedrich Schillers Prüfungs-Auftrag haben wir jedenfalls mit diesem Vergleichstest erfüllt: Wer sich ewig binden möchte, sollte hierfür die E-Klasse in Betracht ziehen.
