Weltweit erster großer Elektro-Campingbus im Test
Bürstner will den Lineo auf Ford Transit mit Elektroantrieb anbieten, als eLineo. Wir konnten den Prototyp bereits fahren – es war ein Erlebnis.
Keine Frage, die Antwort heißt "So!", wenn die Frage "Wie fahren wir in Zukunft Wohnmobil?" lautet. Die Wucht, die Emotion, die Souveränität und die Feinheit, das ist es, was am Ende die Menschen begeistern kann an der E-Mobilität, auch bei großen Reisemobilen.
Der Lineo ist ein Campingbus auf Basis Ford Transit. Den gibt es so schon zu kaufen – mit Dieselmotor (siehe unten). Die Idee von Bürstner: So wie der Kunde bislang einfach die gewünschte Motorleistung oder Getriebeart auswählen kann, soll er künftig auch die Antriebsart "elektrisch" ordern können. Doch: Warum sollte man umsteigen?
Elektrisches Hochgefühl während der Probefahrt
Erst einmal fahren und spüren. Es ging mir selten so wie hier. Ein paar Kurven, ein paar Meter, vielleicht einen Kilometer und in mir stürmte der innere Wille an die Oberfläche und raus in die Welt: Ich will nie mehr ein anderes Wohnmobil fahren. So leicht, so ruhig, so schnell. Keine nervige Transportertechnik beim Getriebe oder der Automatik, die am Ende wegen des Preisdrucks beim Warentransport manchmal nur mäßigen Komfort bieten. Kein Dieselaggregat, das – bei allem Fortschritt – einfach nur Mittel zum Zweck ist.
Ich bin ein Kind der 90er und habe an Vespas geschraubt. Motoren zerlegt und wieder zusammengepuzzelt. Bei Motorrädern sieht man eine liebenswerte Technikvielfalt: Dreizylinder-Reihen- und 90-Grad-L-Motoren und Harley-V2s. Hier faszinieren Desmodromiken und Schlepphebel-Steuerungen, 270 Grad versetzte Hubzapfen genauso wie Boxermotoren. Alles, was man bei einem Vierzylinder-Diesel nicht vermissen kann. Adieu Zwei-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel-Motor.
Er drückt so schön und beschleunigt so schnell, der eTransit. Und dazu hat er – wie beim Verbrenner – ein sehr ausgewogenes Fahrwerk. Im Vergleich zum Ducato ist es komfortabler und weniger eigen beim Wanken als beim Sprinter. Es schluckt Stöße viel besser als der Fiat und geht trotzdem straffer und zielgenauer durch Kurven als andere. Und beim Elektro-Lineo kommt noch dazu, dass der große Batteriepack unterm Boden sitzt und den Schwerpunkt nach unten zieht. So schnell lässt sich mit kaum einem anderen Kastenwagen durch Kurven fahren. Bemerkenswert: Obwohl es sich um einen Prototyp handelt, macht der Möbelbau wunderbar mit. Das hat aber wenig mit dem Elektromotor des Transit zu tun.
Die Schwächen des Bürstner E-Lineo
Zwei Dinge sind dagegen klare Knackpunkte des Konzepts: die Reichweite und das Gewicht. Zwei Punkte, die Elektro-Gegner natürlich immer wieder anführen. Der gefahrene Lineo wiegt laut Bürstner knapp unter 3,5 Tonnen. Geplant ist, dass der Kunde selbst entscheiden kann, wie der Wagen konfiguriert sein soll. Als 3,5-Tonner wird man nur sehr wenig Zuladung haben – alleine oder zu zweit unterwegs, könnte es eventuell reichen. Sonst kommt man um eine Auflastung nicht herum.
Der Topspeed wird auf 100 km/h begrenzt – was wiederum der Reichweite zugutekommt. Denn die verringert sich bei Geschwindigkeiten über Tempo 100 deutlich.
So oder so ist die Reichweite für ein Reisefahrzeug im klassischen Sinne noch zu gering. Realistisch ist hier irgendwas über 200 Kilometer oder bei einer Beschränkung auf 90 km/h auch mal 300 Kilometer. Dazu sagen die einen "Das ist viel zu wenig" und die anderen "Dann mache ich nach 180 Kilometern einfach Pause und lade kurz ein paar Kilowatt nach".
Wenn man mit Menschen aus der Reisemobilbranche spricht, die das professionell und pragmatisch unemotional betrachten, liegt der am häufigsten genannte Wert für eine Reichweite, die für eine Marktakzeptanz nötig wäre, bei rund 400 Kilometern, die bei normaler Fahrweise drin sein sollten.
Fragt man Leserinnen und Leser unserer Fachzeitschriften, wünschen die sich sogar knapp 600 Kilometer im Schnitt. Das kann der Lineo electric bei Weitem noch nicht. Aber der 68-kWh-Speicher ist auch nicht das Ende, da geht zukünftig mehr.
Bürstner Lineo electric: Technische Daten und Ausstattung
- Elektroantrieb: 135 kW (184 PS) oder 198 kW (269 PS), Drehmoment 430 Nm, Ein-Gang-Automatik, Hinterradantrieb.
- Reichweite: max. 317 km*, 224–243 km als L3H3, DC-Schnellladung von 15 auf 80 % in 35 min
- Beschleunigung: 0–60 km/h: 5,8 s; 0–80 km/h: 8,3 s
- Akku: 400 Volt, 68 kWh Kapazität
- Zulässiges Gesamtgewicht: 3,5/3,9/4,25 t
- Länge/Breite/Höhe: 5,98 / 2,06 / 2,84 m
- Radstand 3,75 m
- Preis: Bürstner Lineo C 590 mit Dieselmotor ab 54.280 Euro. Dazu kommt der Aufpreis für den Transit mit Elektroantrieb von – soweit bekannt – 15.000 bis 20.000 Euro.
Ausstattung
- Basisfahrzeug: elektr. Außenspiegel, 8-m-Ladekabel, Halogenscheinwerfer, Sync 4 mit 12-Zoll-Touchscreen u. DAB-Radio, elektr. Feststellbremse, Drehschalter für Fahrmodi, zwei Rekuperationsstufen, Klimaautomatik, einstellbare Sitze, Steckdose mit Wechselrichter 230 V/max. 2,3 kW
- Bordtechnik: Kompressorkühlschrank 84 L, Aufbaubatterie 95 Ah, Gasgebläse-Heizung Truma Combi 4, Gasflaschen 2 x 11 kg, Frischwassertank 100 L, Abwassertank 75 L
- Ausbau: Querbett 2 x 1,45 m, Stehhöhe ca. 2,00 m
Preis und Verkaufskonzept für den Elektrovan
"Wir machen dem Kunden ein Angebot", sagt Entwickler Rudolf Wikelski von Bürstner. Die zweigleisige Strategie, dass es den Lineo zusätzlich zum Verbrennermotor auch als E-Version gibt, nimmt dem Hersteller den Druck aus der Planung und Entwicklung. Sie ermöglicht dem Kunden noch auf Jahre hinaus, individuell zu entscheiden, was für ihn passt.
"Aber es gibt auch die Kunden, die unbedingt jetzt elektrisch fahren wollen", sagt Wikelski. Der Aufpreis wird allerdings deftig ausfallen. Rund 20.000 Euro mehr könnte der E-Antrieb im Vergleich zum Seriendiesel kosten. Leistungsbereinigt bleiben immerhin noch 15.000 Euro übrig. Das ist dann was für echte Fans, für Überzeugungstäter. Für Menschen, die von ihrem E-Pkw so begeistert sind, dass sie auch im Campingbus keinen Verbrenner mehr wollen.
Da muss übrigens kein Gramm Ideologie mitspielen – die Technik kann alleine überzeugen. Die Kraft (Drehmoment), die Souveränität (stufenloser Durchzug) und die Stressfreiheit (Ruhe) sprechen für sich. Und die, die schon elektrisch fahren, kennen auch die Infrastruktur und wissen, wie man sie nutzt. Diese "First Movers" haben schon die Erfahrung gemacht und verinnerlicht, dass das elektrische Fahren bereits funktioniert.
Grundriss: Sechs-Meter-Bus mit Querbett
Der Ausbau des Lineo electric entspricht weitgehend dem bekannten Bürstner Lineo C 590. Nur der praktische Doppelboden muss dem Batteriepaket am Wagenboden weichen.
Auf 5,98 Meter Länge gibt es im Heck ein Querbett mit 2,01 Meter Länge, die durch seitliche Karosserieverbreiterungen möglich wird. Die Bettbreite liegt bei 1,45 Metern. Im Heck hängen vier geräumige Schränke. Gekocht wird auf einer kompakten Küchenzeile mit 84-Liter-Kühlschrank.
Das kompakte Bad ist geschickt eingerichtet, mit einem kleinen Eckwaschbecken, einem Fenster, Staufächern, einer Toilette und einer Duschtasse mit Vorhang. Trotz des hohen Fußbodenniveaus ist die Stehhöhe mit rund zwei Metern für die meisten Leute groß genug bemessen.
Eine ausführliche Vorstellung des Bürstner Lineo C finden Sie hier: