Ein günstiger Camper voller Überraschungen

Der Clever Spirit 600 am Sandstrand von Rømø. Der günstige Campingbus begleitete uns zwei Wochen lang – von Stuttgart über Kiel nach Aarhus und wieder zurück.
Der Campingbus mit der flexiblen Badezimmerwand löst ein gängiges Problem: Zwei lange Einzelbetten auf knapp sechs Metern Fahrzeuglänge unterzubringen und dabei weder Platz im Bad noch in der Sitzgruppe vorne einzubüßen. Wie sich diese Lösung in der Praxis bewährt, haben wir auf einer zweiwöchigen Reise in den Norden getestet.
Eine Badezimmerwand, die sich wie ein Stück Papier bei der Origami-Falttechnik beliebig über das Fußteil des zweiten Betts klappen oder in das Badezimmer hinein verschieben lässt – das klingt vielversprechend. Auf den ersten Blick wirkt diese Lösung ideal, um ein Problem anzugehen, das Campingbus-Hersteller schon lange beschäftigt: Zwei Einzelbetten auf möglichst kurzer Fahrzeuglänge unterzubringen.
Im promobil-Test wurde das Konzept bereits unter die Lupe genommen. Doch wie schlägt sich das Origami-Bad in der Campingpraxis? Zwei Wochen auf Reisen mit dem Clever Spirit 600 werden zeigen, ob das Konzept alltagstauglich ist.
Stauraum: viel Platz und gut strukturiert
Ein großer Campingbus wie der Spirit 600 hat reichlich Platz, wenn man nur zu zweit unterwegs ist. Campingstühle, Tisch, Gasgrill, Elektroroller, Wanderausrüstung und die vorgepackten Campingboxen sind nur ein Bruchteil des Gepäcks, das einen Tag vor Abreise im Heckstauraum landet. Und obwohl wir uns Mühe geben, auch die Schubladen und Schränke mit Kleidung und Vorräten für zwei Wochen zu füllen, bleiben einige von ihnen leer.
Das hat aber auch Vorteile, denn der erste Abschnitt unserer Reise führt nach Hamburg, um dort mein Fahrrad einzusammeln. Da der Testwagen weder einen angebauten Fahrradträger noch eine Anhängerkupplung hat, muss das Rad drinnen zwischen den Betten mitreisen. Das geht im Spirit mit etwas Übung zum Glück schnell. Die beiden Einzelbetten kann man im 45-Grad-Winkel aufstellen. Befestigt sind sie dort mit einem Gurt, der kurz unter den Oberschränken nur eingehängt wird. Mithilfe der vier Ösen im Boden und einiger Spanngurte ist das sperrige Gepäckstück für die Fahrt gut gesichert.
Schlafen: traumhafte Liegelandschaft
Besonders gut gefällt uns das große Bett. Für unseren Urlaub lassen wir die Einzelbetten stets über dem Gang per Zusatzpolster verbunden, so entsteht eine geräumige Liegelandschaft. Dank der fleiblen Badwand hat man auf beiden Matratzen Platz sich auszustrecken. Rundum fällt Licht durch vier Fenster, eins auf jeder Seite und zwei in den Hecktüren. Drei davon können aufgestellt werden – eins hat eine Schiebescheibe, um nicht mit der Schiebetür in Konflikt zu geraten – und sind mit Fliegennetzen und blickdichten Plissees ausgestattet. So kann jeder auf seiner Seite entscheiden, wie viel Luft oder Licht er zum Schlafen benötigt.
Per Knopfdruck oder Fernbedienung öffnet sich eine Dachluke und ein integrierter Ventilator bringt frische Luft herein oder zieht warme, stickige Luft ab. Das ist gerade dann praktisch, wenn man nachts auf dem Parkplatz steht und nicht die Fenster öffnen möchte. Zum Lesen findet sich an jedem Kopfende eine Lampe mit beweglichem Fuß. Zusätzlich sind in die Dachluke zwei kräftigere LED-Panele integriert.
Ein schönes Extra ist das Ambiente-Licht, das unter den Hängeschränken im Schlafbereich dezent integriert ist. Es taucht den Raum in ein warmes Licht und sorgt so für eine gemütliche Atmosphäre. Für noch mehr Individualität kann man die Lichtfarbe per Fernbedienung ändern – eine schöne Option, doch sollte man mit der Wahl der Farbe auf dem Parkplatz vorsichtig sein ... Nicht ganz dazu passt jedoch die relativ grelle LED-Leiste unten am Küchenhängeschrank, die stets zusammen mit der Ambientebeleuchtung ein- oder ausgeschalten wird.
Etwas unpraktisch ist auch, dass es im Schlafbereich an Steckdosen und USB-Buchsen mangelt, was das Aufladen von Smartphone oder Tablet nachts erschwert. Laut Hersteller soll sich das aber in der Serienproduktion noch ändern – unser Testmodell stammt aus einer kleinen Vorserie. Aber auch Ablagemöglichkeiten fehlen rund um die Betten, auf denen man Buch oder Smartphone ablegen kann. Das ist dann keine Problem, wenn man einen der Hängeschränke nicht für Kleidung braucht, sondern als Hilfsablage nutzen kann.
Sanitär: die praktische Origami-Wand
Eine Steckdose fehlt uns persönlich im Bad weniger als im Bettbereich. Wer jedoch aufs Föhnen vor dem Spiegel Wert legt, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen. Doch die viel spannendere Frage lautet: Löst die Klappwand das Platzproblem des Sechs-Meter-Busses oder bringt sie neue, eigene Probleme mit sich?
Tatsächlich funktioniert die simple Klapp- oder Faltlösung sehr gut. Ist sie einmal in einer Position eingerastet, verweilt die Wand dort auch auf einer holprigen Fahrt. Mehr als einmal passierte es jedoch, dass die Wand – nicht zu 100 Prozent eingerastet – wieder Richtung Toilette zurückdrängt, angetrieben durch das Gewicht des dahinter aufgeklappten Fußteil des Betts.
Ein weiteres Problem ergibt sich automatisch, wenn jemand nachts auf die Toilette muss. Dann ist die Faltwand logischerweise ins Bad geklappt und so muss man damit leben, dass Licht, Gerüche und Geräusche ungehindert durch die klaffende Lücke oben an der Faltkonstruktion in den Schlafraum dringen.
Beim Duschen wiederum bewahrheitet sich die größte Sorge nicht. Eine kleine Dichtlippe oberhalb des schmalen Spalts am Stoß zwischen Wand und Faltteil verhindert, dass Wasser aus dem Bad austritt, solange man nicht direkt mit dem Duschkopf draufhält.
Ein ganz anderes Problem ergibt sich im Fußraum des kompakten Bads. Durch Toilette und Radkastenüberbau bedingt, hat man kaum Platz sich umzudrehen, ohne mit den Füßen an einem von beiden anzustoßen. Dafür verfügt man im Schulterbereich über mehr als genug Bewegungsfreiheit – dank der Origami-Wand.
Mehr Platz, aber dafür andere Probleme
Schon ziemlich früh auf unserer Reise fällt uns ein weiteres Problem auf: Die Toilette ist ziemlich hoch eingebaut. Wir erreichen mit den Fußballen gerade noch den Boden, was bei zwei Menschen mit 1,76 und 1,82 Meter ein wenig verwunderlich ist. Ein weiteres Misslichkeit ergibt sich nach dem Schließen der Türe. Die drehbare Toiletteschüssel hilft zwar dabei, eine akzeptable Sitzposition zu finden, dann geht der Klodeckel aber nicht mehr ganz auf, da er gegen den Unterbau des Klappwaschbeckens stößt.
Neben solchen üblichen Platzproblem in einem Campingbus-Kombibad erweist sich aber auch die Ausführung der Duscharmatur als noch nicht ganz ausgereift. Zum Duschen zieht man den Auslauf der Waschbeckenarmatur als Handbrause heraus. Allerdings ist der Schlauch zu kurz. Wenn man ihn weit genug herausziehen möchte, knickt er ab und es fließt kein Wasser mehr. Da hilft nur Duschen im Sitzen. Insgesamt erschließen sich uns schon die Vorteile dieser Badlösung, im Detail sehen wir aber noch einiges an Verbesserungspotenzial.
Küche: viel Arbeitsfläche und großer Kühlschrank
Die Küche ist in unseren Augen dagegen ein echtes Highlight. Sie verfügt über einen klassischen Zwei-Flammen-Herd, der zusammen mit dem Spülbecken elegant in die Arbeitsplatte eingelassen ist. Direkt am Eingang befindet sich außerdem der überraschend große 98-Liter-Kühlschrank, der dank der cleveren Platzierung der Bedienelemente oberhalb der Küchenzeile zusätzlichen Raum für Lebensmittel gewinnt. Neben der für einen Campingbus großzügigen Arbeitsfläche bietet die Küche drei Schubladen, die Platz für Kochutensilien und Vorräte vorhalten, sowie einen Unterschrank mit mehreren gut zugänglichen Zwischenebenen. Der Oberschrank hat in der rechten Hälfte Extrahöhe und eignet sich hervorragend für größere Kochutensilien wie Essig- und Ölflaschen, oder eine Wasserkaraffe.
Die Sitzgruppe ist ebenfalls gut durchdacht. Die Fahrerhaussitze lassen sich harmonisch integrieren und sind bequem. Der Abstand zwischen Sitzbank und Sesseln passt, um entspannt die Füße hochzulegen, egal ob auf der Bank oder auf dem Beifahrersitz. Besonders angenehm ist die manuell in drei Stufen verstellbare Sitzfläche der Bank, die dafür sorgt, dass die Rücklehne sich neigt und man eine bequeme Sitzhaltung einnehmen kann. Praktisch ist zudem, dass der Kühlschrank direkt vom gedrehten Beifahrersitz aus erreichbar ist – ideal für ein schnelles Getränk bei der Abendlektüre.
Nachteil der langen Küchenzeile ist ein relativ schmaler Einstieg, wie promobil im Test des Spirit 600 auch bemerkt. Im Alltag auf dem Campingplatz kann man damit aber ganz gut zurecht kommen.
Autarkie: Batterie, Gas und Frischwasser
Die Gasvorräte im Spirit 600 sind mit zwei 11-kg-Flaschen großzügig bemessen und reichen auch für den Grill. Die Batterie zeigte dagegen überraschende Schwächen, obwohl es sich um eine 100 Ah-LiFePO4-Batterie handelt, die Clever serienmäßig einbaut. Mehrfach ist sie bereits nach eineinhalb bis zwei Tagen autarken Stehens erschöpft, trotz Solaranlage auf dem Dach. Als Hauptverbraucher verdächtigen wir den Kühlschrank, der sich auch stets als Erstes meldet und mitten in der Nacht mit Pieptönen auf sich aufmerksam macht. Selbst ausschalten hilft nicht gegen die Piep-Belästigung und nach einer schlaflosen Nacht bleibt uns nur noch die Sicherung zu ziehen. Dennoch kann es eigentlich nicht sein, dass eine 100 Ah-LFP-Batterie so schnell leer ist. Es ist zu vermuten, dass der Akku entweder nicht richtig geladen wird, oder bereits eine Vorschädigung hatte. Der Frischwasservorrat hingegen ist reichlich und wir müssen nur einmal nachfüllen – und das auch erst nach knapp einer Woche duschen und abspülen. Allerdings blieb das Duschen auf das Nötigste beschränkt, wegen der oben erwähnten Probleme mit der Duscharmatur.
Fahren und Technik
Im Spirit-600-Testwagen muss man von Hand schalten. Da er noch auf dem Citroen Jumper der letzten Generation basiert, gab es ohnehin keine Automatik-Alternative, außer man griff zum Halbbruder Fiat Ducato. Inzwischen sind derlei Unterschiede passé. Das gilt auch für die Anmutung des bisherigen Jumper-Cockpits, das merklich altmodisch und reduziert daher kommt. Für einen preisgünstigen Campingbus wie den Clever ist die Ausstattung jedoch überraschend umfangreich – so ist etwa das große Infotainment-Display mit Navigationssystem und Apple Car-Play bereits enthalten und leistet hervorragende Dienste. Ebenfalls serienmäßig ist der 140-PS-Motor, der in der teils hügeligen Region Stuttgart gute Dienste leistet. Weniger passend ist für uns die Sitzposition als Fahrer und der Bereich unter dem Lenkrad, den wir als recht beengt empfinden: Hat man den Sitz so eingestellt, dass man die Pedale bequem erreicht, stoßen die Knie bereits an die Lenksäulenverkleidung, was dazu führt, dass wir beim Fahren leicht breitbeinig sitzen.
Die Reiseroute
Unsere Reise mit dem Spirit 600 führte vom Süden Deutschlands in mehreren Etappen nach Dänemark. Auf dem Weg haben wir viel Schönes entdeckt, das wir gerne teilen möchten. Besonders die Gezeiteninsel Mandø (Tipp 8) und das benachbarte Rømø haben es uns angetan.
Camping- und Stellplatztipps
Unterwegs übernachteten wir häufig auf kleinen, spärlich ausgestatteten Stellplätzen und für Reisemobile ausgewiesenen Parkplätzen. Eine Ausnahme bildeten diese beiden Stell-/Campingplätze, die wir gerne empfehlen möchten:
Direkt am Naturschutzpark Bispinger Heide bietet dieser Stellplatz für 15 Euro pro 24 Stunden eine schattige, ruhige Lage im hinteren Bereich des Wanderparkplatzes. Tagsüber parken hier viele Autos von Tagesbesuchern, doch am Abend wird es ruhiger, und der Platz bleibt den Campern vorbehalten. Einige idyllische Stellen mit Heideblick laden dazu ein, Tisch und Stühle aufzustellen. Ein kleiner Kiosk am Parkplatz bietet frische Brötchen, Kaffee und tagsüber einen Imbiss, und nur 15 Gehminuten entfernt lockt das Hofladen-Café mit leckerem Kaffee und Kuchen.
Saksild Strand Camping ist ein Vorzeigecampingplatz: geordnet und gepflegt, mit sauberen Sanitäranlagen, Spielplatz, Sportplätzen und gemütlichen Gemeinschaftsräumen. Die Parzellen sind außergewöhnlich geräumig und jeweils in Gruppen von hohen Hecken umgeben, sodass Camper viel Privatsphäre genießen können. Dem Campingplatz direkt gegenüber – auf dem Weg zum Strand – liegt ein Strandkiosk, der frische Brötchen ohne Vorbestellung sowie Strandzubehör, Kleidung und Lebensmittel anbietet. Gleich nebenan befindet sich ein Restaurant mit einem Freiluftimbiss, wo Gäste Softeis, Waffeln, Pommes, Pizza und Sandwiches genießen können.