Falsche Gewichtsangaben bei Hymer?

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelte schon 2021 gegen Hymer wegen des Verdachts auf Betrug. Anfang 2024 wurde nach Kooperation des Herstellers mit den Behörden ein Vergleich geschlossen.
++Update 30.01.2025 ++
Entgegen aktueller Berichterstattung in einigen Medien wurde Hymer nicht wegen Betrugs verurteilt, eine Strafe in Millionenhöhe zu bezahlen. Festgestellt wurde laut Pressesprecher der Erwin-Hymer-Group eine "Verletzung der Aufsichtspflicht" durch einzelne Mitarbeiter, allerdings keine direkte Verantwortlichkeit auf Vorstandsebene.
Da Hymer während der gesamten Untersuchung seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart mit den Behörden kooperierte, wurde das Verfahren gegen Zahlung einer hohen Geldsumme eingestellt. Diese sogenannte "Einziehung" betrifft Gewinne, die durch die fehlerhaften Angaben erwirtschaftet wurden. Die genaue Summe wurde nicht veröffentlicht, soll allerdings im "untersten zweistelligen Millionenbereich" liegen.
Eine Einziehungsanordnung ist eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, mit der Vermögenswerte eingezogen werden, die aus einer rechtswidrigen Tat stammen oder damit in Verbindung stehen.
Das "Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem Verdacht des Betrugs und der strafbaren Werbung" wurde außerdem bereits Anfang 2024 eingestellt.
++Update Ende++
(Nachfolgend die Berichterstattung vom 29.01.2022)
Die Ermittlungen im Jahr 2022
Am Mittwoch gab es bei der Erwin-Hymer-Group in Bad Waldsee eine Durchsuchung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg. Der Verdacht: Betrug und strafbare Werbung im Zusammenhang mit Gewichtsangaben beim Verkauf von Wohnmobilen.
So zitiert die Deutsche Presse Agentur eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Das Ermittlungsverfahren läuft gegen Mitarbeiter.
"Wir können im Moment gar nichts Konkretes sagen, wir haben aber größtes Interesse alles aufzuklären”, sagt Theresa Hübschle, Sprecherin der Erwin Hymer Group SE. Zu Details könne sie wegen der laufenden Ermittlungen keine Stellung beziehen. Das Unternehmen werde natürlich vollumfänglich mit den Behörden kooperieren, erklärt sie weiter. Ergebnisse der Untersuchungen sind wohl erst in den nächsten Monaten zu erwarten. Hat Hymer bei Reisemobilmodellen etwa Leergewichte falsch angegeben? Vorerst ist das nicht mehr als Spekulation.
Gut zu wissen in Sachen Wohnmobil-Gewicht
Klar ist jedoch: Die Leergewichte in Prospekten erzählen nie die ganze Wahrheit über die Gewichtsverhältnisse bei einem Reisemobil. Sie beziehen sich auf das Fahrzeug im absoluten Grundzustand. Extras, die der Käufer üblicherweise noch dazubucht, sind nicht mit aufgeführt. Doch Ausstattungen wie Markise, Sat-Anlage, Automatik-Getriebe und anderes bringen zusätzliche Kilos auf die Waage, die sich natürlich auf das Gewicht auswirken. Tatsächlich bedingen sich viele Hersteller zudem eine Toleranz von 5 Prozent aus, die aufgrund von Gewichtsschwankungen beim verwendeten Material zustande kommen könnte. Jeder Hersteller will beim Leergewicht (oder auch der Masse im fahrbereiten Zustand, die einen Fahrer sowie anteilig auch Betriebsstoffe wie Diesel, Wasser und Gas einschließt) einen möglichst kleinen Wert abdrucken. Der Grund: Die Zuladung, also die Differenz aus dem zulässigen Gesamtgewicht und dem Leergewicht, soll vorteilhaft groß erscheinen. Dazu verwenden Hersteller teilweise auch Tricks, geben etwa eine "Fahrstellung” für den Frischwassertank an, sodass beispielsweise nur 10 Kilo statt 100 auf die Masse im fahrbereiten Zustand aufaddiert werden müssen.
Dennoch ist klar geregelt, wie Massen und Gewichte für Reisemobile errechnet und angegeben werden müssen. Die bindende Grundlage für alle Hersteller legte erstmals die Europäische Norm EN 1646-2 fest. Sie definiert das zulässige Gesamtgewicht, die Masse in fahrbereitem Zustand und die Masse der Grundausstattung. Darüber hinaus legt sie die Masse der persönlichen Ausrüstung eines Passagiers fest und regelt, wie viel Zuladung ein Reisemobil haben muss. Unter anderem ist davon auch abhängig, für wie viele Personen ein bestimmtes Modell zulassungsfähig ist.
Vor rund zehn Jahren hat der Gesetzgeber nochmals Hand an EN 1646-2 gelegt. Seit dem 10. Januar 2014 gilt die Verordnung 1230/2012, im Grunde eine Übertragung der Inhalte der Norm in den EG Richtlinienkatalog. Die wichtigste inhaltliche Änderung in diesem Zusammenhang – und gleichzeitig eine deutliche Präzisierung – war die Einführung des Begriffes der "tatsächlichen Masse". Diese ist definiert als die Masse im fahrbereiten Zustand plus die Massen der Zusatzausstattung ab Werk. Die tatsächliche Masse muss vom Hersteller für jedes einzelne gefertigte Fahrzeug entsprechend dessen Ausstattung individuell erstellt und in den COC-Dokumenten in Paragraph 13/2 ausgewiesen werden. Für Kunden wie Hersteller war diese Ergänzung ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Rechtssicherheit. Denn der Spielraum für Schummeleien ist damit im Prinzip deutlich kleiner geworden.
Ob es beim Betrugsverdacht gegen Hymer-Mitarbeiter auch um das Thema Zuladung geht, ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings unklar.
Muss ich als Hymer-BesitzerIn jetzt aktiv werden?
Nein, das ist jetzt nicht notwendig. Im Moment sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Es bringt also nichts, bei ihrem Händler vorzusprechen, oder ihr Fahrzeug-Gewicht beim Händler prüfen zu lassen.