Welcher Hersteller baut welche Caravan-Modelle?

Vier große Konzerne dominieren den Markt, immer mehr Caravans verschiedener Marken kommen aus demselben Werk. Was bedeutet das für Interessenten und Kunden? Eine Leitlinie.
- Erwin Hymer Group
- Trigano
- Knaus Tabbert und Fendt
- Vorteile und Nachteile der Plattform-Strategie
- Fazit
Immer mehr Caravans unterschiedlicher Marken bauen auf dieselbe Plattform auf, da sie dem gleichen Konzern angehören. CARAVANING zeigt alle aktuellen Schwesternmodelle und alle Vorteile und Nachteile dieser sogenannten Plattform-Strategie.
Der größte Konzern: Die Erwin Hymer Group
Die Erwin Hymer Group (EHG), zu der die Marken Bürstner, Dethleffs, Eriba und LMC gehören, hat das LMC-Werk im Kreis Warendorf zum Caravan-Kompetenzzentrum der Gruppe ausgebaut. Konkret bedeutet das: Schon länger laufen dort die Einsteiger-Modelle Bürstner Premio und Premio Life, Dethleffs C’Joy und C’Go, Eriba Living sowie LMC Style auf der gemeinsamen technischen Plattform C 15 vom Band. Außerdem auf der konstruktiv aufwendigeren gemeinsamen technischen Grundlage C 09 die Baureihen Eriba Exciting, LMC Vivo, LMC Musica und LMC Maestro.
Jetzt, zur Saison 2020, kommt noch mehr Leben ins jüngst erweiterte und modernisierte EHG-Werk Sassenberg: Der neue Bürstner Averso mit all seinen Varianten zieht ebenfalls auf die Basis C09 und damit selbstredend nach Sassenberg um – das Vorgängermodell wurde ab 2017 bei Dethleffs in Isny auf der Grundlage von Camper, Nomad und Beduin gefertigt. Und als wäre das nicht genug, wurde jetzt ein weiterer spektakulärer Transfer bestätigt:
Der Eriba Nova verabschiedet sich von seiner jahrzehntelang kultivierten und beworbenen Pual-Bauweise, dem Raum-Plus-System mit auf Sitz- respektive Betthöhe gebündelten Kabeln und Leitungen sowie von seinem Geburtsort Bad Waldsee. Ein Paukenschlag – und doch voraussehbar. Denn schon vor zwei Jahren ließ die EHG verlauten, dass man in Sassenberg alle Caravans des Konzerns bauen könne – und das auch tun werde. Wie stark dafür in die DNA einzelner Caravan-Modelle eingegriffen werden würde, konnte man zu jenem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Was die Plattform-Bauweise genau für den Eriba Nova und andere Caravans bedeutet, legen wir im Folgenden offen.
In Oberschwaben verbleiben neben der Hymer-Reisemobilproduktion nur die Fertigungsanlagen für die Klassiker Eriba Touring, die Manufaktur für den Luxusriesen Eriba Touring 820 und das Band, auf dem die Modelle Feeling und Nova L noch im Pual-Verfahren gebaut werden. Man ahnt, dass auch das nicht mehr lange so sein wird. Das gallische Dorf der EHG ist Isny mit der Marke Dethleffs: Camper, Nomad, Beduin und Generation bauen die Allgäuer noch selbst. Natürlich nutzen auch die Dethleffs-Caravans eine eigene gemeinsame Technik-Basis. Ausnahme: der neue, eigenständige Leichtcaravan Coco Lounge.
Trigano macht's ähnlich
Eine ähnliche Konzentration von Caravan-Bauaktivitäten gibt es sonst nur beim französischen Trigano-Konzern: In Tournon-sur-Rhône laufen Caravans in fünf Ausstattungsklassen unter zwei Markennamen vom Band: Caravelair und Sterckeman vermarkten mit getrennten Händlernetzen die Baureihen Alba, Antares, Artica, Allegra und Allegra Optima (Caravelair) sowie Easy, Starlett, Evolution, Alizé Trend und Alizé Connect (Sterckeman). Doppelter Nutzen: Für die Topmodelle benutzt Trigano Wände und Möbelmodule aus dem Reisemobilbereich.
Adria, seit 2017 ebenfalls Teil der Trigano-Familie, baut seine technisch eigenständigen Fahrzeuge davon unberührt im slowenischen Novo Mesto. Mit der Traditionsmarke La Mancelle, die seit 2000 zu Trigano gehört und in der Nähe von Le Mans in Kleinserie manuell gefertigt wird, will der Konzern in Deutschland Fuß fassen.
Knaus Tabbert GmbH und Fendt trennen strikt
Die Eigenständigkeit seiner vier Marken deutlich stärker betont die Knaus Tabbert GmbH (KTG). Wie früher bei der Erwin Hymer Group stehen die Fahrzeuge und damit auch Produktmanagement und Werke sogar in einer Art Wettbewerb. Ob es Geheimnisse zwischen den Abteilungen gibt, wissen wir nicht. Wohl aber, dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Im Knaus-Stammwerk Jandelsbrunn baut das Unternehmen sämtliche Knaus-Caravan-Baureihen, als da wären Sport, Südwind, Sport & Fun, Deseo und Travelino. Zusätzlich laufen im Bayerischen Wald die Doppelachser Weinsberg Edition Ice sowie die brandneuen Hubbett-Caravans vom Band. Alle anderen Weinsberg-Grundrisse sowie die Teardrop-Klassiker T@b erblicken im ungarischen Werk Nagyoroszi das Licht der Welt.
Tabbert schließlich wurde im hessischen Sinntal-Mottgers gegründet und produziert dort, in einem modernisierten und vergrößerten Werk, noch immer alle Baureihen: Rossini, Da Vinci, Pep, Vivaldi, Puccini und Cellini. Und das tut der Marke gut. Warum? Der Versuch, einen verkleideten Knaus als Tabbert Rossini zu etablieren, scheiterte 2008 grandios.
Der vierte Konzern trennt seine Produkte ebenfalls strikt: Obwohl Fendt seit 1998 zu Hobby gehört, leistet sich der süddeutsche Unternehmenszweig vier eigenständige Modellreihen, die im eigenen Werk gebaut werden. Natürlich nutzt auch der Hobby-/Fendt-Konzern seine Einkaufspower für günstigere Preise bei Zulieferern. Augenscheinlichste Gemeinsamkeit der Geschwistermarken: Der von Hobby ersonnene Slim-Tower-Kühlschrank hat auch die Grundrissgestaltung bei Fendt maßgeblich beeinflusst. Auch bezieht Fendt Möbelteile von der Hobby-eigenen Firma Formlight. Doch rollen alle Fendt auf Alko-Chassis, fertigt Hobby in Fockbek komplett eigene Fahrgestelle mit Knott-Achsen.
Nicht nur der Hersteller profitiert
Worin liegen für Konzerne und Kunden die Vor- und Nachteile der technischen Plattformstrategie und der Konzentration der Fertigung auf einzelne Werke? Speziell für die EHG und Trigano liegen die Vorteile klar auf der Hand: Die Neu- und Weiterentwicklung markenübergreifender Baumuster kann zentral, quasi aus einer Abteilung erfolgen. Das spart Entwicklungs- und Einkaufskosten. Denn die Zulieferer von Technik- und Möbelbauteilen schaffen höhere Stückzahlen und gleichzeitig weniger individuell geformte Teile zu einer Adresse.
Kunden haben davon den Vorteil, dass Produktverbesserungen an einem Baumuster mit der Zeit mehreren Marken zugutekommen. Durch große Stückzahlen identischer und ähnlicher Grundrisse steigt auch die Routine am Band – gute Voraussetzungen für fehlerarme Arbeiten. Und tatsächlich ist das Verarbeitungsniveau der Caravans aus Sassenberg und Tournon über die Jahre gestiegen. Und wenn der Eriba Living für das Modelljahr 2020 Pushlocks mit integrierter Stütznase gegen das Absacken der beladenen Küchenschubladen bekommt, dann dürfen sich auch künftige Besitzer eines Bürstner, Dethleffs und LMC darüber freuen.
Der Markenkern, also der Charakter und die stilistische Ausprägung der jeweiligen Marke, wird somit natürlich nicht mehr oder seltener über Technik und Verarbeitungsqualität definiert, sondern in den Marketing- und Designabteilungen. Bürstner sieht sich dem Slogan "Wohnfühlen" durch Holzdekors und wohnliche Akzente (für den Averso wird das nach wie vor im Stammsitz Kehl gesteppte Polster eigens nach Sassenberg geschickt) verpflichtet, Dethleffs als "Freund der Familie" tut gut daran, jenem Teil seiner Zielgruppe moderne Interieurs und Kinderzimmer zu offerieren. Dass jene artifizielle Identität eine Kaufentscheidung vor allem in der Einsteigerklasse beeinflusst, darf bezweifelt werden. Preis (am besten möglichst niedrig), Händler (am liebsten möglichst nah) und Geschmack sind wohl eher ausschlaggebend. Mit den Preisen steigen freilich auch die Erwartungen an das Produkt, weshalb sich die Mittel- und Oberklassecaravans trotz gleicher Eltern deutlicher unterscheiden sollten.
Gleiche Grundrisse, aber unterschiedliche Caravans
Doch wo liegen die Unterschiede zwischen den Wagen aus dem EHG-Werk Sassenberg? Für die günstigsten Bürstner- und Dethleffs-Modelle Premio Life und C’Joy, die mit vier identischen Grundrissen antreten, ist die Frage schnell beantwortet: im Design und in der Zusammenstellung der Ausstattungspakete. Differenzen in den Grundpreisen werden durch etwas andere Paketpreise und -zusammenstellungen wieder ausgeglichen. Und warum ist der neue LMC Sassino teurer als seine oben genannten direkten Geschwister? Erstens offeriert LMC nicht vier, sondern nur zwei größere Grundrisse, zweitens leistet sich LMC einen GfK-Boden.
Eine halbe Klasse höher rangieren Bürstner Premio, Dethleffs C’Go, Eriba Living und LMC Style samt ihrer Hubbett-Derivate Premio Plus, C’Go Up, Style Lift und Living 555 XL – Eriba verzichtet auf den kompakten Grundriss mit Stockbetten quer im Bug. Auch in diesem familieninternen Vergleich ist LMC am teuersten, weil sich die Marke über ihren LLT-Aufbau und zwölf Jahre Dichtheitsgarantie definiert: Als Long Life Technologie (LLT) wird das Sandwich bezeichnet, in dem XPS- statt EPS-Schaum unter der Alu-Außenhaut dämmt, PU-Leisten statt Holz als Kantenprofilezum Einsatz kommen und die Bodenplatten grundsätzlich eine Außenschicht aus GfK haben. Die Grundrisse indes sind bei allen vier Marken identisch, nur verkauft nicht jede jeden.
Kommen wir zu den Wagen der EHG-Plattform C 09: Hier klinkt sich, wie erwähnt, Dethleffs aus, obwohl sich die Plattform als sehr vielseitig und wandelbar erweist. Das zeigt nicht nur der Umstand, dass die aus Modulen zusammengestellten Grundrisse eine erstaunliche gestalterische Spreizung von Mittel- bis Oberklasse, von klassisch-edel bis luftig-modern erlauben, sondern auch, dass innerhalb der Grundrisse markenspezifische Änderungen möglich sind.
Das beste Beispiel dafür ist auch das jüngste: Der neue Eriba Nova wird, ganz der Tradition verpflichtet, in drei statt zwei Außenbreiten (2,30, 2,40 und 2,50 Meter) und mit im Hymer-Konzern konkurrenzlosen Layouts gebaut. Die Trauer der Traditionalisten um die Abkehr von der Pual-Bauweise, die wir an dieser Stelle nicht noch einmal im Detail erklären, will Eriba mit dem Climadur-Aufbau lindern: Der ist zwar eng verwandt mit der LLT-Aufbautechnik, setzt also ebenfalls auf XPS-Schaum, PU-Leisten und GfK-Boden, verfeinert das Konstrukt nach eigenen Angaben aber mit extrabreiten, doppelt gedichteten Kantenleisten, die auch die bekannte Nova-Silhouette formen. Auch den in der EHG einzigartigen GfK-Boden mit isolierten Wannen für Frisch-und Abwassertank hat der Nova behalten. Und wenn man sich das Interieur anschaut, weiß man, dass die Umsiedlung des Nova kein Schnellschuss war. Dasselbe gilt für den Bürstner Averso: Nova und Averso bereichern den Markt eindeutig.