Was taugen Caravan-Alternativen in Deutschland?
Wir haben Alternativen zum eigenen Caravan getestet. Vom BaseCamp in Bonn über ein Baumhaus in Bad Zwischenhahn bis hin zur Campingplatz-Blockhütte an der Ostsee.
Der Tag ist schon recht fortgeschritten, als mir mein Gespann für die anstehende Tour präsentiert wird: Subaru Levorg und ein Fendt Bianco Emotion 445 FH. Ein Gespann, das mich die kommenden drei Tage von Bonn bis an die Ostsee begleitet. Die Aufgabe: Herausfinden, welche Übernachtungsalternativen mich wie Sirenen von meinem Vorhaben abbringen könnten, im eigenen Wohnwagen zu schlafen. Na gut. Los geht’s.
Sirene Nummer 1: BaseCampBonn
Dass mir der 6,79 Meter lange und 2,31 Meter breite Caravan mit dem gewissen Neuwagen-Geruch direkt vor einer gewaltigen Halle präsentiert wird, die auch noch den Namen BaseCampBonn trägt, ist kein Zufall. Ein Blick hinein weckt nicht nur Interesse, sondern zieht einen direkt in seinen Bann.
Der Schritt durch die Eingangstür kommt einer Zeitreise gleich. Hier finden sich unter anderem 18 Wohnwagen aus den Jahren 1965 bis 1985. Ehe ich mich versehe, betrete ich den schrulligsten aber zugleich auch beliebtesten von allen: Drag Queen. Warum es ausgerechnet der sein musste? Ganz einfach: Das Bett gehört mit 1,50 mal 1,90 Meter zu den größten in dieser 1.300 Quadratmeter großen ehemaligen Fabrikhalle. Da stören auch die Plüsch-Handschellen, der seltsam dreinschauende Barbie-Ken, die gemeinsamen sanitären Anlagen und dieser für ältere Wohnwagen typische, leicht modrige und zugleich süßliche Geruch nicht. Die Entscheidung ist getroffen. Die erste Nacht gehöre ich der/dem Drag Queen.
Zwischenfazit 1: Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass das Bett im Fendt meinem Rücken bestimmt besser getan hätte. Mehr Platz wäre auch im Neu-Caravan gewesen, doch das Gefühl, wenn auch nur für eine Nacht, in alte Camping-Zeiten zurückzukehren, war es unterm Strich wert. Mit dem Gedanken "Einmal ist keinmal" startet die Tour gen hohen Norden.
Der Subaru ist zum Glück mit genau den Assistenzsystemen bestück, die das Gespannfahren zum gemütlichen Akt werden lassen. Die den Abstand und die Geschwindigkeit haltende adaptive Cruise Control, ein aktiver Spurhalter und sehr gutes Licht sowie gute Sitze und eine Automatik lassen frühere Horrorfahrten schnell vergessen. Lediglich das Getriebe und der regelmäßig gen 6.000 Umdrehungen rasende Drehzahlmesser trüben ein wenig den Fahrkomfort. Zum Glück führt uns der Weg gen Norden, was bedeutet, dass nur noch bedingt mit Steigungen zu rechnen ist.
Sirene Nummer 2: Baumhaus
Das nächste Ziel im Navigationssystem liegt bei Bad Zwischenahn. Ja, "bei". Denn weder die Technik noch ich wissen genau, wo es hingeht. "Wir treffen uns an einem bestimmten Punkt und werden dann zum endgültigen Ziel gebracht", heißt es nur. Na schön. Dank dem parallel zum fest eingebauten Navi laufenden Google Maps umfahren wir nicht nur einen größeren Stau auf der A1, wir finden auch den ominösen Treffpunkt.
Eine freundliche Dame namens Insa Otteken begrüßt uns mit den Worten: "Ab hier kann geflüstert werden". Nein, das liegt nicht daran, dass Journalisten von Natur aus laute Menschen sind. Das "Resort Baumgeflüster" liegt schlicht gesagt so fernab von jeglicher Zivilisation, dass es keinerlei Lärmemissionen gibt, die eine gedämpfte Konversation unmöglich machen würden. Nach wenigen Minuten erreichen wir den Eingang zum privaten Waldstück von Insa Otteken.
Wie schon in Bonn weicht der Gedanke an ein gemütliches Fendt-Bett ins Hinterzimmer, als das erste Baumhaus zu sehen ist. Wer hier nicht weich wird, dem ist nicht mehr zu helfen. Von frühkindlichen Erinnerungen an das eigene Baumhaus bis hin zu aktuellen Fernsehsendungen, die sich mit genau dieser Thematik befassen – einfach alles flutet das eigene Gehirn bei diesem Anblick und führt ausnahmslos zu der einen, oder besser gesagt der einzigen Reaktion in dieser Situation: "Ich schlafe heute Nacht im Baumhaus."
20 Treppenstufen später wird klar: Das war die richtige Entscheidung. Eine 20 Quadratmeter große Terrasse bildet die visuelle Vorspeise vor dem 39 Quadratmeter großen Hauptgang. Neben einer Küchenzeile steht den Bewohnern ein Schlafzimmer mit zwei zusammengeschobenen Einzelbetten und ein Wohnraum mit zwei Schlafcouches sowie ein mit Schiefer ausgelegtes und über eine Fußbodenheizung verfügendes Bad inklusive Dusche und Wassertoilette zur Verfügung. Allein letztere Installation lässt die Erfahrung der vergangenen Nacht schnell verblassen. Endlich wieder ein eigenes Klo!
Zwischenfazit 2: Die Nacht im Luxus-Baumhaus war hervorragend. Weder menschliche noch tierische Laute störten die Nachtruhe – und das mitten in der Natur in vier Metern Höhe! Noch im Bett liegend offenbart die große Fensterfront des Schlafzimmers einen nicht alltäglichen Blick in die Wald-Welt. Das mit einer Nuss beladene und durchs Geäst rasende Eichhörnchen erinnert den eigenen Magen ans anstehende Frühstück, das im Rotkäppchen-Stil auf Wunsch zu jedem der vier verfügbaren Baumhäuser gebracht wird.
Sirene Nummer 3: Glamping
Mit einem schlechten Gewissen dem bislang verschmähten Fendt-Wohnwagen gegenüber startet die Reise gen Ostsee. Genauer gesagt ist das Navigationssystem mit den Daten "Grönwohld Camping" in Schwedeneck gefüttert worden. Die rund 300 Kilometer sind in gut vier Stunden gemeistert. Allerdings hätte diese Tour auch locker doppelt so lang dauern können, wenn die letzten zehn Kilometer denselben Charakter hätten, wie die letzten 200 Meter.
Die Anfahrt zum Campingplatz ist für alle Fahrzeuge, abgesehen von Panzern und Baja-California-Racetrucks, eine einzige Zumutung. Schlaglöcher, in denen halbe Räder versinken, reihen sich dicht an dicht und sorgen sowohl im Zugfahrzeug als auch im Caravan für einmalige Verschränkungen. Gespanne, die diesen Stresstest bestehen, schaffen alles. Einen gewaltigen Vorteil hat diese Kraterlandschaft jedoch: Hier fährt niemand zu schnell. Was wiederum den vielen spielenden und spontan auf die Straße stürmenden Kindern zugutekommt.
Da wir uns weder auf der Flucht noch in einem Rennen befinden rollen wir im Schneckentempo zu den versprochenen Ferienhäusern. Am höchsten Punkt des Campingplatzes sind sie auszumachen. Holzhäuser mit Platz für bis zu fünf Personen und einer großzügigen Terrasse mitten auf einer großen Wiese und mit Blick auf die 250 Meter entfernte Ostsee. Der erste Eindruck im Inneren der Holzhäuser überzeugt zugegebenermaßen nicht sofort. Das Interieur wirkt an einigen Stellen lieblos zusammengezimmert, eine offene TV-Signaldose weckt kein großes Vertrauen und die umherfliegenden Insekten lassen im ersten Moment auf eine unruhige Nacht schließen.
Aber: Ein vorausschauender Camper hat natürlich seinen Elektro-Tennisschläger dabei, der auch einer Mückenplage, die auf dem Land durchaus zu erwarten ist, Herr wird. Vor die TV-Signaldose wird kurzerhand ein Stuhl gestellt und noch im selben Atemzug der Kamin angeworfen.
Und genau das ist auch der Hauptgrund, der sehr zum Leidwesen des Fendt-Caravans, die Übernachtungsnadel gen Glamping-Abenteuer ausschlagen lässt. Nicht, dass der Fendt keine sehr gut funktionierende Heizung an Bord hätte. Kaminfeuer ist einfach eine Sache für sich und die Möglichkeit mit Blick auf die in der Ferne vorbeifahrenden Schiffe eine warme Milch auf der Terrasse trinken zu können, lockt einfach zu sehr.
Zwischenfazit 3: Lange Rede, kurzer Sinn: Die Entscheidung war nicht verkehrt. Die Nacht war gut, das Bett zwar ein wenig zu kurz für einen 1,95 Meter-Riesen, aber ausreichend gepolstert. Negativ aufgestoßen ist, dass die Fenster, anders als im Baumhaus übrigens, über keinerlei Fliegengitter verfügen. Die Alternative zum geschlossenen Fenster ist demnach eine Nacht mit allem, was den Weg durchs gekippte Fenster wagt. Wer sich also nicht vorstellen kann bei geschlossenem Fenster zu schlafen, für den wäre der Wohnwagen die bessere Wahl.