Womo- und Wanderreise durch Deutschland

Matthias Kehle hat zusammen mit seiner Frau Anja eine ungewöhnliche Wohnmobilreise unternommen und darüber ein Buch geschrieben – entlang der höchsten Berge aller 16 Bundesländer.
Es gibt allerhand Bücher über Wohnmobilreisen. Die meisten stammen von Campern, die für diesen Zweck zu Autoren wurden. In diesem Fall ist es umgekehrt: Matthias Kehle ist hauptberuflich Schriftsteller und war zum ersten Mal mit dem Wohnmobil unterwegs. Dabei entstand sein neues Buch „Womo – Einen Spiegel erwischt es immer“. Wir wollten wissen, was dahintersteckt.
In nur drei Wochen mit dem Wohnmobil zu den höchsten Gipfeln in allen 16 Bundesländern. Wie kommt man auf so eine Idee?
Pünktlich zum 50. Geburtstag legten mich Sehnenansatzentzündungen im Becken lahm. Das bedeutete: nicht wandern, nicht bergsteigen, kein Sex. Für mich war das eine Katastrophe. Nach einem guten spanischen Roten hatten meine Frau und ich die zündende Idee, mit dem Wohnmobil die „16 Summits“ zu bereisen – in Anlehnung an die „Seven Summits“, die jeweils höchsten Gipfel der Kontinente. Diese werde ich auch in wieder genesenem Zustand nie erreichen. Am nächsten Morgen verband ich die höchsten Punkte der 16 Bundesländer mit Hilfe von Google Maps. Ich stellte fest, dass das eine Idealroute durch Deutschland ist. Auf der Strecke liegen zahllose berühmte Sehenswürdigkeiten wie Burg Trifels oder das Hermannsdenkmal, wunderbare Städte wie Lübeck und grandiose Landschaften wie die Seenplatte in Ostdeutschland, Bilderbuchbayern oder der Schwarzwald.
Sie stehen Autos eher skeptisch gegenüber. Warum ein Wohnmobil?
Es blieb uns nichts anderes übrig, da ich kaum einen Schritt ohne Schmerzen tun konnte. Wie oft wir dann doch zu Fuß unterwegs sein mussten, steht auf einem anderen Blatt.
Vor welchen Anfängerfehlern mit Mietmobilen würden Sie warnen?
Unbedingt eine Vollkasko-Versicherung abschließen, denn „Einen Spiegel erwischt es immer“. Ein kompetenter Beifahrer, der idiotische Vorschläge des Navis korrigiert, ist ebenfalls hilfreich. Und vor allem: Stadtverkehr meiden! Erst mal auf den einsamen, mitunter holprigen Landstraßen im Hunsrück oder in der Uckermark üben. Aber: Es ging alles glatt, wir Anfänger haben lustige Dinge erlebt. Zumal die Bedienungsanleitungen für das Mobil nur in französischer Sprache waren.
Die höchsten Berge sind nicht immer touristische Höhepunkte. Haben Sie Ihren Lieblingsgipfel gefunden?
Aus Sicht des Bergwanderers ist es der Biberkopf in den Allgäuer Alpen, ein einfacher Kletterberg, formschön und mit weiter Aussicht. Übrigens der südlichste Berg Deutschlands, der allerdings nicht auf der Strecke lag. Aus Sicht des gehbehinderten Wohnmobilisten: der Stemweder Berg, 32 Kilometer nordöstlich von Osnabrück. Ein winziges Mittelgebirge, maximal 181 Meter hoch. Es ist eine herrliche bewaldete Hügellandschaft, einsam und still, mit einem winzigen, sehr gepflegten Wohnmobil-Stellplatz im Stemweder Ortsteil Westrup. Nördlich davon gelegen ist der Dümmer See im Naturpark Dümmer – trotz beachtlicher Größe ist er nur 1,50 Meter tief.
Ist die Deutschland-Gipfel-Tour zur Nachahmung zu empfehlen?
Unbedingt, wenn man sich nicht nur auf die 16 Gipfel beschränkt, sondern sie nur als Zugabe sieht zu all den anderen Schönheiten Deutschlands. 4000 Kilometer in 20 Tagen, das bedeutet 200 pro Tag. Das ist nicht viel. Morgens nach dem Frühstück 100, am späten Nachmittag 100. Oder mal zwei Tage an der Ostsee entspannen und dann 400 Kilometer fahren. Wer mehr Zeit hat, sollte sich natürlich mehr Zeit nehmen.
Kann man als Tourist im eigenen Land noch Überraschungen erleben?
Absolut! Und zwar im Westen wie im Osten. Der genannte Stemweder Berg, der direkt auf der Route nach Bremen liegt, die entlegenen Grödener Berge in Brandenburg oder die kleinen Bio-Bauernhöfe, die uns der Wohnmobil-Führer „Landvergnügen“ verraten hatte, zuvorderst das „Café Lieblingsplatz“ in Ruschwedel zwischen Bremen und Hamburg. Die Überraschungen sind – im Nachhinein betrachtet – auch der Routenführung zu verdanken.
Zu Anfang hatten Sie doch Vorurteile gegenüber Wohnmobilen. Würden Sie wieder eines für den Urlaub nehmen?
Vorurteile ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber wir hatten nie ein eigenes Auto. Vom Reisen mit dem Womo haben wir schon immer geträumt, vor allem meine Frau Anja, deren Vater das vermutlich größte Wohnmobil aller Zeiten fährt. Zumindest das zweitgrößte. Ja, wir werden wieder mal eines mieten, um etwa in entlegene Gebiete in den Alpen oder den Pyrenäen zu gelangen. Dann können wir nach einer Bergtour gleich duschen, futtern und ins Bett fallen. Nach einem guten Roten, versteht sich.
Sie haben mehr als 20 unterschiedliche Bücher veröffentlicht, Gedichte, Erzählungen und Reisebücher. In welche Schublade würden Sie sich stecken?
In keine, denn es würde mich langweilen, immer nur das gleiche Genre zu bedienen. Ich will mich immer wieder neu erfinden. Und das geht am besten auf Reisen.