Knaus Live Traveller 600 DKG (2020) im Test
Einen halben Meter Länge spart der kürzeste Knaus-Alkoven durch Stockbetten im Heck. Dafür müssen Familien auf eine Fullsize-Garage und flexibilität bei der Bettwahl verzichten. Schlimm? Nein.
Man hat ihnen schon irgendwie übel mitgespielt, den Alkovenmobilen. Hat sie quasi aus dem Schaufenster verbannt und als „Miet-Modell für die Familie“ auf den Hof geschoben. Und das, obwohl ihre Silhouette symbolisch für die gesamte Gattung der Reisemobile und, viel wichtiger, für viel Platz an Bord steht. Trotzdem haben es Händler geschafft, immer mehr Familien geduckte Teilintegrierte schmackhaft zu machen, die aber nur dann für vier taugen, wenn ein Hubbett Wohnraum und Eingangstür verstopft.
Alle Ressentiments gegen Alkoven entkräften kann freilich auch der Knaus Live Traveller 600 DKG nicht: Mit 3,20 Metern Höhe ist er der umschwärmte Liebling französischer Mautgesellschaften. Dabei erreicht der mit 130 Fiat-PS basismotorisierte Live Traveller (ab dem Modelljahr 2020 ist es ein Euro-6d-Temp-Diesel mit 120 PS) die französische Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gar nicht. Warnung: Wer versucht, den Luftwiderstand dauerhaft niederzuringen, wird von Verbräuchen jenseits der 15 Liter zur Raison gebracht.
Gemütliche Landpartien zügeln den Durst des 2,3-Liters, der bis 100 km/h so wacker durchzieht, dass er sich auf ein paar tausend Kilometern das Prädikat „völlig ausreichend“ verdient hat, auf rund elf Liter. Dritter Nachteil: Man muss schon aufpassen, mit dem ausladenden Fahrerhausüberbau nicht an Ästen hängenzubleiben. Dafür sitzt man vorn fast immer angenehm im Schatten.
Aus- und Aufbau
Zurück zum Ausbau: Der 6,50 Meter lange Live Traveller 600 DKG mit Stockbetten fügt sich zwischen dem Zwei-Personen-Exoten 550 DB und dem 48 Zentimeter längeren 650 DG ein, der statt des Etagenbetts ein Doppelbett nebst permanenter Garage im Heck trägt. Alkoven, Viererdinette samt Halle darüber, Küche und Bad sind bei allen drei Grundrissen identisch.
Den Aufbau aus konventionellem Alu-EPS-Sandwich und GfK auf dem Dach setzt Knaus auf den steifen, hohen Leiterrahmen des Fiat Ducato. Damit ist der Knaus Live Traveller 600 DKG – zumindest mit Geschirrtuch zwischen Herd und Glasabdeckung – erfreulich klapper- und knisterarm. Andererseits liegt die Türschwelle ohne optional erhältliche Trittstufe 45 Zentimeter über dem Boden – wenn der Wagen eben steht. Steht er rechts auf Keilen, verschärft das die Situation noch.
Apropos Tür: Für 799 Euro sitzt die „Exklusiv“-Tür mit Fenster im nur 53 Zentimeter breiten, weil vom Fliegengitter verengten Ausschnitt. Dass sie an die Zentralverriegelung angebunden ist, klingt gut, nervt in der Praxis aber: Denn beim Verlassen des Wohnraums entriegeln auch die Cockpittüren.
Einige Extras dürfen nicht fehlen
56.110 Euro ruft Knaus jetzt für den Live Traveller 600 DKG auf. Ganz kurzer Blick über den Tellerrand ins Nachbarbüffet: Knaus-Tochter Weinsberg hat mit dem 46.890 Euro teuren Carahome 600 DKG (Preis 2019) einen sehr ähnlich geschnittenen, aber schlichter gestalteten Alkoven auf Basis des Peugeot Boxer im Programm.
Doch auch beim Knaus Live Traveller gilt: Beim Grundpreis bleibt es nicht. Fiat- und Live-Traveller-Paket für 2017 respektive 1950 Euro sind ob ihrer sinnvollen Zusammenstellung quasi Pflicht, das Care-Drive-Paket mit Totwinkel- und Luftdruckwarner eine Überlegung wert. Die sechs anderen Ausstattungssammlungen sind ehrlich gesagt unnötig.
Und die Auflastung auf 3,85 Tonnen? Zwingend nötig ist sie nicht, vernünftig aber wohl. 393 Kilogramm Zuladung genügen bei vernünftiger Ausstattung für eine vierköpfige Familie, doch die Reserven sind endlich. Klare Empfehlungen sprechen wir für das zweite Alkovenfenster, die zusätzliche Garagenklappe links sowie die Markise aus.
Und die 2049 Euro teuren 17-Zoll-Räder? Die rollen zwar geschmeidiger als 15- oder 16-Zoll-Campingreifen, verfälschen aber die Tachoanzeige: Bei exakt 120 km/h gaukelt die Nadel rasante 135 Sachen vor. Und: Weder am Auto noch in der Bedienungsanleitung sind Luftdruckangaben für die Reifengröße 235/60 R 17 C zu finden.
Familienfreundlicher Wohnraum
Nach 16 Nächten auf der Alkoven-Evopore-Matratze, die auf einem leichten Abstandsgewirke statt auf einem Lattenrost liegt, würden wir statt in Räder lieber in eine Watergel-Auflage investieren und dabei auch noch 1551 Euro sparen. Zur korrekten Einordnung: Unbequem ist das 1,59 Meter breite und 2,09 Meter lange Alkovenbett nicht, doch schwere Brocken wünschen sich etwas mehr Durchschlagreserven.
Auf- und Abstieg über die seitlich verschieb- und in einem Schacht verstaubare Leiter aus dem Traveller-Paket klappen prima. Mit zwei Seiten- und einem Dachfenster lässt sich die Schlafnase im Sommer und dank zwei sperrbaren Ausströmern auch im Winter gut temperieren. Die sicher schließenden Oberschränke über der Sitzgruppe dienen sich dank Durchgriff und 230-Volt-Steckdose im Alkoven-Steher als praktische Nachtablage an. Separate Leselampen sind wohl dem Rotstift zum Opfer gefallen, eine simple Kammerleuchte mit Orientierungslicht muss genügen. Immerhin gibt es oben einen Hauptschalter fürs Multimedia-Autoradio.
Die Vorteile der Viererdinette lernen Familien schnell zu schätzen: Sich auf langen Etappen gegenübersitzen, bei Zwischenstopps mal eben essen, abends die Klamotten hinpfeffern oder auch mal zu sechst reisen – all das geht. Ein Wermutstropfen ist die schlechte Aussicht für die Fondpassagiere – vom eigentlichen Unterwegssein kriegen sie ziemlich wenig mit. Immerhin lassen sich dank einer USB-Steckdose Reichweiten-Verlängerer mit Bildschirm am Laufen halten.
Kleine Schwächen im Detail
Als Stauraum taugt nur die vordere der beiden Sitztruhen. In der hinteren sind die kräftige Combi-6-Heizung und die wichtigsten Elektrikbauteile untergebracht. Die 80-Amperestunden-Aufbaubatterie steht unter dem Fahrersitz. Die Truma-Heizung erwärmt neben Wohnraum und Alkoven auch die Isolierwanne, die Unterflur-Frisch- und Abwassertank umschließt, und das Frostwächterventil, das gemeinsam mit den Ablassventilen für die Tanks und der Landstromeinspeisung in einem Außenstaufach sitzt.
Kurios: Sobald die Fahrerhaus-Seitenfenster unten sind und das Tempo steigt, lässt der Luftzug die schwere Bodenklappe über den Tanks davonschweben; für den Winter-Fahrkomfort heißt das nichts Gutes. Der Wassereinfüllstutzen befindet sich übrigens im Gaskasten. So ist kein Loch im Aufbau nötig und wenn was überläuft, plätschert es einfach unten raus.
Bei aller Luftigkeit: Der Gang zwischen Sitzgruppe und Küchenblock ist 47 Zentimeter schmal. Oder plastischer: Die Küchenschubladen berühren bei vollem Auszug fast die Polster. Dafür können sich Arbeitsfläche – Richtung Eingang gibt es sogar eine Klappverbreiterung – und Stauraum der Küche sehen lassen. Die Fächer in der Fensterverblendung sind ebenso praktisch. Sogar unter dem großen Kühlschrank lässt sich noch Schweres verstauen.
Kritik gibt es für Details: Die Pushlockverschlüsse dürften gemessen am Schubladenvolumen massiver sein, die Gefahr, dass man auf die Klappe des untersten, von Leitungen und Radkasten eingeschränkten Stauraums tritt oder kniet, ist groß. Letzter kleiner Wunsch: mehr Wasserdruck an der Spüle.
Praktisches Bad und ausreichend Stauraum
Aus Duschkopf und Hahn im Bad presst die Tauchpumpe mehr Wasser. Dafür, dass man im gelungen konzipierten Bad wirklich duschen kann, sorgt ein Trick: Der gesamte Waschtisch schwenkt über die Toilette. Die dadurch entstehende Duschkabine ist sicken- und spaltenfrei und damit schnell wieder sauber und trocken. Im Standardbetrieb gefällt die Nasszelle mit vielen Ablagen und Fächern und großen, gut beleuchteten Spiegelflächen.
Der große Kleiderschrank, den zwei höhenverstellbare Regalböden vielseitig nutzbar machen, ist ebenfalls beleuchtet. Dass die Böden im Laufe der Tour mehrfach abstürzen, weil ihre Halter aus den Löchern rutschen, erstaunt im Jahre 2019 ebenso wie der Umstand, dass die Deckel der Sitztruhen mit Schrauben befestigt sind, deren Köpfe exakt so groß sind wie die Bohrungen in den Plastikscharnieren – mit nachvollziehbaren Konsequenzen. Ansonsten gibt sich der Knaus keine Blöße: Die Möbel sind routiniert-solide gebaut, ansehnlich gestaltet und zeigen keine echten konstruktiven Schwächen. Oder auch hier klarer formuliert: In drei Wochen mit neunjährigen Zwillingen ist nichts kaputtgegangen.
Wer sich für den Knaus Live Traveller 600 DKG statt für den 650 DG entscheidet, sollte wissen, welche Kompromisse er für einen halben Meter weniger Aufbaulänge eingehen muss: Da der absenkbare Thule-Heckträger maximal drei Bikes packt, musste in unserem Fall eins in die Heckgarage. Und die entsteht erst, wenn das untere Bett hochgeklappt und die Schiebetür zum Wohntrakt geschlossen wird. Wer bei seinen Stopps flexibel bleiben möchte, darf die Ladung also höchstens bis zur Auflageleiste des Lattenrostes stapeln. Durch eine kluge Rollenmechanik schwenken Rost und Matratze platzsparend und leichtgängig über das Gepäck. Allerdings bleiben zwischen Kopf- und Fußende des unteren Bettes und den Garagentüren Spalte, durch die sich Kissen, Kuscheltiere & Co. gerne gen Keller verkrümeln.
Ins Kinder-Oberstübchen, das über einen eigenen Oberschrank, eine Ablage und eine Steckdose verfügt, führt eine Einhänge-Aluleiter. Während der gesamten Reisedauer kamen keine Klagen aus erfahrenem Kindermund. Noch eins abschließend zum Grundriss: Im 600 DKG sind die Eltern quasi auf den Alkoven abonniert, im 650 DG können Eltern und Kinder quasi nach Belieben tauschen.
Daten und Infos zum Knaus Live Traveller 600 DKG (2020)
Gurte/Schlafplätze: 6/4-6 Zul. Gesamtgewicht: 3500 kg Länge/Breite/Höhe: 6,50/2,34/3,20 m Grundpreis ab: 56.110 Euro Testwagenpreis: 68.910 Euro
Auf- und AusbauSandwich-Bauweise, Holz-Verstärkungen, außen Alu, innen Sperrholz, Dach GfK, Boden Sperrholz, Isoliermaterial Wand/Dach/Boden EPS, Wandstärke Wand/Dach/Boden 31/32/40 mm, 5 vorgehängte Kunststoff-Isolierfenster, 3 Dachhauben, 1 elektr. Panorama-Dachfenster.
BordtechnikGas-Gebläseheizung/Boiler Truma Combi 6, 7 Ausströmer (2 x Sitzgruppe, 2 x Alkoven, Eingang, Bad, Kinderbetten, Abwassertank, Garage), Wasseranlage: Frischwasserrohre, Tauchpumpe.
BasisfahrzeugFiat Ducato 130 Multijet, Serien-Leiterrahmen mit verbreiterter Spur an Hinterachse, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2287 cm3, Leistung 96kW/130 PS bei 3600/min, Drehmoment 320 Nm bei 1800/min, Sechsganggetriebe.
FahrleistungenBeschleunigung 0–50/80/100 km/h 6,2/15,2/24,5 s; Elastizität 60–80/100 km/h (4./5. Gang) 6,5/9,2/15,1/ s, Testverbrauch 12,1 L/100 km.
Testwertung
Maßstab: Alkovenmobil für 4 Personen