Mit dem Wohnmobil durch Patagonien

Wild und wunderschön, dazu über weite Strecken unbewohnt: So erleben wir die Natur auf unserer Traum-Tour mit dem Mietmobil durch den chilenischen Teil von Patagonien – häufig auch bezeichnet als Der Große Süden.
Was für ein Bild! Wir stehen in Daunenjacken und Mützen gehüllt auf dem Mirador „Cerro de la Cruz“ und schauen auf die ankernden Frachter, die am Pier in Punta Arenas in der Morgensonne glänzen. Die Wolken reißen immer mehr auf, und von den Höhen grüßt frisch gefallener Frühjahrsschnee. Dazu spannt sich ein fetter Regenbogen über dem bunten Dächergewirr der südchilenischen Stadt.
Welcher Blick sich wohl bot, als der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan im Oktober 1519 – also vor exakt 500 Jahren – mit seinem Dreimastersegler „Victoria“ die hier zu Füßen liegende, bis dahin unentdeckte Passage an der Spitze Südamerikas durchfuhr? Die Meeresstraße ist heute nach ihm benannt.
Der Wohnmobil-Vermieter spricht deutsch
Anderntags bringt uns ein Chauffeur vom Hotel zur 30 Kilometer südlich gelegenen Wohnmobil-Mietstation. Mit der überraschenden Einleitung: „Herzlich willkommen, wir können gerne Deutsch sprechen“ , beginnt Timo Böckle, der Leiter, die Übergabe des Allrad-Pick-up-Campers. Der gebürtige Heilbronner zeigt die wichtigen Handgriffe, verweist auf das Zubehör, den zweiten Ersatzreifen und vieles mehr.
Wir haben uns für die Nordwestroute mit Ziel Puerto Varas entschieden, etliche Tagesreisen entfernt – zu Lande und zu Wasser. Die Fähre, die in der Saison einmal pro Woche zwischen Puerto Natales und dem Hafen Yungay verkehrt, benötigt für die 415 Seemeilen (770 Kilometer) lange Strecke durch die patagonische Inselwelt zirka 45 Stunden. Eine Landverbindung, die das Südliche Eisfeld durchqueren würde, existiert nicht – und wird es auf lange Sicht nicht geben. Die meisten wählen den Umweg über das Nachbarland Argentinien.
Mit der Fähre durch Patagoniens Inseln
Wir verzichten zwar auf die Schlafsitze an Bord der „Crux Australis“ und nächtigen im kuschligen Alkoven der Wohnkabine, schätzen aber die im Ticketpreis enthaltenen Mahlzeiten.
Bereits nach dem Frühstück wird sichtbar, dass der Seeweg garantiert die beste Wahl ist, um die landschaftlichen Höhepunkte der Südregion hautnah zu erleben: Gleißendes Licht ergießt sich über das Labyrinth aus schmalen Fjorden und steil aufragenden Felseninseln.
Vom Menschen ungenutzte Wälder mit knorrigen, windzerzausten Bäumen erzählen vom rauen Klima. Auch dienten die Eilande nie als Schafweiden. Weder Stromtrassen noch Sendemasten – nicht einmal Ankerplätze oder Hütten jeglicher Art – stören das einzigartige Naturerlebnis. Die intensivsten Eindrücke hinterlassen die bizarr geformten Gipfelspitzen, die aus riesigen, mitunter stark verwehten Schneefeldern drüben am Festland in den azurblauen Himmel ragen.
Ein Stopp mit Landgang ist nach etwa 28 Stunden Fahrt in Puerto Edén vorgesehen, der einzigen Siedlung im Archipel. Laut Volkszählung von 2002 leben in dem Fischerdorf ohne Straßenanschluss lediglich 176 Menschen; mittlerweile soll sich ihre Zahl auf rund 300 erhöht haben. Fünf (!) von ihnen gelten als die letzten Stammes-angehörigen der Kawésqar-Indianer, der Ureinwohner Westpatagoniens. Sie fertigen in einer Kooperative schöne Flechtarbeiten, die sie im Hafen feilbieten.
Der Ort wurde vor 50 Jahren gegründet. Er besitzt ein Rathaus, eine Schule und eine Polizeiwache. Der junge Polizist in blinkender Uniform, der dorthin „verbannt“ wurde, dürfte nicht viel zu tun haben. Die „Crux Australis“ ist ein wichtiges Mittel der Versorgung mit Gütern und im Postverkehr. Am Ufer führt ein Holzbohlenweg von Haus zu Haus, da ein Erdpfad schnell aufgeweicht wäre – Puerto Edén zählt zu den regenreichsten Orten der Erde.
Der Zielhafen Yungay liegt im Nirgendwo. Er besteht aus einer steilen Rampe und einem Kiosk, den die Betreiberin aber nur im Sommer und zu den Anlegezeiten öffnet. Ein Schild wirbt für einen Campingplatz am Ufer des Wildflusses Río Baker – zu erreichen nach 160 Kilometern auf einer Rüttelpiste.
Zuvor jedoch gelangen wir in die Kleinstadt Cochrane und lernen dort auf Camping San Lorenzo Francisco Pastorino kennen, der hier als Platzwart arbeitet. Er erzählt, dass sein Ururgroßvater Deutscher war und aus Stuttgart stammte. Am Abend entzündet Francisco für uns ein Grillfeuer.Lily Lopez und Gastón Torre, die Besitzer, gesellen sich hinzu und spendieren Käse und Wein. Im weiteren Verlauf dieser faszinierenden Mobil-Tour folgen noch viele herzliche Begegnungen mit ausgesprochen liebenswürdigen Menschen, die augenscheinlich das große Glück genießen, in diesem Naturparadies leben zu dürfen.
Es sind vor allem Städter, die die geringen Löhne trotz florierender Wirtschaft beklagen. Auch hohe Preise führten jüngst zu Protesten in Santiago und weiteren Zentren. Hier im ländlichen Süden sind die Unruhen weit weg. Die Chancen stehen gut, die soziale Ungleichheit in Chile auf friedlichem Weg zu verringern. Wie ärmlich früher die kleinen Leute im vielbesuchten Puerto Varas lebten, zeigt das originelle Museo Pablo Fierro zwischen lädiertem Hippie-Bulli und Riesenkuckucksuhr.
Nationalpark Torres del Paine
Gelassen grasen Guanakos in der Steppe, die sich um die Berggruppe Torres del Paine ausbreitet. In der Sprache der indianischen Ureinwohner bedeutet Paine „blauer Himmel“. Im Schatten der Türme (torres) weiden ebenso Nandu-Herden, und Flamingos staksen im Brackwasser umher. Dank strikter Schutzmaßnahmen sind die Bestände der Pumas und Huemuls, der bedrohten Südandenhirsche, im Nationalpark wieder angewachsen. Und mit etwas Glück sieht man Andenkondore kreisen.
Der Park wurde 1978 von der Unesco zum Biosphärenreservat erklärt. Zur Verfügung stehen mehrere Wanderwege, die ausgedehnte Touren ermöglichen. Man darf jedoch die Entfernungen nicht unterschätzen: Für den beliebten Paine-Rundweg zum Beispiel muss man sieben bis neun Tage einplanen. Sehr viel Zeit also, die viele nicht haben – besonders jene, die mit dem Mietfahrzeug unterwegs sind.
Sechs Stationen einer grandiosen Traumtour
Die beschriebene Strecke folgt in weiten Teilen der 2.800 Kilometer langen „Ruta de los Parques“, einer im Oktober 2018 eingeweihten touristischen Straße. Sie verbindet erstmalig alle Nationalparks im Süden des Landes.
1. Punta Arenas./strong> In der weitläufigen Metropole stehen Prachtvillen aus der Blütezeit des Wollhandels am Ende des 19. Jahrhunderts einem Wirrwarr aus wellblechgedeckten Holzhäusern gegenüber. Museen zeigen die Entwicklung auf, darunter das Museo Regional de Magallanes; es bezeugt den immensen Reichtum der ersten Schafzüchterbarone.
2. Puerto Natales Oft fegen Stürme über die Hauptstadt der Provinz Última Esperanza, was übersetzt „Letzte Hoffnung“ heißt. Die 18.000-Einwohner-Gemeinde ist sowohl Ausgangspunkt in den Nationalpark Torres del Paine als auch Starthafen in die westpatagonischen Fjorde. Büros lokaler Tourenanbieter und Outdoor-Läden prägen das Straßenbild.
3. Puerto Edén Mehrmals pro Monat legen Fähren in diesem weltabgelegenen Fischerdorf auf der Insel Wellington an, um die rund 300 Einwohner mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Der Ort entwickelte sich aus einem 1937 errichteten Militärstützpunkt zur Wartung von Wasserflugzeugen. Seine offizielle Gründung erfolgte jedoch erst im Jahr 1969.
4. Gletscher Exploradores Das blau schimmernde Wunder bildet die Nordostströmung des Nordeisfeldes und ist Teil des Nationalparks Laguna San Rafael. Man erreicht den Weg zum Aussichtspunkt nach zwei Stunden Fahrt auf einer Schotterstraße, die in Puerto Tranquilo nach Westen abzweigt. Geführte Eis-Touren sind im Ort buchbar (Gehdauer 9 Std.).
5. Puerto Puyuhuapi Vieles in diesem malerischen Dorf am Ventisquero-Fjord wirkt vertraut: So wirbt etwa ein Café mit „Kuchen“ und „Strudel“. Ortsgründer waren 1935 vier sudetendeutsche Familien, die unter anderem eine Teppich-Manufaktur eröffneten; diese besteht noch heute. Straßennamen wie Avenida Otto Uebel erinnern ebenfalls an die Anfänge.
6 Puerto Varas Die Vulkane Calbuco und Orsono bilden die Kulisse des beliebten Urlaubsortes am Südzipfel des Llanquihue-Sees. Sehenswert: die von 1930 bis 1942 erbauten Privatvillen, darunter Casa Schwerter und Casa Wetzel. Ein Themenweg mit dem Namen „Paseo Patrimonial“, erarbeitet vom Tourismusbüro, führt zu den schönsten Gebäuden.
Die wichtigsten Infos im Überblick:
Faszinierende Naturerlebnisse sind im dünn besiedelten Südchile garantiert. Land und Leute entdeckt man am besten mit dem Reisemobil. Hier die wichtigsten Infos.
Einreise Zur Einreise nach Chile ist ein Reisepass erforderlich, der noch mindestens sechs Monate gültig sein muss. Der Einreisebeleg, den man beim Zoll erhält, berechtigt zu 90 Tagen Aufenthalt (unbedingt bis zur Ausreise aufbewahren!). Es dürfen grundsätzlich keine frischen Lebensmittel eingeführt werden, auch nicht auf dem Landweg.
Währung und Bezahlung 1.000 Chilenische Pesos (CLP) entsprechen 1,21 Euro (Stand November 2019). Geldautomaten gibt es nur an Flughäfen oder bei Großstadtbanken, wie etwa in Punta Arenas. Zur Auswahl der Gerätesprache gelangt man, indem man auf der Startseite den Menüpunkt „Extranjero“ drückt. Fast alle Geschäfte akzeptieren Kreditkarten. Auf Bargeld – Peso oder US-Dollar – besteht unter anderem die Fährgesellschaft Tabsa zur Begleichung des Fahrzeugtarifs.
Kraftstoff Diesel kostet umgerechnet 0,88 Euro/L. Entlang der Rutas 7 und 9 stehen etwa ein Dutzend Tankstellen zur Verfügung. Die Stationen sind auf Landkarten verzeichnet, liegen aber oft nicht an der Hauptstraße. Kreditkartenzahlung ist Standard. Die beiden einzigen Tankstellen in der Nähe des Nationalparks Torres del Paine befinden sich in Puerto Natales. Tankshops sind auf dem Land unbekannt, Tauschstellen für Gasflaschen (5 kg) gibt es dagegen in jedem Ort.
Camping- und Stellplätze Die oft empfohlenen Reservierungen auf Campingplätzen machen für Mobilfahrer nur Sinn, wenn sichergestellt ist, dass die Gelände große Fahrzeuge aufnehmen können. Denn Camping in Chile bedeutet nach wie vor: Zelten im Hof oder hügligen Grasland. Viele Plätze kann man nur zu Fuß erreichen, fast alle sind durch enge Tore gesichert. Eine kostenpflichtige App, die bei der Suche hilft, findet man unter www.app.ioverlander.com. Frei stehen auf öffentlichem Grund ist fast überall möglich. Geeignete Plätze befinden sich etwa an Minimärkten; diese sind in den Dörfern oft die einzigen Info-Stellen. Auch bei Fragen zu WLAN-Netzen hilft man dort gerne weiter.
Fährverbindungen Wer in der Hochsaison (Oktober bis März) fährt, sollte seine Route genau planen und die Fähre Puerto Natales–Puerto Yungay lange vorher buchen ( www.tabsa.cl). Neben dieser Verbindung besteht nördlich von Chaitén eine weitere, zu der es im Land keine Straßen-Alternative gibt. Die Schiffe verkehren zwischen Caleta Gonzalo und Hornopirén, wobei die Passage aus zwei Überfahrten besteht: Das bedeutet, dass man zwischen diesen beiden eine Landzunge im Konvoi durchqueren muss, bevor man erneut einschifft ( www.barcazas.cl). Eine dritte Linie bei Puerto Montt verbindet im Halbstundentakt Caleta Puelche und Caleta La Arena; hier ist keine Buchung nötig ( www.testuario.cl). Ein Reisemobil (3,5 t) fällt in die Kategorie Kleintransporter „camioneta“.
Vermietungen, Flug und Kosten Als einziger großer Veranstalter in Deutschland bietet TUI Camper die Möglichkeit, Wohnmobile in Chile zu mieten. Die Übernahme- beziehungsweise Rückgabestationen im Süden sind Puerto Montt und Punta Arenas. Das Mindestalter beträgt 25 Jahre. Der Anbieter vor Ort akzeptiert zwar den deutschen Führerschein der Klasse B/3, aber bei Straßenkontrollen sollte man den internationalen Führerschein vorweisen können. Das Rauchen in den Fahrzeugen ist nicht gestattet, und die Mindestnutzungsdauer beträgt 7 Tage. Der Standardtarif bei 14 Tagen Mietzeit für ein 4WD-Fahrzeug mit Dachzelt beträgt zur Zeit 1.720 Euro. Ein Pick-up-Camper der Mittelklasse kostet 3.265 Euro, ein Groß-Pick-up mit Camping-Vollausstattung 4.950 Euro ( www.tuicamper.com).
Die Flugpreise von/nach Punta Arenas aus Deutschland liegen zwischen etwa 450 Euro und 2.100 Euro je nach Reisezeit. Die Fluggesellschaft LATAM fliegt regelmäßig von Frankfurt und anderen deutschen Städten über Madrid und Santiago de Chile nach Punta Arenas oder Puerto Montt. Bei ECO-Tarifen sollte man auf die Gewichtsbeschränkungen beim Gepäck achten ( www.latam.com).
Information Allgemeine Informationen zu Chile erhält man unter www.sernatur.cl und speziell für den Süden unter www.rutadelosparques.org. Fragen zur aktuellen Sicherheitslage beantwortet die Internetseite des Auswärtigen Amtes unter www.auswaertiges-amt.de