Reisen mit gutem Gewissen?
Dürfen Reisemobilisten ein reines Umweltgewissen haben? Wie groß ist der ökologische Fußabdruck von Wohnmobil-Reisen? promobil gibt Antworten.
Bereits am 4. Mai dieses Jahres hatte Deutschland seinen Anteil an globalen Energiereserven für das ganze Jahr 2022 aufgebraucht. Seit diesem Tag, so das Global Footprint Network, könne die Erde diese Ressourcen nicht mehr auf natürlichem Weg ersetzen. Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass dafür der große Energieverbrauch, der hohe Kohlenstoffdioxid-Ausstoß im Verkehr und in der Massentierhaltung sowie die Verunreinigung von Böden, der Luft und des Wassers Schuld tragen.
Dabei wächst das Bewusstsein für den Klimawandel und die Ressourcenknappheit. Extreme Wetterereignisse, schmelzende Gletscher und Pole sowie die sichtbaren Auswirkungen des Treibhauseffekts haben den Blick auf unseren Energieverbrauch im Alltag, aber auch auf Reisen verändert.
Was können wir beim Campen gegen Klimawandel tun?
Nachhaltig zu leben ist kein Trend mehr. Immer mehr Verbraucher fragen gezielt nach klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen. Wir greifen zu regionalen Waren, meiden Plastik und versuchen auf manche Flugreise zu verzichten. Doch was können Camper gegen den Klimawandel tun? Und sind sie bereit dazu?
Wie viele Erden bräuchten wir, wenn alle so leben, wie die BewohnerInnen dieser Länder?
In der promobil-Umfrage aus dem Herbst 2021 gaben drei Viertel der Befragten an, sie legten bei ihrem Reisemobil den Fokus auf einen Motor mit neuester Schadstoffnorm. Selbst wenn für viele dabei die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit entscheidend ist, um mit Dieselmotoren weiter Städte befahren zu können, ist ein Motor, der weniger umweltschädliche Emissionen verursacht, ein Beitrag zum Klimaschutz. 67 Prozent der TeilnehmerInnen bevorzugen zudem einen spritsparenden Motor.
Auch liegt der Mehrheit der Befragten (60 Prozent) im Urlaub ein umweltverträgliches Campingverhalten generell am Herzen. Rund 30 Prozent der Befragten legen im Urlaub Wert darauf, ökologisch orientierte Campingplätze anzusteuern. Wenn es ans eigene Fahrzeug geht, ist weniger als einem Viertel der Teilnehmer (23 Prozent) die Verwendung naturnaher Materialien wichtig. Tipps für nachhaltigeres Reisen haben wir auch hier für Sie zusammengestellt.
Welche Reiseart ist nachhaltig?
Die Behauptung, CamperInnen führen mit Dreckschleudern in den Urlaub, belastet die Branche. Klar ist, dass alle Reiseformen das Klima beeinflussen, aber ist der Reisemobilurlaub besonders umweltschädlich, wie manche Nicht-Camper behaupten? Eine Antwort gibt eine Studie, die der CIVD (Caravaning Industrie Verband) nach 2007 und 2013 bereits zum dritten Mal beauftragt hat.
Die Ergebnisse der neuesten Studie wurden im August 2020 erstmals vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) präsentiert**. Die Studie untersucht und vergleicht die Klimabilanzen verschiedener Reisen mit einem Wohnmobil, mit einem Caravan-Gespann und mit weiteren Verkehrsmitteln wie Zug oder Flugzeug. Auch unterschiedliche Freizeitfahrzeugtypen wie einen ausgebauten Kastenwagen (zul. GG 3,5 t), einen Teilintegrierten (zul. GG 3,5 t), einen Vollintegrierten (zul. GG 3,5 t) und ein Caravan-Gespann (zul. GG 1,8 t) inklusive Zugfahrzeug (Diesel-Pkw) vergleicht die Studie miteinander.
Emissionen von drei Reisen im Vergleich
Um sämtliche Faktoren von Reisemobiltour und Caravanreise zu berücksichtigen, wird der Treibhausgasausstoß bei der Herstellung und der Entsorgung des Fahrzeugs, während der Phasen des Wohnens/Übernachtens im Fahrzeug und während der Mobilität (An- und Abreise, Bewegung am Urlaubsort) ermittelt.
Das Ifeu merkt an, dass ein "wesentliches Merkmal von Reisemobilen und Caravans ist, dass sie neben der Funktion der Ortsveränderung die Aufgabe des Übernachtens (bzw. allgemein des Wohnens) mit erfüllen. Für eine umfassende Bilanzierung ist es daher notwendig, den Vergleich der Verkehrsträger um die Funktion Übernachten […] zu erweitern."
Bei Fernverkehr mit Bus und Bahn sowie dem Flugverkehr werden demnach die Emissionen und Verbräuche für Übernachtungen in Hotels addiert. Zu den Campingplatz-Übernachtungen kommen die Emissionen und Verbräuche für die Infrastruktur des Platzes (Nutzung der Sanitäranlagen etc.) hinzu.
Die Erzeugung des Stroms, der für den jeweiligen Urlaub benötigt wird, verursacht von Land zu Land unterschiedliche Emissionen. In Deutschland sind sie wegen des weniger klimafreundlichen Strommix höher als beispielsweise in Frankreich oder Skandinavien. "Während Frankreich vor allem auf Kernenergie setzt, haben die skandinavischen Länder sehr hohe Anteile an erneuerbaren Energien (vor allem Wasserkraft)", so das Ifeu.
Bei den Berechnungen für eine Übernachtung im Hotel sind die emissionsverursachenden Verbräuche das Essen (1,5 Mahlzeiten), der Bedarf an Strom und Wärme sowie die Aufwendungen für den Bau des Hotels.
Emissionen der Fernverkehrsmittel
Für das Fahren mit einem Freizeitfahrzeug errechnen die Wissenschaftler Emissionen von 181–198 g CO2 je Personenkilometer, je nachdem ob mit Campingbus, Teilintegriertem, Vollintegriertem oder Caravan mit Pkw. Der Ausstoß pro Personenkilometer für einen durchschnittlichen Flug liegt bei 213 g CO2. Deutlich besser sind die Werte bei Reisen mit dem Pkw (125 g CO2) oder dem Fernbus und der Bahn (31 g CO2).
Die Übernachtung auf Stell- oder Campingplätzen verursacht deutlich weniger klimaschädliche Emissionen als im Hotel. Da Hotels weniger auf effiziente Energienutzung ausgelegt sind als Freizeitfahrzeuge, stoßen sie deutlich mehr umweltschädliche Treibhausgase aus (22,1 kg CO2) als etwa ein ausgebauter Kastenwagen auf einem Stellplatz (1,8 kg CO2) oder ein Caravan auf einem Campingplatz (6,5 kg CO2).
Drei Urlaubsreisen im Vergleich
Auf der Basis dieser Parameter werden am Ende der Studie drei unterschiedliche Urlaube (Rügen, Südfrankreich mit Flugzeugtransfer, Skandinavien als Rundreise mit Kreuzfahrt) miteinander verglichen. Dabei zeigt sich, dass die Anreise mit dem öffentlichen Fernverkehr in Kombination mit Übernachten auf einem Campingplatz der emissionsärmste Urlaub ist. Beim Urlaub mit dem Reisemobil oder Caravan macht die Anfahrt den größten Anteil der Emissionen aus.
Emissionen Frankreich-Reise im Detail
Auch bei Flugreisen haben die Transfer-Emissionen den größten Anteil. Hinzu kommt noch die schlechtere Öko-Bilanz fürs Übernachten (32 % bei Hotelaufenthalt bzw. 6 % bei Mobilheimübernachtung). Am meisten jedoch wird die Umwelt laut Studie bei einer Rundreise mit einem Kreuzfahrtschiff belastet.
Emissionen Rügen-Reise im Detail
Nach der Studie belasten Reisemobilurlaube die Umwelt stärker als Reisen mit der Bahn. Gegenüber Reisen mit dem Flugzeug oder dem Kreuzfahrtschiff steht der Caravaning-Tourismus allerdings deutlich besser da.
"Werden das Reisemobil und der Pkw mit vier statt mit zwei Personen ausgelastet, sinken die Emissionen der Reise pro Person […] um die Hälfte. […] Ein hoher Auslastungsgrad ist demnach ein sehr effektiver Weg, die Treibhausgasemissionen […] zu reduzieren", bemerkt das Ifeu.
Emissionen Skandinavien-Reise im Detail
Wie lassen sich Urlaub und Umweltbewusstsein verbinden?
Prinzipiell gibt es zwei Arten des Klimaschutzes. Eine Möglichkeit ist das Kompensieren, bei dem die EmissionsverursacherInnen ihre umweltschädlichen Ausstöße durch die Unterstützung klimafreundlicher Projekte ausgleichen. Das können der Ausbau von Photovoltaik, Biogasanlagen, Wasserkraftwerken oder andere nachhaltige Initiativen sein.
Das Gute dabei: Auf Dauer wird die Nutzung fossiler Energieträger reduziert. Ganz ähnlich macht es auch der Verein "Wohnmobil für Klimaschutz", dessen 172 Mitglieder mit rund 3.400 neu gepflanzten Bäumen jede Menge Schadstoff-Emissionen kompensieren. Laut Vereinsangaben speichern die Bäume rund 34 Tonnen Kohlendioxid.
Die zweite Art des Klimaschutzes ist letztlich aber die bessere Alternative: das Reduzieren oder Vermeiden umweltschädlicher Emissionen. Denn Kritiker argumentieren, dass sich diejenigen, die ihr klimaschädliches Verhalten kompensieren, quasi nur freikaufen (Greenwashing) und nicht ernsthaft an Maßnahmen gegen den Klimawandel interessiert sind.
Es gibt viele Möglichkeiten, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Sparsam mit Energie und Ressourcen umgehen ist eine Methode. Die Nutzung wiederwendbarer Produkte eine andere. Noch mehr Tipps für nachhaltigeres Reisen gibt es hier.
Die Reisemobilisten und Caravaner haben zudem noch eine weitere Möglichkeit: die Nutzung ökologisch orientierter Campingplätze. Erfreulich ist, dass die Liste solcher Plätze immer länger wird, was unter anderem am Einsatz der Initiative Ecocamping liegt. Hier erfahren Sie mehr über Ecocamping.
Die Wahl des Campingplatzes macht einen Unterschied
Ecocamping mit Sitz in Konstanz setzt sich seit rund 25 Jahren für nachhaltig geführte Campingplätze ein. Die Verantwortlichen haben einen Leitfaden entwickelt, der Camping- und Stellplatzbetreibern den Weg zur Klimafreundlichkeit aufzeigen soll.
Hauptteil der Beratung ist die Ortsbegehung am Platz mit im besten Fall anschließender Öko-Zertifizierung. Vor Ort wird geprüft, aus welchen Quellen der Strom auf dem Platz stammt, wo auf fossile Energieträger verzichtet werden kann und ob die Betreiber auf regionale Produkte setzen.
Ein Beispiel für nachhaltiges Camping ist beispielsweise im Wangerland im niedersächsischen Hooksiel zu finden. Dort ersetzen die Platzbetreiber etwa die ehemalige Gasanlage zur Wärmegewinnung durch eine nachhaltige Hackschnitzelheizung. Andernorts setzt man nicht mehr auf Asphaltwege, sondern auf regional gewonnenen Schotter. Sicher sind viele dieser Maßnahmen mit Kosten verbunden, doch mittel- und langfristig amortisieren sich die Ausgaben.
Auch der CIVD hat laut eigener Aussage ein Interesse an nachhaltigem Caravaning. Eines der Pilotprojekte betrifft dabei mehrere Stellplätze in Deutschland, die in Zusammenarbeit mit Ecocamping für eine klimafreundliche Zukunft gerüstet werden sollen. Dabei werden in einem sogenannten "Coping-Verfahren" die zu erfüllenden Parameter für Campingplätze auf Stellplätze adaptiert. Das Projekt betrifft sowohl bestehende Stellplätze, die umgerüstet werden, wie auch ein Neubauprojekt.
Welche Campingplätze überhaupt das Nachhaltigkeitslabel tragen, erfährt man zum Beispiel bei der Suchplattform Ecocamps. Dort sind mehr als 200 umweltfreundliche Campingplätze in Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, Kroatien, der Schweiz und Slowenien gelistet. Interessenten können dort nach Kriterien wie Fahrradfreundlichkeit oder regionalen Angeboten filtern.
Auf welche Werkstoffe Reisemobil-Hersteller und Zulieferer bei ihren Produkten zugreifen und was sie sonst gegen den Klimawandel tun, erfahren Sie im zweiten Teil des Reports.
Welche Treibhausgase gibt es?
Die relevantesten Treibhausgase sind Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas. Bei Flugzeugen trägt auch der Ausstoß von Wasserdampf, Partikeln und Schwefel- sowie Stickoxidemissionen in großen Höhen zum Treibhauseffekt bei. Dieser sogenannte "Emission Weighting Factor" (EWF) hängt von der Flugdistanz ab und ist umso höher, je weiter die Entfernung ist.
Quellen und Infos
* Die CO2-Wirkung auf die Erwärmung der Erdatmosphäre wird in eine äquivalente Menge umgerechnet, um die Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase durch eine einzige Zahl angeben zu können.
** https://www.civd.de/wp-content/uploads/2020/09/2020_ifeu_Klimabilanz-von-Reisen-mit-Reisemobilen.pdf