So verhalten sich Reisemobilisten richtig

Wohnmobil-Urlaub ist das Trendthema des Jahres. Die Zahl der neu zugelassenen Reisemobile erreicht einen Rekordwert, und langsam wird es eng auf den Plätzen. Da ist gegenseitige Rücksichtnahme gefragter denn je.
Natürlich hat die Corona-Pandemie das Interesse an Ferien im rollenden Zuhause noch einmal verstärkt, aber schon in den letzten Jahren sind die Verkaufszahlen von Reisemobilen stark gestiegen. Bei mehr als 55.000 Neuzulassungen im Jahr 2019 alleine in Deutschland wird klar, dass die Stellplatzkapazitäten in der Hochsaison teils an ihre Grenzen stoßen. Dies gilt insbesondere in touristisch besonders attraktiven Städten und Regionen.
Denn obwohl sich die Zahl der Reisemobilstellplätze in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hat, derzeit sind es etwa 4200, "kann die Zahl nicht ganz mit dem enormen Wachstum des Bestandes an Reisemobilen mithalten", weiß Marc Dreckmeier, Sprecher des Caravaning Industrie Verbands (CIVD). Dazu kommen die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Wohnmobil-Vermieter, private wie gewerbliche, die 2020 ebenfalls rekordverdächtige Zahlen schreiben. Es liegt also auf der Hand, dass wir weniger Platz haben und damit auch ein höheres Maß an Rücksichtnahme, Geduld, Offenheit und Sozialkompetenz an den Tag legen müssen, um ein entspanntes, unkompliziertes Miteinander zu leben.
Denn auch, wenn mit den steigenden Zahlen viele Reisemobil-Anfänger dazukommen, die sicherlich einige der geschriebenen wie ungeschriebenen Regeln nicht kennen oder schlichtweg überfordert sind mit der ein oder anderen Finesse ihres Fahrzeugs: Die E-Mails und Forenbeiträge, die uns erreichen, zeigen klar, dass die Beschwerden zwar teils schon auf die Einsteiger abzielen, aber genauso auch so mancher "alte Hase" für Unmut sorgt.
Größtes Problem: Egoistisches Verhalten
Ganz vorne auf der Rüffel-Liste: respektloses, egoistisches Verhalten. Dazu schreibt "Dieselreiter" im promobil-Forum: "Unter denen, die sich unanständig benehmen, sind es nicht die Anfänger, die mir Sorge bereiten – denen gibt man einen Hinweis, sie bedanken sich und machen’s fortan besser. Es sind die ‚erfahrenen Sturköpfe‘, mit denen man nicht reden kann."
Ähnliches berichtet auch der Berliner Roland Burgmeister, mit dem wir uns während unseres Fotoshootings auf dem neuen Wohnmobilstellplatz in Heidelberg unterhalten: "Natürlich gibt es Leute, die einen Stellplatz mit einem Campingplatz verwechseln und erst mal den Holzkohlegrill aufstellen, das Sixpack aus dem Kühlschrank holen und ihren Ghettoblaster aufdrehen. Denen erklärt man dann freundlich, dass ein ‚Camping-Verhalten’ nicht auf jedem Platz möglich und eine gewisse Rücksichtnahme notwendig ist, dann klappt’s. Sorgen machen mir eher die Älteren, die sich für viel Geld ein Luxusmobil anschaffen und sich dann wie Graf Rotz von der Backe benehmen."
Doch wer sind diese "Älteren", die anscheinend teilweise aus dem Benimm-Rahmen fallen? Schaut man sich die Käufer von Reisemobilen im oberen Preissegment an, sprechen wir von Best-Agern, Alter 55 plus, dynamisch, aktiv und unternehmungslustig. Sobald die Kinder aus dem Haus sind und vielleicht eine Lebensversicherung ausbezahlt wird, wollen sie ihren Traum von Unabhängigkeit erfüllen.
Das bestätigt auch Marc Dreckmeier vom CIVD: "Die Babyboomer-Generation ist eine wichtige Abnehmergruppe. Sie verfügen vielfach über die notwendigen Geldmittel, haben mehr Freizeit und sind reisefreudig. Wir wissen, dass sich viele Käufer sagen: Ich habe in den vergangenen Jahren die ganze Welt gesehen, war schon in Amerika und in Afrika, aber das eigene Land kenne ich kaum."
Eigentlich schwer vorstellbar, dass dies die Menschen sind, die über Nacht vergessen, wie Müllentsorgung richtig funktioniert, oder unangemessen dicht am erkennbar abgegrenzten Nachbarplatz parken, damit sich die Freifläche vor dem eigenen Mobil vergrößert. Denn Ähnliches gilt genauso für manch "erfahrene Sturköpfe", Leute, die sich schon seit 30, 40 Jahren für diese Urlaubsform entschieden haben, die für Unabhängigkeit, Flexibilität und Naturnähe steht, aber dann auf dem Stellplatz das Nudelwasser einfach in die Büsche kippen oder die "Tretminen" ihrer Hunde nicht aufsammeln. "Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt", wusste schon Immanuel Kant.
Hilfssheriffs auf dem Stellplatz?
Was bereits vor einem Vierteljahrtausend erkannt wurde, sollte doch heute nicht so schwierig umzusetzen sein. Also alles ein gesellschaftliches Problem? Das schreibt auf jeden Fall Birgit Klare in einem Leserbrief: "Ich sehe das egoistische Verhalten nicht als ein spezielles Problem von Campern, sondern als Spiegel der Gesellschaft. Vieles verändert sich, wird schneller, unpersönlicher, und das eigene Erlebnis und Wohlbefinden rückt immer stärker in den Fokus. Ich glaube sogar, dass viele gar nicht wahrnehmen, dass sie mit ihrem Verhalten andere stören. Damit werden wir wohl leben müssen."
Wer tiefer in das Thema einsteigt, stößt genauso schnell auf diejenigen, die von aufkommender Blockwartmentalität sprechen. So beschreibt es beispielsweise Walter Förster in einer E-Mail an die Redaktion: "Das dem Camping ureigene ,Unkomplizierte‘ geht zusehends verloren. Es gibt immer mehr Leute, die am liebsten alles verbieten wollen und von einem Urlaub als Hilfssheriff träumen."
Ähnlich empfindet das promobil-Forist "FrankNStein". Er schreibt: "Wie gut, dass Anwesende grundsätzlich zu der Minderheit gehören, die von der Mehrheit, die sich nicht benehmen kann oder will, in ihrer Erholung und ihrem Ordnungsempfinden gestört wird. Nach meiner Erfahrung gibt es auch mobile Kleingärtner, die peinlichst auf Einhaltung der ,ungeschriebenen Gesetze‘ – die wohl nur in ihrem eigenen Kopf existieren – des Wohnmobil-Reisens achten und sich permanent über die anderen aufregen. Das könnte aus Watzlawicks ,Anleitung zum Unglücklichsein‘ stammen."
Die dritte Riege im Bunde sind diejenigen, die sich am liebsten einen gedruckten "Stellplatz-Knigge" wünschen. So wie uns Manfred Dietz kürzlich schrieb: "Zu inzwischen steigendem unsozialen Verhalten zähle ich jedes rücksichtslose, egoistische Verhalten, zum Beispiel Missachtung angemessener Nachtruhe, Zurücklassen von Müll, unhygienische Nutzung von Ver- und Entsorgungseinrichtungen und so weiter. Ich plädiere dafür, dass erfahrene Reisemobilisten einen Womo-Knigge erstellen, mit fünf, sechs wichtigen Spielregeln, die dann jeder Vernünftige als Selbstverpflichtung in Form eines Aufklebers ‚Ich halte mich an die Spielregeln‘ sichtbar an seine Windschutzscheibe klebt. Diese Selbstverpflichtung sollte auf Unerfahrene und Unwillige als Aufforderung wirken."
Vom Ignorieren übers Tolerieren bis zum Reglementieren reicht die Bandbreite der Möglichkeiten, wie das zeitweilige Zusammenleben von Wohnmobilurlaubern gestaltet werden kann. Eine Universallösung wird sich kaum finden lassen. Deshalb kann der Appell nur lauten: miteinander reden, Rücksicht nehmen und den gesunden Menschenverstand einschalten – und seine Reise trotz kleiner Ärgernisse genießen, schließlich gehört die Urlaubszeit zu den schönsten Wochen des Jahres.
Praxis-Tipp: So klappt die Ver- und Entsorgung
Apropos reden: Bei unserem Fototermin konnten wir wieder mal feststellen, dass das Ver- und Entsorgen tatsächlich zu den größten Hürden für Reisemobil-Rookies gehört. Schön war zu sehen, dass einige "alte Hasen" geduldig den Neulingen mit Tipps und Hinweisen zur Seite standen; wer fragte, bekam bereitwillig Antworten. Deshalb haben wir nachfolgend die wichtigsten Punkte zusammengefasst, mit denen kleinere wie größere Fettnäpfchen gut umschifft werden können: Sinnvoll ist, sich bereits vor Reisestart mit der Lage und Funktionsweise der Bedienelemente für die Ver- und Entsorgung am Fahrzeug vertraut zu machen. Wo kommt das Frischwasser rein, wo lasse ich das Grauwasser ab, wie entnehme ich die WC-Kassette? Diese Handgriffe sollten sitzen, damit an der V+E-Station nicht unnötige Zeit vergeudet wird. Schnell bildet sich nämlich eine Schlange, wenn der Vorgang allzu lange dauert. Deshalb kann bestenfalls auch parallel die WC-Kassette geleert werden, während das Frischwasser ein- und das Grauwasser abläuft. Einfacher geht das natürlich, wenn man sich zu zweit darum kümmert.
Wichtig ist dabei, als Erstes, das Mobil exakt über dem Bodeneinlass für das Grauwasser zu platzieren. Auch dafür ist eine zweite Person als Einweiser hilfreich. Sonst verteilt sich das Abwasser womöglich mit all seiner Schmutzfracht großflächig an der Entsorgungsanlage – ein echte Ferkelei. Und noch ein Tipp dazu: Es kann sich ganz schön hinziehen, bis auch der letzte Tropfen Abwasser aus dem Tank getröpfelt ist. Das ist aber eigentlich nur zum Reiseende hin nötig, wenn man das Fahrzeug anschließend abstellen möchte – am besten mit offenem Stutzen, damit der Behälter austrocknen kann.
Für das Zapfen von Frischwasser ist es ratsam, einen Schlauch mit Absperrventil und den gängigen Anschlussadapter dabeizuhaben, damit nicht die Hälfte des einlaufenden Wassers danebengeht und zu großen Pfützen rund um den Wasserhahn führt.
Und das Unangenehmste zum Schluss: das Entleeren und Reinigen der WC-Kassette. Damit dieser Vorgang so erträglich wie möglich erledigt werden kann, sollte jeder darauf achten, dass der Inhalt der Kassette tatsächlich nur in dem dafür vorgesehenen Einlass landet. Während der kompletten Entleerung ist es wichtig, den Belüftungsknopf an der Kassette gedrückt zu halten, um ein unkontrolliertes He- rausschwappen zu vermeiden.
Anschließend kann die Kassette ausgespült und gereinigt werden. Wichtig dabei: Auf keinen Fall die Frischwasserzapfstelle dafür nutzen. Es gibt in aller Regel extra dafür einen eigenen Hahn. Dabei niemals den Wasserauslauf in den Kassettenstutzen stecken, sondern kontaktlos zapfen. Mit etwas gesundem Menschenverstand sollte eigentlich klar sein, wie man hier vorgehen muss.
Womit wir wieder am Anfang wären: Denn bei weiter steigenden Reisemobilzahlen auf unseren Straßen wird es nur mit etwas Verstand und Rücksichtnahme gelingen, zumindest einen Teil der Freiheit zu bewahren, die wir doch alle so am Reisemobilurlaub lieben.
"No-Gos" auf dem Stellplatz
- Entgegen der Parkrichtung der nebenstehenden Reisemobile zu parken, quer zu parken und vor allem nicht genügend Abstand zum Nachbarn einzuhalten.
- Den benachbarten Stellplatz für Freunde oder Familienmitglieder zu reservieren oder gar abzusperren, einen zweiten Platz für sich selbst mitzubenutzen.
- Bei (spät-)abendlicher Anreise laut und häufig die Türen zuzuschlagen oder zuzuziehen, die Heckgarage leerzuräumen oder mit Markisengestänge zu klappern.
- Das Nudel- und Kartoffelwasser oder restliche Flüssigkeiten wie Tee oder Kaffee einfach aus dem Wohnmobil zu kippen.
- Den Hund ohne Leine laufen zu lassen, seine Hinterlassenschaften nicht aufzusammeln und ihn nicht davon abzuhalten, an fremden Reifen und Rädern zu urinieren.
- Lautstark Musik oder die Fußballübertragung zu hören, zwischen den Reisemobilen Fußball zu spielen oder abendliche Saufgelage zu veranstalten.
- Den Müll rumliegen zu lassen und Abfallbeutel hinter Bäumen und Büschen zu entsorgen, den Müll nicht zu trennen, in der Regel in Rest-, Glas- und Papiermüll.
- Die WC-Kassette hinter Büschen, auf Feldern oder in Gullis zu entleeren – das Gleiche gilt für das Ablassen des Grauwassers.
Welche Regeln gelten?
Eine Stellplatzordnung mit allgemeinen Regeln und Hinweisen soll das Miteinander auf dem jeweiligen Platz unterstützen. Denn nicht auf jedem Stellplatz gelten die gleichen Vorgaben. Gerade bei kommunalen kleinen Plätzen mit kaum mehr als ein paar Parkbuchten ist das sogenannte "Camping-Verhalten" nicht erlaubt. Das bedeutet, dass ein Wohnmobil zwar geparkt werden darf, um beispielsweise eine Stadt zu besichtigen und zu übernachten, aber kein darüber hinausgehendes Verhalten wie auf einem Campingplatz erlaubt ist.
Zum "Camping-Verhalten" zählt unter anderem, seine Campingmöbel vor dem Wohnmobil aufzustellen, die Markise auszufahren, Wäsche aufzuhängen, den Grill anzuzünden oder ein Federballnetz aufzuspannen. Kurz gesagt alles, was über das normale "Parken" hinausgeht. Deshalb ist es ratsam, sich bei Ankunft auf einem unbekannten Platz zuerst einmal mit den dort geltenden Regeln vertraut zu machen, die meist an der Anmeldung oder an einer Infotafel aushängen.