ADAC testet drei Antischlinger-Systeme

ADAC testet drei Anhänger-Stabilisierungssysteme: Sie alle erhöhen die Sicherheit, doch nur eines überzeugt in allen Szenarien
Urlaub, freie Straßen, der Caravan läuft brav hinterher. Dann plötzlich: Eine Brücke, eine Böe, ein Schlagloch – Der Wohnwagen schaukelt, gerät ins Schlingern. Gut, wenn jetzt die Technik hilft und die Bremse zieht! Aber welches System wirkt am besten?
Korrekt beladene, technisch einwandfreie Gespanne sind sicher. Und moderne, schwere Zugwagen kaschieren erstaunlich gut, welche Kräfte da am Heck zerren, wenn 1,5 oder deutlich mehr Tonnen am Haken hängen.
Doch es gibt sie, die Situationen, in denen es einem schlagartig bewusst wird. Eine kräftige Böe, ein Schlagloch, ein großer Gegenstand auf der Straße, dem man ausweichen muss, oder, im schlimmsten Fall, ein anderes Auto, das beim Spurwechsel den Caravan anstupst und ins Schlingern bringt. Zum Glück aber gibt es Technik, die dem Aufschaukeln des Gespannes entgegenwirkt. Der ADAC hat kürzlich drei Stabilisierungssysteme für den Einbau in Wohnwagen und Anhänger getestet – mit überraschendem Ergebnis.
Die ersten Erfahrungen konnten wir schon Ende der 1970er Jahre sammeln, der "Orismat" mit seinen beiden Flacheisen war fummelig, aber ein echter Sicherheitsgewinn. Bald waren dann auch Reibbeläge im Kugelkopf der Deichsel erhältlich, die das Schlingern teilweise unterdrücken, heute ist solch eine "Kugelkupplung mit Schlingerdämpfung" absoluter Standard.
Alko, Knott und Leas im Vergleich
Alko setzt hierbei auf seitlich greifende Reibbeläge, bei Knott und Winterhoff greifen diese von vorn und hinten an der Kugel an, in allen Fällen wird die Dämpfung durch Reibung erzielt, Fett hat auf der Kugel also nichts zu suchen. "Bei neueren Fahrzeugen verfügt auch das elektronische Stabilitätsprogramm ESP oft schon über eine spezielle Anhängererkennung – was allerdings für viele nicht immer deutlich ersichtlich ist", führt Christoph Pauly vom ADAC aus. Zudem gibt es, und jetzt sind wir im Bereich der Nachrüstlösungen für den eigenen Caravan, spezielle Antischlingersysteme, die in kritischen Situationen automatisch die Bremsen des Anhängers aktivieren und damit die Fahrsicherheit erheblich erhöhen. "Und genau diese Systeme haben wir jetzt getestet."
Wobei "jetzt" nicht ganz stimmt: Die ersten Tests, bei denen neben dem ESP des Zugwagens die drei Systeme von Alko, BL-Trading und Knott an den Start gingen, fanden bereits 2023 statt. "Allerdings waren wir von den Ergebnissen so erstaunt, dass wir sogar an einen Fertigungsfehler dachten", meint Christoph Pauly. Also wurde der Test im Sommer 2024 noch einmal gefahren. Immerhin will man sich nicht nachsagen lassen, man habe schludrig gearbeitet. "Dabei haben die Tests gezeigt, dass bereits ein gutes Zugfahrzeug-ESP ein Aufschaukeln rechtzeitig unterbinden kann. Die drei untersuchten Antischlingersysteme heben das Sicherheitsniveau allerdings noch einmal deutlich an. Alle drei konnten das typische Schlingern wirksam verhindern. Den herausfordernden Spurwechsel- beziehungsweise Ausweichtest bestanden dagegen nicht alle Systeme", führt der Projektleiter aus, der deshalb auch überzeugt ist, dass eine Wiederholung der Tests sinnvoll war.
Technik bringt Sicherheit, hier der Beweis
Ohne Unterstützung schwingt sich der Anhänger auf – und ist ohne korrekte Reaktion (Lenkrad halten, bremsen!) kaum zu stabilisieren. Die Gierraten, also die Neigung von Anhänger und Auto, sich aus der Fahrspur zu drehen (YawRate), werden durch das Anhänger-ESP schon merklich gemindert, wie man in der mittleren Grafik sieht. Kommt zusätzlich ein im Anhänger verbautes Stabilisierungssystem zum Einsatz – hier wurde beispielhaft jenes von Alko abgebildet –, dann ist das ganze Gespann deutlich schneller wieder stabil. Indes gibt es, wie frühere ADAC-Untersuchungen zeigten, auch bei den Anhänger-ESP-Regelungen deutliche Unterschiede.
Die Testergebnisse
Die grundsätzliche Funktionsweise ist bei allen Systemen gleich: Sie erkennen die Anhängerbewegungen und betätigen dessen Bremse, wenn sie die Situation als kritisch einschätzen. Und doch gab es Unterschiede: "Testsieger ist das System ATC 2.0 von Alko, das sich keinerlei Schwächen leistet. Es ist sauber verarbeitet und regelt in allen Testszenarien zuverlässig. Auch das LEAS konnte überzeugen – es hat aber qualitative Schwächen in der Verarbeitung. Das ETS Plus von Knott schließlich landet auf dem letzten Platz." Warum? "Weil es beim Ausweichtest sehr spät eingegriffen hat."
Die Testdurchführung
Durchgeführt wurden die Versuche im ADAC Technik Zentrum in Landsberg am Lech, Partnerorganisationen wie der TCS aus der Schweiz oder der ÖAMTC aus Österreich waren ebenfalls an Bord. "Als Testgespann haben wir bewusst eins ausgewählt, bei dem das Gewichtsverhältnis zwischen Auto und Wohnwagen eher ungünstig ist, weil der Anhänger recht schwer und groß ist." Der goldene VW Golf 7 darf maximal 1,5 Tonnen an den Haken nehmen, der eigens präparierte Caravan, in seinem früheren Leben ein Dethleffs, wurde entsprechend auf sein zulässiges Maximum von 1,5 Tonnen gebracht, die Stützlast lag bei exakt 80 Kilo, "das ist das Maximum des Golf, der sonst als ganz normales Dienstfahrzeug bei uns im Einsatz ist". Die Ironie hierbei: Dieses Gespann darf man auch ohne speziellen Anhängerführerschein bewegen, das macht die Testsituation noch spannender.
Zudem wurden die bereits verbaute Antischlingerkupplung und die Bremsen vor dem Test kontrolliert und eingestellt. Ein Lenkroboter im Auto sorgte für Chancengleichheit: "Er kann dieselbe Fahrsituation immer und immer wieder in exakt identischer Weise fahren, kein Mensch könnte das." In die Steuerung des Roboters wurde ein zügiger Spurwechsel einprogrammiert, wie er nicht nur bei einem Ausweichmanöver das Gespann außer Kontrolle bringen kann: "Schon ein etwas zu zackiges Wiedereinscheren nach dem Überholen eines Lasters in unglücklichem Zusammenhang mit böigem Wind kann einen eigentlich simplen Spurwechsel zu einer fahrdynamischen Grenzsituation werden lassen." Genau hier sollen Stabilisierungssysteme unterstützend, also bremsend eingreifen, auf keinen Fall sollte man durch Beschleunigen versuchen, das Gespann zu "strecken" – mit ruhigem Lenkrad behutsam bis kräftig zu verzögern, das ist die bessere Idee. Und dann gibt es da noch die drei getesteten Systeme.
Die drei Systeme im Detail
Das Knott ETS, es passt sowohl für Knott- als auch für Alko-Achsen, wird in 20 verschiedenen Varianten angeboten und muss individuell fürs Caravangewicht ausgewählt werden. "Auch der Einbau ist etwas mühsam, da die Bremszüge demontiert und durchs Gerät geführt werden müssen." Im Test dann erkannte das ETS einen schlingernden Anhänger zuverlässig am schnellsten und bremste passend ein. "Beim Ausweichversuch aber reagierte es sehr spät, während die Testkonkurrenz den Anhänger zu diesem Zeitpunkt schon deutlich eingebremst und damit stabilisiert hatte", schränkt Christoph Pauly ein.
Das "Alko ATC 2.0" hingegen, auch hier gibt es ein Dutzend Varianten für Ein- oder Tandemachser in verschiedenen Gewichtsstufen, überzeugt mit seiner Funktion, "in keinem Testszenario leistet sich das System einen Patzer, und deshalb wurde es auch Testsieger". Dass es im vorliegenden Fall mit 965 Euro das teuerste System war und rund 150 Euro teurer als das Produkt von Knott zu 816 Euro, ist allenfalls einen Hinweis wert. Schwerer wiegt die Tatsache, dass es nur an Alko-Achsen ab Baujahr 1998 eingesetzt werden kann. "Im Gegensatz zum ‚LEAS‘übrigens, das passt universell an jeden Hänger mit einer Auflaufbremse."
Hinter LEAS steht Wolfgang Lubs: "Dieser Pionier hat sein System schon vor 30 Jahren auf den Markt gebracht, er war der erste Anbieter einer solchen Stabilisierungseinrichtung." Indes wuchs die Firma trotz des Erfindergeists nicht in industrielle Standards, "die teils mäßige Verarbeitung zeugt davon". So ist das Gehäuse des Beschleunigungssensors mit Klebeband "abgedichtet", manche Lötstelle ist nicht gerade wie aus dem Lehrbuch und "Elektronikbauteile, die in Luftpolsterfolie und Klebeband gewickelt sind", entsprechen auch nicht der allgemeinen Vorstellung von einer soliden Verarbeitung. "Dafür aber war der Preis mit 749 Euro am günstigsten – und im Test überzeugte das LEAS mit seiner Funktion. Es bremste den Anhänger situationsgerecht ein, und das in allen getesteten Fahrmanövern."
Den Einbau kann man generell selbst vornehmen – sofern man genügend Schraubererfahrung hat, um sich an das Bremssystem zu wagen. "Wer hier unsicher ist, sollte aber auf jeden Fall in die Werkstatt rollen, das ist nix für ungeübte Bastler", meint Christoph Pauly. "Und generell empfehlen wir, bei der Stützlast ans Maximum zu gehen, denn mit einer deutlich zu geringen Stützlast wird das Gespann so instabil, dass auch das beste elektronische System nicht mehr weiterhelfen kann. Zudem sollten die Bremsen des Anhängers einmal im Jahr korrekt eingestellt werden, denn mit einer schlecht gewarteten Bremse greift auch ein Testsieger ins Leere."
Tipps für Verbraucher
- Anhänger-Stabilisierungssysteme sorgen für einen Sicherheitsgewinn, der Einbau ist grundsätzlich sinnvoll und zu empfehlen, auch erfahrene Gespannfahrer können profitieren.
- Absolut entscheidend für die Fahrstabilität ist eine korrekt eingestellte (= maximal zulässige) Stützlast. Ohne diese wird es auch für das beste System unmöglich, passend einzugreifen.
- Beim Überholen von Lkw, auf Brücken und an windigen Tagen muss man mit einem schlingernden Anhänger rechnen. Im Zweifel: Tempo runter, das reduziert das Schlingerrisiko.
- Wenn der Anhänger schlingert: Lenkrad ruhig halten, behutsam bremsen. NICHT per Gaspedal versuchen, das Gespann zu strecken!