Supersportwagen Mercedes-AMG ONE
AMG hat den offiziellen Namen seines Hypercars Project One bekannt gegeben. Der Elektro-Supersportwagen heißt „Mercedes-AMG ONE“. Alle 275 Exemplare sind bereits verkauft, allerdings versieht AMG die Verträge mit bestimmten Klauseln, um das Hypercar vor Spekulanten zu schützen.
- Vertragsklauseln
- Motortechnik aus der Formel 1
- Fahrleistungen
- Das Antriebskonzept
- Cockpit im Motorsport-Look
Es ist wie auf dem Immobilienmarkt. Es gibt Käufer, die ein Auto nur für den Zweck erwerben, es möglichst teuer weiterzuverkaufen. Sie wollen keinen Fahrspaß, sondern maximale Rendite. Dann tauchen plötzlich exklusive Autos mit null Kilometern auf dem Tacho auf Internetverkaufsplattformen auf. Zum doppelten, dreifachen oder vierfachen Preis. Der Porsche 911 R war so ein Beispiel.
Ford schützt seinen GT mit Klauseln im Vertrag gegen Spekulanten. Kunden müssen den Supersportwagen mindestens zwei Jahre halten. Bei Verstoß droht ein Gerichtsprozess. Mercedes geht mit seinem Prestigeprojekt One, das Anfang 2019 in erste Kundenhände übergeben wird, einen ähnlichen Weg. Alle 275 Exemplare des Hypercar. mit Formel 1.Technik sind verkauft. Dafür brauchte es vor gut einem Jahr nur die Ankündigung, ein solches Auto zu bauen.
Um die Kunden bei der Stange zu halten, informiert ein exklusiver und mobiler Showtruck über den Entwicklungs-Fortschritt der AMG ONE. Er ist ausfahrbar und bietet neben dem Fahrzeugdisplay eine Kaffeebar, eine Lounge sowie unterschiedliche Informationselemente und Farbbeispiele. Sitzproben im Cockpit sind ebenso möglich, wie die Demonstration der individuellen Ausstattungsoptionen.
Mercedes-AMG scannt Fahrzeugbörsen
Der Gesamtpreis beläuft sich auf 2,275 Millionen Euro zuzüglich Steuern. Die Käufer mussten in einem ersten Schritt eine Anzahlung leisten. Der Kaufoptionsvertrag beinhaltet ein beidseitiges Rücktrittsrecht. Mercedes-AMG hält Augen und Ohren offen, scannt Verkaufsplattformen und Fahrzeugbörsen im Internet, um einen direkten Wiederverkauf auszuschließen. Es heißt, es hätte schon der ein oder andere über Ecken das Project One angepriesen. In solchen Fällen grätscht Mercedes-AMG dann dazwischen. Auch im Kaufvertrag selbst soll es Klauseln geben, die das Hypercar davor schützt, zu einem Spekulationsobjekt zu verkommen.
Die ersten Testfahrten hat Mercedes-AMG bereits unternommen. Mit tarnfolierten Prototypen auf abgesperrten Rennstrecken in England und Spanien. Öffentliche Straßen meidet AMG noch. Das Chassis für das One wird in England gebaut. Etwa eine halbe Stunde nordwestlich von der Formel 1.Motorenfabrik in Brixworth entfernt, wo die Motoren des Project One gefertigt werden. Die kurze Anbindung erleichtert die Entwicklung. Für Tests nutzt Mercedes-AMG in Brixworth zwei Prüfstände, und darf auch bei Gelegenheit den Formel 1.Prüfstand nutzen.
Der V6-Turbo mit 1,6 Litern Hubraum basiert auf dem Formel 1.Motor von 2015. Es werden aber auch Entwicklungen der letzten Jahre miteinfließen, heißt es. Den aktuellen Motor will man nicht hernehmen. Da stecken zu viele Geheimnisse drin. Eine Systemleistung zwischen 1.100 und 1.200 PS kann erwartet werden.
Slickreifen für AMG One
Mercedes-AMG tastet sich langsam an das Limit heran. Bei den ersten Testfahrten drehte der V6-Turbo bis 9.000/min. Das Ziel sind 11.000/min für die Straßenversion. Inzwischen liegt man dazwischen. Die Ingenieure müssen den kraftvollen Motor erst einmal mit dem automatisieren Achtganggetriebe harmonisieren.
Das Mercedes-AMG One rollt auf Semi-Slicks zu den Kunden. Es werden aber auch komplett profillose Reifen entwickelt. Die Slicks werden allerdings nur bei Fahrten auf der Rennstrecke geliefert. Es ist kein Geheimnis, dass Mercedes-AMG mit dem One einen neuen Rekord für Straßenautos auf der Nordschleife aufstellen will. Die Bestmarke des Rennwagen. Porsche 919 Hybrid Evo ist nicht zu erreichen. Dafür müsste Mercedes schon mit dem Formel 1.Auto auf der Nordschleife aufkreuzen.
Vorstellung des Mercedes-AMG One
Hypercars sind in den letzten Jahren in die Mode gekommen. Porsche hat eines gebaut mit dem 918 Spyder. Ferrari mit dem LaFerrari. McLaren mit dem P1. Dazu die Armada von Koenigsegg. Aston Martin arbeitet gemeinsam mit dem Formel-1-Rennstall Red Bull an einem. Und auch in den Hallen von Mercedes-AMG entsteht ein Prestigeobjekt, das sich One nennt, und die Technik aus der Formel 1 auf die Straße bringen soll. Für 275 Glückliche zu einem Stückpreis von 2,275 Millionen Euro. Plus Steuern. Macht je nach Steuersatz gut 2,7 Millionen Euro. Und so klingt das Biest beim Anlassen (ab 4:00 Minuten wird's interessant):
Der One, das die Schwaben zunächst als Showcar auf der IAA ausstellten, baut auf einem Karbon-Monocoque auf. Hinter der Fahrgastzelle schlägt das Herz. Ein 1,6-Liter-V6-Turbo in Mittelmotorbauweise, der so auch früher im Rennwagen von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas Dienst tat. Neumatische statt mechanischer Ventilfedern ermöglichen eine Maximaldrehzahl von 11.000/min. Thema Lewis Hamilton: Der fuhr die Project-One-Studie in Frankfurt auf die Bühne.
Das Hochdrehzahlkonzept klingt mehr nach Motorrad als nach Straßensportwagen, erreicht in der Spitze der Leistungswerte aber nicht ganz das Niveau aus der Formel 1. Dort dreht sich die Kurbelwelle aus Effizienzgründen zwischen 12.500 und 13.500 Mal in der Minute. Erlaubt wären sogar 15.000/min. Ein limitierter Benzindurchfluss von maximal 105 Kilogramm Benzin pro Stunde zwingt die Ingenieure aber zu einem Kompromiss. Sie begrenzen deshalb auch den Ladedruck auf etwa 4 bar.
Super plus statt Rennbenzin
Mit diesen Beschränkungen muss sich das Hypercar nicht herumschlagen. Es kann so viel Super plus (statt Rennbenzin) verbrennen, bis der Tank leer ist, und so stark boosten, wie es die AMG-Ingenieure erlauben.
Das Drehzahllimit gewährleistet eine längere Haltbarkeit. Eine Motorlaufleistung wie in der Formel 1 wäre Kunden nicht zumutbar. AMG legt die erste Revision auf 50.000 Kilometer fest. Ein elektrischer Turbolader vorverdichtet die Ansaugluft für den V6 mit vier obenliegenden Nockenwellen, die Stirnräder antreiben. Turbine und Verdichter sind hierbei getrennt. Das eine Rädchen sitzt im Auspuff-, das andere im Ansaugtrakt. Sie sind über eine Welle verbunden.
Auf dieser Welle befindet sich der erste von vier Elektromotoren. Diese E-Maschine, genannt MGU-H für Motor Generator Unit Heat, arbeitet einerseits als Antrieb um Turbolöcher zu stopfen, andererseits als Generator, um die Batterien zu füllen. Im letzten Fall bedient sich die MGU-H der Energie der heißen Auspuffgase. Der zweite Elektromotor heißt MGU-K (Motor Generator Unit Kinetic). Er wandelt kinetische Energie beim Bremsvorgang in Strom um und ist über einen Stirnradantrieb direkt mit der Kurbelwelle verbunden. Die MGU-K leistet 120 kW (163 PS). Mit dieser Antriebskonfiguration erreicht das Formel-1-Auto über 950 PS im Qualifikationsmodus.
Mercedes-AMG One mit 4 E-Motoren
An die Vorderachse hängt AMG zwei weitere Elektromaschinen. Beide koppelt man über ein Untersetzungsgetriebe an die Räder. Diese E-Motoren, die jeweils 120 kW freisetzen, also praktisch zwei weitere MGU-K sind, gibt es in der Formel 1 nicht, und lassen das Hypercar auf dem Papier stärker sein als den Rennwagen. Der Antriebsstrang arbeitet mit einer Spannung von 800 statt der üblichen 400 Volt, was unter anderem besonders schnelle Ladevorgänge des Plug-in-Hybrides ermöglichen soll. Die Ansteckvorrichtung hierfür befindet sich auf der rechten Fahrzeugseite. Den Tankdeckel bringt Mercedes-AMG auf der linken Seite unter.
Genaue Leistungsdaten verschweigt AMG. Drehmoment? Keine Angabe. Es gibt allerdings durch Zulieferer ZF, das Kupplungen für die Formel 1 baut, einen Richtwert aus dem vergangenen Jahr. Der lautete für den F1-Antriebsstrang: über 1.200 Nm. Dazu würde theoretisch noch das Drehmoment der zwei E-Maschinen an der Front kommen. In der Formel 1 ist der Output der MGU-K auf maximal 200 Nm beschränkt. Die Höchstgeschwindigkeit beziffert AMG wage auf über 350 km/h. Das sind Regionen, in denen Lamborghini Aventador und Pagani Huayra spielen. Bugatti Chiron, Koenigsegg Agera und Regera RS rennen gar über 400 Stundenkilometer. Null 100 km/h? Man munkelt um die 2,5 Sekunden. Also Chiron-Niveau. Die 200 km/h sollen unter sechs Sekunden fallen.
Größere Batterien als im Formel 1.Auto
Die Batteriepakete im Unterboden entsprechen vom Aufbau, von den Zellen und von der Anordnung den Speichern aus der F1. Jedoch vergrößert AMG die Speicherkapazität um das Vierfache. Dadurch steigt das Batteriegewicht von 20 bis 25 (F1) auf rund 100 Kilogramm. Das Gewichtgewicht der Antriebseinheit geht von mindestens 145 (F1) auf rund 420 Kilogramm hoch. Zum Gesamtgewicht macht Mercedes-AMG keine Angaben. Deswegen lässt sich auch das Leistungsgewicht nicht errechnen.
Das Project One erlaubt unterschiedliche Fahrprogramme, darunter auch einen rein elektrischen Modus. Dann schuften nur die E-Maschinen an der Vorderachse und bringen den AMG gut 25 Kilometer weit. Die E-Motoren an der Vorderachse können die Räder abbremsen und beschleunigen, können also die radselektive Momentsteuerung (Torque Vectoring). Im Schleppbetrieb sammeln sie bis zu 80 Prozent der Bremsenergie ein. Wenn der Pilot volle Power abruft, ist das Project One ein Allradler. Als Kraftübertragung dient ein automatisiertes Achtganggetriebe. Ein Doppelkupplungsgetriebe oder ein Wandler wären zu schwer gewesen. Das Getriebe aus der Formel 1 war auch keine Option. Weil es zu laut und ruppig für den allgemeinen Straßenverkehr wäre.
Cockpit mit Formel 1.Geist
Aktive Aerodynamik-Lösungen wie die Kiemen auf der Oberseite der vorderen Radhäuser und der zweigeteilte, ausfahrbare Heckflügel sollen überragende Fahrdynamik ebenso garantieren wie die Pushrod-Aufhängungen. Die Druckstreben aktivieren die Feder-/Dämpfereinheiten.
Das Hypercar steht vorn auf 19 Zoll großen Rädern. Darauf zieht man von Michelin speziell entwickelte Cup-Reifen (Pilot Sport Cup 2) in der Größe 285/35. An der Hinterachse montieren die Techniker Schlappen der Größe 335/30 ZR20. Zum Vergleich die Reifengröße des Mercedes-AMG GT R: 275/35 ZR19 und 325/30 ZR20. Die 10-Speichen-Aluminium-Schmiederäder mit Zentralverschluss entwickelte man neu. Sie verfügen über eine radiale, aerodynamisch ausgefeilt gestaltete Teilabdeckung aus Karbon. Diese soll die Aerodynamik verbessern und den cW-Wert durch eine bessere Umströmung des Rades drücken. Gleichzeitig sorgen je drei flache Belüftungsschlitze pro Speichenabschnitt für eine optimierte Wärmeableitung von den Bremsen. Eine Karbon-Keramik-Bremsanlage verzögert das Hypercar.
Die Optik des Mercedes-AMG Project One prägen große Luftöffnungen, die sich über die gesamte Frontschürze ziehen, schmale LED-Leuchten, ein vorgerücktes Cockpit, eine Dachluke, eine daran anschließende Haifischflosse und ein großer Diffusor. Die Airbox auf dem Dach versorgt den Motor mit frischer Luft. Die Heckscheibe erlaubt einen Blick auf den V6-Turbo und die hinteren Pushrods. Durch die eingelassenen Luftschächte, sogenannte NACA-Ducts, dringt Kühlluft bis hin zu den Motor- und Getriebekühlern. Neben dem zentralen Auspuffendrohr platziert AMG zwei kleine Röhrchen. Sie imitieren die Wastegate-Röhrchen aus der Formel 1, in die ein Teil des überschüssigen Turbodrucks geleitet wird, um die V6-Motoren lauter werden zu lassen. Für den Straßeneinsatz müssen die Ingenieure die Abgase nachbehandeln und den Lärm etwas dämmen.
Im Cockpit dominiert der Geist der Formel 1. Das Cockpit nimmt allerdings zwei Personen auf. Die Schalensitze lassen sich in Längsrichtung nicht verstellen. Dafür kann der Fahrer das Lenkrad, die Pedale und die Rückenlehne anpassen. Das Lenkrad mit integriertem Airbag ist oben und unten abgeflacht – wie in einem Rennwagen – darüber türmt der erste von zwei zehn Zoll großen Bildschirmen. Über der spärlichen Mittelkonsole verbaut AMG den zweiten. Einen Rückspiegel sucht man vergebens. Stattdessen gibt es eine Mirrorcam am Dachhimmel, die dem Fahrer einspielt, was im Heck passiert. Ein klassischer Spiegel hätte aufgrund der beschränkten Sicht durch die Flosse auf dem Dach nicht ausgereicht. Die mit Karbon verkleideten Türen zieht man über Schlaufen zu. Kleinere Utensilien können die Insassen in Ablagefächer stopfen. Das Hypercar hat auch eine Klimaanlage an Bord. Die Fenster fahren elektrisch runter und wieder hoch.