Ungleiches Auto-Quintett
Ob Sportwagen, Limousine oder Gelände-SUV – die fünf Kandidaten bilden eine Einheit, wenn es von Null auf Tempo 100 geht. Sie überschreiten die klassische Marke in weniger als fünf Sekunden.
Wann haben Sie zum letzten Mal brutal von Null auf 100 km/h durchgezogen? So im einsamen Landstraßenverkehr, mit schnalzender Kupplung und rauchenden Pneus. Lange her? Noch nie? Hat uns die Generation Turbodiesel mit ihrem brutalen Durchzug, aber eher mäßigen Kickstart-Verhalten nicht endgültig den Glauben an den Dragster-Weg genommen? Sicher wissen wir Auto-Freaks, dass die Mutter aller Beschleunigungsmessungen alltagsfremd ist.
Was noch lange kein Grund ist, sie nicht zu lieben. Regen wir uns über photoshopverzierte Centerfolds auf? Eben! Und wo fing die Liebe meist an? Beim Auto-Quartett: Beschleunigung? 4,9 – her mit den Karten. Das Schöne an dieser Zahl: Selbst automobile Analphabeten wissen, dass alles unter zehn irgendwie schnell ist. Ja, unter fünf sogar legendär. Was für ein Schub! In diesen weniger als fünf Sekunden katapultieren sich Gefährte in unsere Herzen. Obwohl doch eigentlich gar nicht viel Zeit fürs Flirten bleibt ... Nummer eins: Weiß der Geier – oder in diesem Falle viele SUV-affine Amis -, wieso gerade Porsche einem Koloss das Spurten beibringen musste, aber der Cayenne Turbo S kann es.
2,5 Tonnen rennen los
550 PS treffen auf 2.500 Kilogramm. Der schwere Rote aus Zuffenhausen bringt Kopfschmerzen für ökologisch Korrekte. Aber darum geht es hier nicht. Es riecht nach Leder und Luxus, massig und exklusiv. Wie ein Zyklopenauge glotzt der Drehzahlmesser. Unbewegt ruht der Zeiger auf Leerlaufdrehzahl. Aus den Tiefen des V8 bollert es gelangweilt. Kurz schweifen die Gedanken noch einmal zu den Heldentagen der Null-auf-100er, als gute Zeiten nur was für begnadete Pedal-Jongleure waren. Dann knallt das Zuffenhausener Schlachtross auf Gasbefehl mit brünftigem Brausen wie vom Nashorn gepiekt nach vorne. Einfach nur stehenlassen ist hier die Kunst. Und ich möchte schwören: Selbst meine Mutter würde ihn so in 4,8 Sekunden auf 100 kriegen. So perfekt elektronisch traktionsgezügelt und mit seidig- schnellen automatischen Gangwechseln. Was bleibt, sind Mundwinkel, die langsam wieder zurückfließen, und ein Gefühl, als hätte man gerade ein Reihenhaus beschleunigt. Groß und luxuriös vs. klein und spartanisch
Ein Stockwerk tiefer wartet schon Nummer zwei: Lotus Elise SC. Keiner steigt in einen Elise ein, alle falten sich rein. Wo eben noch dichter Teppich die Sportschuhe umgarnte, klopft jetzt nacktes Aluminium. Ein herbes Kontrastprogramm: 900 Kilogramm und 220 PS. Macht 4,1 Kilogramm Gewicht pro PS, schon sind der rote Koloss und die graue Flunder wieder auf Augenhöhe. Auch den Elise weckt man links: mit einem Startknopf. Nur brabbelt dann freilich nichts, sondern es quengelt ein kompressorgetunter Vierzylinder-Toyota aus dem – hab ihn selig – Celica. Hier hat alles noch Hand und Fuß, es regieren Sechsganggetriebe und Kupplung. Traktionskontrolle ist was für Schattenparker. Wie war das mit den Heldentagen? Los geht‘s, kleiner Chapman. Gefühlvoll regelt der Gasfuß die Drehzahl in den 5.000ern, die Kupplung knallt nach oben. Für einen kurzen Moment scheint die Welt mitsamt Elise stillzustehen. Dann reißt der wilde Engländer mit einem gummirauchumnebelten Ruck nach vorne, brüllt metallisch laut und sirrend in den wildesten Vierzylinder-Klangfarben.
Schön ist anders, aber derart symphonisches Sinnieren wird von der roten Schaltanzeige bei 8.000/min überblitzt. Schalt mich! Lass die Pedale fliegen! Der Lotus will den Piloten schuften sehen. 4,8 Sekunden? Vielleicht. Je nach Tagesform von Pilot und Auto. Wenn der Cayenne ein vierfacher Espresso ist, dann spielt der Lotus drei Dosen Redbull. Apropos: Redbull-Chef Mateschitz sponsert das Air Race. Die moderne Form der „Tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“.
Pseudo-Oldie ist schneller als erwartet
Der Film mit Gert Fröbe, erinnern Sie sich? Und der würde perfekt in Nummer drei passen: ein Morgan Roadster V6, anachronistisch, aber irgendwie cool. Innen riecht er wie ein lange nicht mehr gelüftetes Landschloss.Die steile Scheibe, die possierlichen Instrumente, man möchte gar nicht glauben, dass dieser Pseudo-Oldie ein Unter-Fünfer ist. So mit heruntergenommener Stoffhaube durch die frische Luft flanieren, passt viel besser. Doch Vorsicht, wer dem Weißen mit dem kecken Kotflügelschwung in das stehende Gaspedal tritt, wird schnell von der Romantik kuriert. Dann brüllt der Dreiliter-V6 gereizt und beißt auf Gas zu wie ein hungriger Terrier.
Ob seine 204 PS die runde Tonne Gewicht wirklich in 4,9 Sekunden auf Tempo 100 hieven, wird zur Nebensächlichkeit. Denn wer die Kupplung gebändigt, sich durch die Stufen des Fünfganggetriebes gekämpft und eine Gerade mit etwas Gegenlenken überstanden hat, der konstatiert leicht transpirierend zumindest eines: Er ist viel schneller, als er aussieht.
507-PS-Geschoss im Schafspelz
Ein Statement, für das auch Nummer vier prädestiniert ist: BMW M5 Touring. Kenner entlarven ihn an den seitlichen Kiemen, den fehlenden Nebellampen vorne und dem bulligeren Spoiler. Ansonsten tritt das 507-PS-Geschoss unerwartet introvertiert auf. Fehlen noch zwei Kindersitze, und schon ginge er als braver Familien- Transporter durch. Einer mit Fünfliter-V10, Hochdrehzahl-Konzept und Ionenstrom-Zündung. Einer mit Launch-Programm: schnellste Schaltstufe S6 des sequenziellen Getriebes anwählen, M-Drive anklicken, den Gangwahlknubbel bei getretenem Gaspedal nach vorne schieben und halten, die Kinder aus dem Auto holen lassen.
Die Drehzahlnadel schnellt auf 5.000/min. Durchatmen, loslassen und genießen. Mit brutaler Wucht und Motorsport-Gesang springt der M5 nach vorne und in die 8.000er. Hart swingt der Kopf beim knallenden Gangwechsel: vier-Komma-acht – nicht schlecht für einen Kombi. Seine Kupplung braucht jetzt erst mal ’ne Pause. Kupplung.
Nummer Fünf mit V12 Da lacht ein Mercedes S 600 nur. Ihn gibt es nur mit Fünfgang-Wandler-Automatik. Aber was sind schon Gänge in einem Schwabenpfeil, der mit seiner unbändigen Biturbo-Kraft kokettiert wie ein Bodybuilder mit Damen-Hanteln. Den Dampf limitiert bei ihm die Elektronik und der Grip der Reifen, aber nicht der Zug des 5,5-Liter-V12. Wer ihn beschleunigt, sollte gut gefrühstückt haben. Perfidität ist sein Metier: Massagesitze, Luxus-Interieur und fast perfekter Wandlerschliff wollen dich einlullen. Doch der Magen lässt sich nicht täuschen. 517 PS rühren mächtig in der Peristaltik. Die Ambivalenz von Luxus und Spurt pflegt kaum einer so wie er. Das Ergebnis sind 4,5 Sekunden und die Botschaft für alle Sportwagen: Schau in den Rückspiegel, Kleiner.