Wohnmobil-Tour Südengland - plus Praxistipps
Immer mächtiger türmen sich die Kreidefelsen von Dover auf, je näher die Fähre der Insel kommt. Das ist schon ein eindrucksvoller Auftakt für eine Entdeckertour durch ein besonderes Land.
Endlich regnet es mal. Zwei Urlaubswochen warten wir schon auf das, wovor uns alle gewarnt hatten. So müssen wir die Daheimgebliebenen doch nicht ganz enttäuschen. Denn zurück in Deutschland gilt die erste Frage an Heimkehrer dem Wetter auf der Insel. Nun, sagen Sie einfach, dass man klimatisch immer mit allem rechnen muss, und eine wind- und wetterdichte Kapuzenjacke schadet – vor allem in Küstennähe – nie. Es ist verlässlich wechselhaft, doch selbst im April schon mild im Vereinigten Königreich. Rhododendren und Azaleen blühen um die Wette. Solche prachtvollen haben Sie noch nicht gesehen: meterhoch, hundert Jahre alt, mit armdicken Stämmen.
Überhaupt überrascht uns die Vegetation in Südengland, die dem warmen Golfstrom zu verdanken ist. Palmen und Agaven verbreiten vielerorts mediterranes Flair. Und im Frühling färben Millionen von Bluebells – kleine Waldhyazinthen – ganze Landstriche blau. Ein unvergesslicher Anblick. Nun sitzen wir also in Stourhead, dem Urbild eines klassizistisch- herrschaftlichen Landschaftsparks, wo wir auf dem Car Park übernachtet haben, beim Cream Tea. Wir sind mittlerweile echte Fans geworden. Das etwas mürbe Hefegebäck mit buttriger Sahne und Marmelade ist samt Heißgetränk ein ausgezeichneter Nachmittagssnack und kalorisch ein vollwertiger Ersatz für das Mittagessen, das wir immer öfter ausfallen lassen, um mehr Zeit für die vielen Sehenswürdigkeiten Südenglands zu haben. Rauschhaft schnell rasen die letzten Tage vorbei.
Eine ganze Weile sind wir schon unterwegs und können mit Fug und Recht mit einem anderen, etwas einfältigen Klischee über das Vereinigte Königreich aufräumen. Selbst in einfachen Pubs isst man zumeist ordentlich. Mit Beer Battered Cod – im Teig ausgebackenem Kabeljau – gibt es sogar eine wohlschmeckende Form der fetttriefenden Fish’n’Chips, die an jeder Ecke zu haben sind. Für Bierliebhaber ist England ein Eldorado, zumal der Hopfentrank beileibe nicht überall zimmerwarm serviert wird. Die erste Runde holt man sich traditionell selbst am Tresen. Das ist kommunikativ und außerdem höflich. Beides Wesenszüge der Inselbewohner.
„Mealtime“, ruft die Nachbarin auf dem Riverside Caravan Park nahe Plymouth mir zu. Ich grille das Abendessen, und sie streckt mir grinsend durchs Wohnwagenfenster ihren Teller hin. Und dann stellt sie eine tief philosophische Frage: Warum sind es eigentlich immer die Männer, die sich ums Barbecue kümmern? Vielleicht ein Reflex aus der Steinzeit, spekuliere ich. So läuft das hier. Man macht ein bisschen Konversation, ist freundlich. Sie sind angenehm, die Engländer, herausragend hilfsbereit und stets großzügig mit Tipps.
„Waren Sie jemals in St Ives?“ „Bis jetzt haben wir nur darüber gelesen.“ Ein Fischerdorf am Westzipfel Cornwalls mit malerischem Hafen, mildem Klima und jenem „griechischen Licht“, das schon Generationen von Künstlern anzog. „A perfect place to be.“ Na, da kommen wir sicher noch auf einen Cream Tea vorbei.
Von Plymouth aus lenken wir das Mobil tags darauf jedoch erst einmal zur nahen Buckland Abbey, einem Kloster aus dem 13. Jahrhundert, das heute ein Selbstbildnis Rembrandts beherbergt und ab 1580 Sir Francis Drake als Wohnsitz diente. Von dem berühmten Seefahrer und Freibeuter wird auch erzählt, dass er 1588 erst seine Partie Bowling zu Ende spielte, bevor er auslief und die längst formierte spanische Armada vernichtend schlug. Die Geschichte ist so very british und so legendär, dass sie einfach wahr sein muss.
Wohin noch? Tatsächlich wäre Dover ein guter Anfang. Nicht nur weil die meisten dort erstmals englischen Boden betreten, sondern weil Kreideklippen und Castle wirklich beeindrucken. Wer einen Stadtbummel schätzt, kommt sicher in Salisbury (tolles Caramel-Shortbread), Exeter (tolle Kathedrale), dem beschaulichen Winchester (tolle Pasteten) oder dem schrillen Brighton (tolle Parkplätze am Pier) auf seine Kosten. Geschichtsbewusste finden in Battle Anregung, wo 1066 die Schlacht von Hastings wirklich stattfand, oder auch im mythischen Tintagel mit der Artusburg. Und natürlich ist das faszinierende Stonehenge weit mehr als ein Pflichtbesuch.
Naturfreunden wird der New Forest hinter Portsmouth mit seinen ursprünglichen Campingplätzen gefallen, die schroffen Hochmoore von Devon und Cornwall und die grandiosen Strände, allen voran die gigantischen Saunton und Putsborough Sands im Nordwesten.
Und immer wieder Parks, Landhäuser, Gärten: das fantasievolle Sissinghurst, das halb verfallene Nymans, Tintinhull, Montacute, Killerton, Overbecks mit seinen tropischen Pflanzen, Saltram, Nightshayes mit seinem riesigen Küchengarten, um den allein sich einst 20 Gärtner kümmerten.
St Ives? Ach ja. Beziehungsweise nein. Auch beim zweiten Anlauf im September – klimatisch genauso verlässlich, die Insel blüht immer noch, allerdings in anderen Farben – haben wir’s wieder nicht geschafft. Und so träumen wir weiter. Vom nächsten Mal. Dann klappt’ s ganz sicher mit dem Cream Tea in St Ives.
promobil Tipps für einen Südengland-Trip
Eden Project & Lost Gardens: Tief im Westen, nahe St Austell in Cornwall, liegen zwei der ambitioniertesten Gartenbauprojekte Südenglands. Sehenswert sind beide und zugleich völlig unterschiedlich. Das 2001 eröffnete, 50 Hektar große Eden Project verfolgt mit über 5.000 Pflanzenarten einen erzieherisch-bewahrenden Ansatz. In den futuristischen Glaskuppeln – den größten Gewächshäusern der Welt – sind tropische und subtropische Vegetationszonen nachgebildet.Heligan war ein verfallenes Landgut, ehe in den 1990er Jahren seine Wiederbelebung begann. Originalgetreu rekonstruiert wurde unter anderem der viktorianische Nutzgarten aus dem 19. Jh., darunter der Walled und der Melon Garden. Verzaubernd schön ist das Dschungeltal in den Lost Gardens of Heligan, das mehrere Hängebrücken überspannen.
Willkommen im Club: „And where did you join ...?“ Die freundlich-interessierte Frage nach dem Beitrittsort haben wir in England immer dann gehört, wenn wir eine der historischen Stätten oder altehrwürdigen Bauten besucht haben, die der National Trust verwaltet und pflegt. Als Mitglied erhält man kostenlosen Eintritt und darf auch umsonst parken. Bei einem Jahresmitgliedsbeitrag von 105 Pfund für zwei Erwachsene hat sich diese Investition etwa ab zwei Wochen Aufenthalt wieder amortisiert. www.nationaltrust.org.uk. Bei English Heritage kostet der Jahresbeitrag für zwei Erwachsene 88 Pfund. Diese Organisation verwaltet beispielsweise Stonehenge und Tintagel Castle. www.english-heritage.org.uk
Südengland: planen, reisen, genießen
- Linksverkehr, schmale Straßen und andere Besonderheiten. Wer gut vorbereitet startet, kommt auf der Insel gut zurecht. Je schlanker das Mobil, desto besser.
- Die kürzeste und für Reisemobile zugleichgünstigste Verbindung zwischen dem Kontinent und England ist die Schiffspassage zwischen Calais und Dover.
- Auf der Zufahrt zur Fähre hat man schon mal Gelegenheit, sich auf den Linksverkehr auf der Insel einzustellen. Der ist tatsächlich für den Fahrer weniger eine Herausforderung als für den Beifahrer, der dem Gegenverkehr plötzlich überraschend nahe kommt.
- Während man auf den Hauptverkehrsrouten und Autobahnen ( Tempolimit 112 km/h) gut vorankommt, gilt das für die Mehrzahl der Straßen in England nicht. Sie sind oft schmal, in ländlichen Gebieten – und das sind viele – häufig nur einspurig und meist begrenzt von dichten Hecken. Ausweichbuchten helfen, dem überwiegend geduldigen Gegenverkehr aus dem Weg zu gehen. Doch all das bestimmt wesentlich die Reisegeschwindigkeit. Entfernungen sollte man keinesfalls unterschätzen, zumal zu beachten gilt, dass die englische Meile bedeutend länger ist als ein Kilometer.
- Dazu kommen weitere ungewohnte Besonderheiten. Furten zur Überquerung von Flüssen sind im Vereinigten Königreich noch absolut gebräuchlich. Vor allem alte Brücken können mitunter sehr schmal sein. Reisemobile mit üblichen 2,30 Meter Breite müssen gelegentlich einen Umweg in Kauf nehmen. Andererseits weiß der Autor aus zuverlässiger Quelle von Reisemobilfahrern, die selbst mit Dreiachsern oder Linern einen entspannten England-Urlaub genossen haben.
- Für den Inseltrip raten wir unbedingt zu einem Navigationsgerät, das die Fahrzeugmaße in die Routenführung einplant; für das Garmin Camper 760 können wir aus Erfahrung allerdings keine Empfehlung aussprechen. Auch die Planung mittels Landkarte hilft bei der Einschätzung der Straßen.
- Das Abkleben der Scheinwerfer ist bei neueren Fahrzeugen mit Klarglasscheiben übrigens nicht mehr erforderlich und möglich. Am besten stellen Sie die Leuchtweitenregulierung ganz nach unten.
- Wildes Campen ist fast in ganz England verboten. Reine Reisemobilstellplätze sind selten. Dafür gibt es ein dichtes Netz an Campingplätzen aller Kategorien. Die Auswahl auf der nächsten Seite können wir aus eigener Anschauung sehr empfehlen.