Mercedes W 126 im Preisvergleich
Mercedes All Time Stars verkauft einen 280 SE für 47.890 Euro. Ist die S-Klasse so viel Geld wert? Oder ist ein W126 für 15.000 Euro der bessere Kauf?
Eine S-Klasse für 47.890 Euro? Meinen wir jetzt einen 300 SEL 3.5 Baujahr 1970 in Topzustand mit nur 73.000 Kilometern, unrestauriert, vollkommen original und aus erster Hand, nur 9.583-mal gebaut? Oder handelt es sich etwa um einen mittelprächtigen Mercedes 450 SEL 6.9, einen von nur 7.380 dieser Nonplusultra-Daimler? Nein, es ist ein zunächst ziemlich unspektakulärer 280 SE W 126, davon gab es die verschwenderische Fülle von 133.955 Exemplaren.
Geringe Laufleistung, wenig Patina, lückenlose Historie
Der Wagen hat auch noch ein Viergang-Schaltgetriebe, das in S-Klasse-Fan-Kreisen kaum Beifall erntet. All Time Stars, die Verkaufssparte von Mercedes-Benz Classic, ist bekannt für eine selbstbewusste, ja offensive Preisgestaltung ihrer in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Okkasionen. All Time Stars bietet Mercedes Klassiker und Youngtimer in drei Kategorien an, Concours Edition, Collectors Edition und Drivers Edition. Der 280 SE segelt unter der stolzen Flagge der Collectors Edition, das ist die zweitbeste Zustandskategorie. Sie liegt schon nahe am Optimum, bei jüngeren Autos wird nur leichte Patina toleriert. Geringe Laufleistung und lückenlose Historie mit Wartungsheft und Datenkarte sind Voraussetzung für den elitären Status.
Der Preis ist eine Ansage: 47.890 Euro
Die handgeschaltete S-Klasse in Silberdistelmetallic, Code 881, mit Lederausstattung Siena, Code 237, und Fuchs-Leichtmetallrädern sieht schon auf den hochauflösenden Fotos der All-Time-Stars-Homepage unwiderstehlich aus. Das Ersthand-Auto mit unfassbaren 35.214 km auf dem Zählwerk wirkt perfekt. Der zartgrüne Lack zeigt bestechenden Tiefenglanz, die Kunststoffteile sind ohne Grauschleier, Holz und Leder wie neu. Aber der Wagen kostet 47.890 Euro! Das entspricht fast dem Vierfachen des Classic-Analytics-Preises von 13.000 Euro für einen 280 SE in der Zustandsnote 2. Wie kann das sein? Ist es die Hybris des Sterns? Ist es das kostbare Privileg, einen Klassiker aus Herstellerhand zu kaufen? Ist es das Rundum-sorglos-Paket, das einen Kauf bei All Time Stars risikofrei macht, mit einem Jahr Garantie und Komplettservice vor der Auslieferung? Oder liegt es einfach am epochalen Zustand irgendwo bei Note 1,75?
Silberdistel kontra Astralsilber
Wir wollen es genau wissen und treffen uns mit All-Time-Stars-Verkaufsleiter Patrik Gottwick und der prächtigen Silberdistel zum Lokaltermin in der Werkstatt von Mercedes-Benz-Vertreter Wilhelm Jesinger in Esslingen. Die Firma ist eine der wenigen handverlesenen Mercedes-Partner, die im Auftrag von All Time Stars angekaufte Klassiker mit viel Hingabe und Fingerspitzengefühl zum Gesamtkunstwerk vollenden.
Das Vergleichsauto kostet 14.500 Euro
Mit von der Werkstattpartie bei Jesinger ist unser Vergleichskandidat: ein 280 SE in Astralsilber, dessen Katalogdaten zumindest in Rufweite der Silberdistel von All Time Stars sind, der aber nur 14.500 Euro kostet und sogar fünf Extras mehr aufweist. Der Herausforderer mit Automatikgetriebe stammt aus Familienbesitz und hat 63.063 auf dem Tacho. Den attraktiven Wagen mit edler Veloursausstattung samt souveränen Kopfstützen im Fond und bezaubernden Scheinwerferwischern steuert Jörg Sonntag aus Stuttgart bei. Der erste Eindruck ist bestechend, auch Patrik Gottwick und Swen Harasin, Kundendienstleiter bei Jesinger und erfahrener Klassiker-Sachverständiger, blicken anerkennend, als der Astralsilberne mit dem unschuldigen Charme der originalen Plastikradkappen die Werkstattbühne betritt.
Der günstigere 280 SE: Parkrempler und Rost
Die Fachleute Gottwick und Harasin haben schon beim ersten Umkreisen des günstigen Vergleichsobjekts den kleinen Parkrempler über der Heckstoßstange und die münzgroße Durchrostung links am Kotflügel unter dem Blinkergehäuse entdeckt. Mit professioneller Routine inspizieren die beiden den Astralsilbernen. Türen und Hauben werden flugs geöffnet, Polster befühlt, Pedalgummis und Lenkradnarbung gecheckt, Wartungsheft und Datenkarte verglichen. Das kalte Licht der Taschenlampe trifft auf den völlig öldichten M 110, jeder prüfende Handgriff sitzt.
Am Heck ohne Typenschriftzug verharren Gottwick und Harasin verdächtig lange, sie vermuten einen größeren Altschaden: „Das Lackbild der Seitenteile ist unregelmäßig, und in den C-Säulen wurde ausgenebelt“, stellt Swen Harasin mit besorgtem Blick fest. Der Kofferraumboden ist jedoch ohne Befund, kein neuer schwarzer Lack, keine Stauchungen um die Reserveradwanne. Natürlich stammt das Rad noch aus originaler Werksauslieferung, und das Bordwerkzeug wohnt seit 38 Jahren komplett und rostfrei in seiner roten Sisalrolle.
Klarer Sieg für die Silberdistel
Der grüne 280 SE leistet sich nur minimale Schwächen: Das Radio Becker 2000 ist zu jung für 1982, ein paar Aufkleber sind verwittert, das Pappschildchen am Reserverad fehlt, und die Reifen sind mit 205/70 VR 14 eine Nummer zu groß. Sonst gibt es nur ein bisschen Patina, das rotbraune Leder schimmert heller als ab Werk, der Alugriff am Heckdeckel zeigt ein paar kleine Kratzer. Motorraum, Unterboden, alles top, weil eisgestrahlt.
Im besseren Auto steckt viel Arbeit
Ich bin sichtlich angetan, frage Patrik Gottwick fast ein wenig naiv: „War der immer so schön?“ Gottwick lächelt verbindlich, erklärt dann mit ernster Miene: „In diesem 280 SE steckt viel Arbeit, damit er dem hohen Niveau der Collectors Edition von All Time Stars entspricht. Der Wagen wurde komplett ohne Scheiben und Dichtungen lackiert, weil er viele kleine Dellen und Kratzer hatte. Außerdem haben wir die Klimaanlage aufwändig instand gesetzt und alle technischen Verschleißteile erneuert, wie Batterie, Stoßdämpfer und Abgasanlage. Alles, was gut war, haben wir bestmöglich aufgearbeitet, den Schalthebelsack und viele Kleinteile erneuert.“