Wechseljahre: "Die Lust ist nicht weg - sie ist auf leiser gestellt"
In den Wechseljahren macht Sex keinen Spaß mehr, lautet ein Mythos über das Klimakterium. Wie die hormonellen Veränderungen wirklich ins weibliche Liebesleben eingreifen, erklärt Fitness- und Gesundheitsexpertin Mimi Lawrence (geb. 1979) im Interview mit spot on news. In ihrem Buch "Wenn nicht jetzt, wann dann?" (Fischer, 28. Mai) beschreibt Lawrence die Wechseljahre als Neustart - hier erklärt sie, wie Frauen überschüssigen Pfunden, Hitzewallungen und Gereiztheit begegnen können.
Ihr Buch "Wenn nicht jetzt, wann dann?" dreht sich um die Wechseljahre. Sie erzählen darin, dass Sie sich irgendwann selbst nicht mehr wohlfühlten in Ihrem Körper und verletzende Kommentare in den sozialen Medien hinzukamen. Wie blicken Sie heute auf den Beginn dieser "Reise" zurück, die Sie damals begonnen haben?
Mimi Lawrence: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: "Ach, das war alles ganz easy." Aber ich bin froh, dass ich die Verantwortung für meinen Körper übernommen habe - anstatt zu jammern oder traurige Smileys zu verschicken, habe ich angefangen. All diese verletzenden Kommentare - wohlgemerkt ausschließlich von Frauen - haben mich nicht klein gemacht, sondern angespornt. Ich wusste ja, wie viele Frauen sich ähnlich fühlen. Also wollte ich ein Vorbild sein und sie auf meine Reise mitnehmen. Heute bin ich unendlich dankbar für diesen Wendepunkt. Ohne ihn gäbe es dieses Buch nicht. Und ganz ehrlich: Ich habe mich noch nie so stark und wohlgefühlt wie jetzt.
Viele Frauen denken beim Thema Wechseljahre an Hitzewallungen und zusätzliche Pfunde. Ist eine Gewichtszunahme in dieser Lebensphase unvermeidlich?
Lawrence: Unvermeidlich ist nur eins: Dass sich etwas verändert. Wie genau - das hängt von vielen Faktoren ab. Natürlich spielen Hormone eine Rolle, aber eben nicht nur. Auch unser Lebensstil, unser Stresslevel, unser Schlafverhalten - all das beeinflusst, wie unser Körper sich jetzt verändert.
Viele Frauen merken: Die alten Strategien funktionieren nicht mehr. Weniger essen bringt nichts außer Frust. Diäten scheitern - und das Selbstwertgefühl gleich mit. In meinem Buch zeige ich, was wirklich hinter den zusätzlichen Pfunden steckt und vor allem: was wirklich hilft. Es geht nicht darum, weniger zu essen - sondern anders. Nicht um Verzicht, sondern um Veränderung. Und genau diese neue Herangehensweise führt dazu, dass Frauen sich endlich wieder wohlfühlen im eigenen Körper.
Wie hängen die Wechseljahre und das lästige - und gefährliche - Bauchfett zusammen?
Lawrence: Bauchfett ist nicht einfach ein kosmetisches Problem - es ist ein Warnsignal. Vor allem in den Wechseljahren. Wenn der Östrogenspiegel sinkt, wird unser Stoffwechsel umprogrammiert: Der Körper lagert Fett bevorzugt am Bauch ein - ausgerechnet dort, wo es hormonell am aktivsten ist. Das klingt paradox, ist aber ein uraltes Überlebensprogramm. Blöd nur, dass es heute unser Risiko für Herzinfarkt, Diabetes und Entzündungen erhöht. Die wenigsten Frauen wissen das. Und noch weniger wissen, dass sie diesen Mechanismus stoppen können - ganz ohne radikale Diäten.
Wie kann Frau ihre Ernährung anpassen, um mit Begleiterscheinungen der Wechseljahre besser umgehen zu können?
Lawrence: Es ist wie beim Smartphone: Irgendwann braucht es ein Update. Was früher funktioniert hat, bringt uns jetzt leider nicht mehr weiter. Unser Körper hat plötzlich andere Bedürfnisse - und die dürfen wir ernst nehmen. Mehr Eiweiß. Weniger Zucker. Mehr Pflanzen. Weniger Stress beim Essen. Klingt kompliziert? Ist es nicht - wenn man weiß, worauf es ankommt.
Wie kann Kraftsport helfen?
Lawrence: Krafttraining ist kein Männersport. Es ist ein Anti-Aging-Geheimnis. Und zwar ein sehr wirksames. Wir verlieren ab 40 nicht nur Muskeln - sondern damit auch Energie, Haltung, Kraft und Selbstvertrauen. Die gute Nachricht: Du brauchst keine zwei Stunden im Fitnessstudio. Schon kurze, gezielte Einheiten wirken Wunder - wenn du weißt, wie du sie machst.
Ein Mythos ist auch: In den Wechseljahren macht Sex keinen Spaß mehr. Wie greifen die hormonellen Veränderungen ins Liebesleben ein und was ist dran am Mythos?
Lawrence: Die Lust ist nicht weg - sie ist nur auf leiser gestellt. Der sinkende Östrogenspiegel, ein bisschen Testosteron-Mangel, trockene Schleimhäute - klar, das alles hat Einfluss. Aber das bedeutet nicht, dass das Liebesleben vorbei ist. Im Gegenteil: Viele Frauen entdecken gerade jetzt ihre Sexualität neu - selbstbestimmter, entspannter, befreiter. In meinem Buch rede ich Klartext: über die Herausforderungen, aber auch über die Chancen. Und vor allem darüber, dass guter Sex keine Frage des Alters ist - sondern der Offenheit.
Gereiztheit oder depressive Verstimmungen können zu den Symptomen gehören. Was können Betroffene tun, damit dies keine Auswirkungen auf ihre sozialen Beziehungen hat?
Lawrence: Hör auf, dich zu schämen. Du bist nicht "komisch" - du bist hormonell im Ausnahmezustand. Und ja, es kann passieren, dass du morgens wie Dr. Jekyll in den Tag startest und plötzlich als Mr. Hyde durch die Küche marschierst. Das ist okay. Das sind die Wechseljahre. Aber es ist nicht unabwendbar. Wir haben mehr Einfluss, als viele denken - ganz ohne Medikamente. Ernährung, Bewegung, Mikronährstoffe, kleine Routinen: Es gibt so vieles, das hilft. Und selbst negative Smileys in WhatsApp-Nachrichten und Co haben einen Effekt - welchen genau, verrate ich im Buch. Du wirst überrascht sein. Was du dort findest, sind keine leeren Ratschläge, sondern ehrliche Erfahrungen, echte Lösungen - und das sichere Gefühl: Du bist nicht allein. Und du kannst etwas tun.
Wechseljahre dürfen kein Tabu am Arbeitsplatz mehr sein, fordern Sie. Wie spricht man das im Job an und wie begegnet man Hitzewallungen oder Konzentrationsproblemen im Arbeitsalltag?
Lawrence: Wenn wir über Elternzeit, Migräne oder Homeoffice sprechen dürfen, dann bitte auch über Hitzewallungen und Konzentrationseinbrüche. Es geht nicht darum, sich krank zu fühlen - sondern verstanden und ernst genommen. Ich gebe im Buch konkrete Tipps, wie Frauen das Thema selbstbewusst im Job ansprechen können, ohne Angst vor Schubladendenken zu haben. Und wie Unternehmen endlich begreifen, dass Wechseljahre kein Karriere-Killer sind - sondern ein Moment, in dem Frauen unglaublich viel zu geben haben. Wenn man sie lässt.
Wie sollte sich die öffentliche Wahrnehmung der Wechseljahre generell verändern?
Lawrence: Wir brauchen ein neues Bild. Weg von der Frau, die mit Fächer im Büro sitzt und heimlich Hormone nimmt. Hin zu einer Frau, die weiß, was sie will. Die für sich sorgt. Die keine Angst mehr davor hat, laut zu sein - oder einfach mal "Nein" zu sagen. Wechseljahre sind kein Ende. Sie sind ein Neustart. Für ein Leben mit weniger Anpassung, weniger Perfektion - und mehr Selbstbestimmung. Wenn nicht jetzt, wann dann?!