Das SID-Kalenderblatt am 19. August: Das Zehnkampf-Fest von Stuttgart

Das SID-Kalenderblatt am 19. August: Das Zehnkampf-Fest von Stuttgart
Köln (SID) - Mitternacht nahte, alle anderen Wettkämpfe des Tages waren längst abgeschlossen. Doch niemand, wirklich niemand wollte das Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion verlassen, bis auch diese Siegerehrung vorbei war. 60.000 Menschen sangen mit einer Stimme für ihre Zehnkampf-Helden, feierten den neuen Weltmeister Dan O'Brien, bejubelten ihren Helden Paul Meier.
Derartiges ist schwer messbar, doch wahrscheinlich war die Stimmung bei einem Leichtathletik-Großereignis nie zuvor und nie danach so rauschend wie bei dieser WM 1993 im Schwabenland, und nie so vor Glück strotzend wie bei diesem Zehnkampf, der am 19. August begann und am Abend des 20. endete. Und der im Rückblick auch 27 Jahre später noch Gänsehaut-Anfälle auslöst.
"Dass ein Stadion den Zehnkampf so gefeiert hat, war natürlich großartig", sagte Meier über die Tage, an denen er mit Bronze zur besten Sendezeit schlagartig einem ganzen Land bekannt wurde. Mit 48 Punkten Vorsprung auf Seoul-Olympiasieger Christian Schenk gewann Meier damals das Duell um Platz drei, der abschließende 1500-m-Lauf fand vor einer riesigen Wand aus euphorischem Lärm statt.
"Spätestens jetzt gibt's gleich zwei Goldmedaillen für das Stuttgarter Publikum", rief ARD-Reporter Gerd Rubenbauer bei der Siegerehrung durch das Mikro.
Es war eine Zeit der naiven Unschuldsvermutung für die Leichtathletik. Die Stars in Stuttgart, ob (der formschwache) Carl Lewis, Linford Christie oder Javier Sotomayor, wurden vorbehaltlos beklatscht. Selbst die chinesische Schildkrötenblut-Armada des Herrn Ma, die auf den Mittel- und Langstrecken dominierte, erhielt artigen Beifall.
Von den wohl größten Leichtathletik-Festtagen in Deutschland blieb jenseits der Erinnerung nicht viel - nicht einmal die Laufbahn: Diese wurde beim jüngsten Umbau des Stuttgarter Stadions 2009 entfernt.