"The First Avenger: Civil War": Gut zu sein, kann böse enden

Wenn es keine würdigen Bösewichte mehr gibt, müssen sich die Avengers eben gegenseitig vermöbeln. Trotz des langatmigen Starts lohnt sich "The First Avenger: Civil War" aber auch für alle, die von "Age of Ultron" enttäuscht waren.
Wenn sich Superhelden streiten, ist es mit einer einfachen Entschuldigungskarte nicht getan, stattdessen kommt es zur großen Keilerei. In "The First Avenger: Civil War" gehen sich ziemlich genau einen Monat nach "Batman v Superman" ab dem 28. April nun auch die Marvel-Helden an die Gurgel. Der Film vom Regisseur-Gespann Joe und Anthony Russo findet zumeist genau die richtige Mischung aus Komik und Tragik, in einem Punkt hat "Batman v Superman" aber klar die Nase vorne...
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Gute Freunde kann niemand trennen
Bei Geld hört die Freundschaft auf, heißt es im Volksmund. Doch auch eine international herbeigeführte Katastrophe kann die Kameraderie auf eine harte Probe stellen, wie Iron Man (Robert Downey Jr.) und Captain America (Chris Evans) zu Beginn von "The First Avenger: Civil War" feststellen müssen. Letzterer hat beim Versuch, gemeinsam mit einigen Mitgliedern der Helden-Vereinigung einen alten Widersacher zur Strecke zu bringen, aus Versehen ein Hochhaus in einer afrikanischen Stadt dem Erdboden gleich gemacht. Die zahlreichen Kollateralschäden rufen die Regierung auf den Plan: Sie will ein Kontrollsystem einführen, das den Avengers vorschreibt, wann sie kämpfen dürfen und wann sie die Füße stillzuhalten haben.
Tony Stark ist sofort Feuer und Flamme für den Plan. Er hat spätestens seit seinem Fauxpas in "Age of Ultron" begriffen, dass ein Alleingang verheerende Folgen haben kann, selbst wenn die Absichten stets die richtigen sind. Gänzlich anders sieht das Steve Rogers alias Captain America: Er hat aus der Vergangenheit mit der hinterlistigen Organisation Hydra gelernt, dass selbst die höchsten Ämter nicht vor der Korruption und Unterwanderung gefeit sind. Er lehnt einen gesetzlichen Maulkorb für die Avengers daher strikt ab. Doch natürlich reicht ein Politikum noch nicht dafür, dass sich die Freunde Rogers und Stark an die Gurgel gehen - dafür sorgt Captain Americas alter Freund Bucky Barnes, der als Winter Soldier wieder sein Unwesen treibt.
Wer hat Recht?
Wenn beide Seiten fest davon ausgehen, das Richtige zu tun, kann dann jemand Unrecht haben? "Civil War" schafft es, dass einem als Zuschauer die Beweggründe beider Parteien plausibel erscheinen und man sich nicht über die Engstirnigkeit einer der Streithähne ärgert. Auch wie sich die beiden Teams nach und nach heraus kristallisieren bietet keinen Raum für Stirnrunzeln. Zuweilen übertreibt es der Film aber mit seinen plakativen Begründungen: Wenn eine trauernde Mutter Tony Stark ein Bild ihres toten Sohnes vorhält etwa.
In "Civil War" geht es sehr stark um das Gedankenspiel, welcher Zweck welche Mittel heiligt. Interessanter Weise war es genau diese Frage, die eine der wenigen gelungeneren Dinge in "Batman v Superman" darstellte. "Man of Steel" entließ einen noch mit dem faden Beigeschmack aus dem Kino, dass Superman gerade eine Großstadt in Schutt und Asche gelegt hat - "Batman v Superman" griff genau diese Problematik auf.
Das "Avengers"-Universum hingegen wurde, ob nun bei "Iron Man", "Captain America" oder eben den "Avengers"-Streifen, weitestgehend als konsequenzfreier Raum etabliert. Dass dies nun in "Civil War" geändert wird, ist interessant, kommt aber reichlich spät. Zumindest ist es schon viel zu schlucken, dass den Avengers erst nach einem Lichtbilder-Vortrag über all ihre bisherigen Einsätze zum ersten Mal bewusst wird, dass dabei unter Umständen auch Unschuldige gestorben sein könnten.
Die Gewichtung
Der Vergleich mit "Batman v Superman" bietet sich noch in einem weiteren Punkt an, und da hat "Civil War" nicht das Nachsehen, im Gegenteil. Zwar bleibt "Batman v Superman" das insgesamt mutigere, ambitioniertere Projekt - genau aus diesem Grund war es aber im Endeffekt zum Scheitern verurteilt. Denn der Film versuchte wie schon "Man of Steel", die in "The Dark Knight" etablierte Düsterheit auch auf die anderen DC-Helden zu übertragen. Doch was Christopher Nolan bei Batman gelang, nämlich ihn ganz nah an die Realität zu bugsieren, war beziehungsweise ist bei Recken wie Wonder Woman und Aquaman quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Sie sind dafür schlichtweg zu fantastisch.
"Civil War", wie schon die "Avengers"-Teile zuvor, hat eine Balance aus viel Humor und einer Prise Ernsthaftigkeit gefunden, die besser ins Superhelden-Genre als solches passt. Eine genau vertauschte Gewichtung scheint dagegen nur bei einer Figur wie eben Batman zu funktionieren. Selbst bei der ernsthaften Thematik bleibt der Schwerpunkt in "Civil War" mit Ausnahme des Finales auf der Seite des Humors - und dem verzeiht man Plotlöcher schlichtweg eher, beziehungsweise kann Humor sie besser kaschieren. Wenn der überaus gelungene neue Spider-Man (Tom Holland) etwa im Kampf gegen Captain America feststellt, dass dessen Schild jedem Gesetz der Schwerkraft ins Gesicht spukt.
Da passt es auch ins Bild, dass der Film die größten Probleme hat, als sich Black Widow und Co. zu Beginn urplötzlich mit Politik auseinanderzusetzen haben. Beinahe muss man an die berühmt-berüchtigten Handelsabkommen aus "Star Wars: Episode I" denken, zum Glück bekommt "Civil War" aber schnell die Kurve. Insgesamt ist der Anfang aber der schwächste Teil des Films, auch weil bei der Anfangskampfszene die Schnitttechnik von "James Bond: Ein Quantum Trost" abgeguckt wurde. Viel zu hektisch und zu nah am Geschehen ist hier die Kamera, im Verlauf des Streifens bessert sich das aber.
Steil nach oben
Mit zunehmender Spieldauer wird "Civil War" dann aber doch zum erwarteten Action-Brett und das hat verschiedene Gründe. Zum einen weicht die teils überspitzt dargestellte Frage nach der Moral handfesten und wunderschön choreografierten Kämpfen zwischen den Helden. Zum anderen tritt dann aber auch der wahre Schurke auf, glänzend dargestellt von Daniel Brühl. Hier beweist der Film den Mut, der bei Marvel zu oft nur den Helden vorenthalten ist. Kein erneut übermächtiger Feind bedroht die Avengers mit einer Armee aus gesichtslosen Aliens oder Roboter-Drohnen. Ein einfacher Mann und sein Drang nach Vergeltung hat es auf die Truppe abgesehen und fügt ihnen letztendlich größeren Schaden zu, als alle Superschurken zuvor.
Fazit:
Der Anfang von "Captain America: Civil War" zieht sich und auch die Tatsache, dass sich alle Avengers urplötzlich den Konsequenzen ihres Handelns bewusst werden, ist etwas fragwürdig. Mehr als entschädigt wird man dafür aber im Verlauf des Films, nicht zuletzt dank der bombastischen Klopperei der Helden und dem bestens aufgelegten Daniel Brühl.