Domina packt in ZDF-Doku über ihr hartes Leben im Milieu aus und sagt: "Ich wurde nicht gezwungen"
Wenn Manuela Freitag, jetzt an die 60, im ZDF-Dreiteiler "Herbertstraße - Geschichte einer Domina" ihr Leben erzählt, ist es fast so wie immer in derartigen Dokumentationen, nur noch etwas schlimmer. Auch sie entstammt einem zerrütteten Elternhaus, von den Eltern wird sie als kleines Kind ins Badezimmer gesperrt, erst weinend dann immer kratzbürstiger, bis sie endlich ins Heim gesteckt wird. Ein Vormund erklärt ihr eines Tages, dass ihre Eltern gar nicht ihre richtigen Eltern, sondern Adoptiveltern sind. Verzweifelt beginnt Manuela, nach ihrer leiblichen Mutter, einer Hamburger Prostituierten, zu suchen.
Mit elf Jahren steht sie - wie einst Christiane F. vom Bahnhof Zoo - dann selber auf dem Bremer Straßenstrich - aus Einsamkeit, nicht wissend wohin. Der Welt will sie es zeigen. Die Kraft dazu hat sie, sie weiß, wie man mit Männern umgehen muss. Dabei hat sie Schlimmes erlebt: Früh schon wurde sie von einem Betreuer in einer WG missbraucht. "Ich wollte zeigen, wie wir Frauen im Milieu wirklich sind - ohne Mitleid, ohne erhobenen Zeigefinger", erklärt Manuela Freitag.
All das erzählt sie frontal in die Kamera von heute, mit klarer, angenehmer Stimme und tiefrotem Mund. Die eifrigen Programmverantwortlichen vom ZDF haben vor den Film von Peter Dörfler eine Infozeile geklebt: "400.000 Prostituierte" gebe es in Deuschland, heißt es da, aber "nur 30.000" seien offiziell registriert.
"Das hat sich wie ein Faden durch mein ganzes Leben gezogen"
Später in der Doku, die immer wieder von Sozialarbeitern und psychologisierenden Experten unterbrochen wird, geht es um den Gegensatz von Registrierung und Selbstständigkeit: 50 Prozent für den Zuhälter oder das Bordell seien erlaubt, Gewalt selbstverständlich ausgeschlossen. Gut so, sagen die einen. Von den anderen wird das "Nordische Modell" bevorzugt, das alle Strafbarkeit bei den Freiern, nicht mehr bei den Prostituierten sieht. Bringt gar nichts, sagen die anderen wieder, eine ethisch-moralische Anerkennung sei vonnöten.
Vor diesem Hintergrund muss man auch die wechselnde Geschichte der Manuela Freitag sehen, die sich aus der Verlassenheit in der Kindheit und der damit verbundenen Verachtung zur Herbertstraßen-Domina gemausert hat und nun mit Stolz auf ihre hochhackigen Stiefel im romantisch ausgeleuchteten Koberfenster sitzt und mit kunstvollen Sprüchen ihre Freier an sich zieht.
Dass bei alldem eine gute Portion Widersprüchlichkeit im Spiel ist, darf keinesfalls verschwiegen werden. Mal sieht sich die heutige Domina, die erst im letzten Drittel des Mehrteilers ihre Folterwerkzeuge bis zur Kneifzange ("für Harcore-Gäste") herzeigt, als Frau, die ein Leben lang hinter ihren Verletzungen hergerannt ist. "Das hat sich wie ein Faden durch mein ganzes Leben gezogen", sagt sie. Doch schon mit zwölf Jahren trug sie Selbstbewusstsein zur Schau: "Geld immer im Voraus!", schnarrte sie dann unwillige Zahler im Auto an. Geld war schon immer ihr Ziel, es machte sie frei und selbstbewusst, wie sie sagt.
"Frei war ich, weil ich Geld verdient habe!"
Dennoch musste sie sich später manchem Zuhälter beugen, der sie zunächst mit Charme, Glamour und "Liebe" umgab, dann mit Gewalt. Selbst, dass so einer mehrere Frauen hatte, trug zu seinem Ansehen bei. Einerseits hat sie "geliebt", andererseits hat sie ihre "Arbeit" gemacht, "ich wurde nicht gezwungen." Und dann ein Satz wie von Brecht: "Frei war ich, weil ich Geld verdient habe!"
Und wirklich: Irgendwann macht sie sich frei, hat eine feste Beziehung und bekommt einen Sohn. Es hätte beruflich alles auch ganz anders laufen können, sagt sie noch zum Schluss, "aber ich bin nun mal eine Prostituierte". Ihre Spontaneität, ihre Offenheit sind das Beste an diesem eindrucksvollen Film. Die vielen zusätzlichen Sozialinterpreten hätte man getrost weglassen können, sie wiederholen zumeist nur das bereits Gesagte.
In den übrigens recht nahtlos eingefügten Spielszenen machen die Schauspielerinnen, die Manuela Freitag in verschiedenen Lebensaltern verkörpern (Lilja van der Zwaag, Laeni Geiseler, Valentina Dörfler), unter Regisseur Peter Dörfler einen ausgezeichneten Job.
"Herbertstraße - Geschichte einer Domina" steht im Streamingangebot des ZDF zum Abruf bereit. Am Sonntag, 9. November, um 0.30 Uhr, gibt es alle drei auch linear im ZDF zu sehen.