"Hubert ohne Staller"-Pathologin Susu Padotzke: "Die Seele braucht manchmal eine Pause"

Von wegen "Heile Welt": In der ARD-Serie "Hubert ohne Staller" (vormals "Hubert und Staller") wird im beschaulichen Fünf-Seenland seit 2011 im Akkord gemordet und gemeuchelt. Leichen über Leichen, und sie landen allesamt auf dem Tisch der Pathologin Dr. Caroline Fuchs, die das Ganze mit einer bewundernswerten Stoik abarbeitet. Was zu verfolgen natürlich urkomisch ist - denn die Coolness dieser Frau steht im krassen Widerspruch zum geballten Irrsinn, der sich in der komödiantischen Serie um sie herum abspielt. "Die Pathologie von Frau Dr. Fuchs ist der Ort, wo alles kulminiert", befindet nicht ohne Stolz Schauspielerin Susu Padotzke, die dieser recht kleinen, aber sehr feinen Rolle einen unverwechselbaren Charme verleiht: "Ich habe manchmal nur wenig Spielzeit, aber Dr. Fuchs ist wichtig als Pointengeberin, sie steht fast immer im Epizentrum des ganzen Wahnsinns." Beim Interview im Restaurant mit traumhaftem Blick auf den dem Fünf-Seenland zuzurechnenden Wörthsee spricht sie über die Liebe zur Region im Süden Münchens und zu einer Humor-Serie, von der es am Mittwoch, 15. Oktober, 18.50 Uhr, endlich neue Folgen gibt: "Wer hier wen umgebracht hat, ist wurscht", sagt die 49-Jährige. "Hubert ohne Staller", das sei "ist einfach leichte Unterhaltung, in einer Traumkulisse, mit witzigen Typen."
teleschau: Fangen wir bei Ihren Kindheitsträumen an: Hätten Sie je gedacht, dass Sie einmal in der Pathologie Dienst schieben würden?
Susu Padotzke: (lacht) Nein, nicht wirklich. Auch, weil ich eine absolute Krankenhausphobie habe. Ich kann den Geruch nicht ertragen, das Licht und die angespannte Atmosphäre. Sogar meine beiden Kinder habe ich zu Hause geboren. Diesen Beruf hätte ich mir niemals ausgesucht.
teleschau: Aber von der Schauspielerei träumten Sie als junges Mädchen schon?
Padotzke: Ja, mich zog es bereits als Kind auf die Bühne. Wohl auch, weil es in meiner Familie schon ein paar Schauspieler gab und ich deshalb immer wieder damit in Berührung kam.
teleschau: Dann lernten Sie aber erst mal Violine, Bratsche, Klavier, Gitarre ...
Padotzke: Weil mein direktes Umfeld musikalisch geprägt war - mein Vater war Berufsmusiker. Bei uns zu Hause war immer alles Musik, Musik, Musik ... - So kam es auch, dass ich nach dem Abitur von 1996 bis 2001 klassischen Gesang in Freiburg studierte.
teleschau: Sie schwenkten dann um ...
Padotzke: Ja. Schon bei den Opernprojekten damals merkte ich, dass ich das Spielen auf der Bühne mehr liebte als das Singen. Es war ja mein alter Kindheitstraum. Ich war dann aber schon Ende 20, und die staatlichen Schulen blieben mir dadurch verschlossen, also bewarb ich mich an der European Film Actor School in Zürich. Das klingt aber jetzt, so kompakt runtererzählt, viel leichter, als es damals für mich war.
teleschau: Inwiefern?
Padotzke: Ich hatte in meinen Zwanzigern schwer zu kämpfen. Von einem Tag auf den anderen hatte ich mit Panikattacken zu tun. Ich musste mich dem stellen, plötzlich mein Leben neu sortieren.
"Ich kann nicht ohne Kunst, ich muss auf die Bühne"
teleschau: Was war geschehen?
Padotzke: Solche Krisen kommen manchmal mehr oder weniger aus dem Nichts, aber sie kommen immer aus gutem Grund, das weiß ich heute. - Bei mir kam Verschiedenes zusammen. Es hatte auch mit der Ausbildung und den Ansprüchen, die ich an mich selbst gestellt hatte, zu tun: Ich wollte gefallen - auch meinem Vater, dem Musiker -, wollte perfekt sein. Diesen Druck galt es zu überwinden. Ich war auf dem falschen Weg, aber das muss man mit Mitte 20 auch erst einmal realisieren.
teleschau: Wie gingen Sie damit um?
Padotzke: Es war schwer. Zunächst war da eine große Unsicherheit. Ich probierte einiges aus, machte Praktika, und dann dachte ich, dass ich jetzt Sicherheit brauche und begann auf Lehramt zu studieren.
teleschau: Für welche Fächer schrieben Sie sich ein?
Padotzke: Musik und Deutsch an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg. Begleitend habe ich mich in Theaterpädagogik ausbilden lassen. Da habe ich mich langsam wiedergefunden und gemerkt: Ich kann nicht ohne Kunst, ich muss auf die Bühne, ich will spielen. Also ging ich nach Zürich. Und dort, an der Schauspielschule, wurde auf einmal alles anders. Es war so leicht, obwohl ich gerade meine erste Tochter bekommen hatte. Alles fühlte sich richtig an. Danach ergab sich das Weitere fast von allein. Ich fand eine Agentur in München, kam an erste Engagements bei der "SOKO", durfte in Filmen wie "Der Doc und die Hexe" mitspielen ... Damals war ich allerdings auch schon Anfang 30: eine Quereinsteigerin, auf die ja keiner gewartet hat.
"Es wird Zeit für ein bisschen mehr Spaß und Leichtigkeit"
teleschau: Seit 2017 sind Sie fest bei "Hubert ohne Staller" ... Hat sich Ihr Leben damit verändert?
Padotzke: Ja und nein. Ja, weil ich meinen beruflichen Alltag jetzt regelmäßig mit dieser wunderbaren Produktion verbringen darf. Nein, weil Prominenz eigentlich gar kein Faktor ist. Ich werde meistens in Ruhe gelassen, es ist total entspannt hier. Die Menschen sind bei uns im Fünfseenland eher locker im Umgang mit Leuten, die ihnen aus dem Fernsehen bekannt vorkommen ... Könnte aber auch sein, dass man mich einfach nicht erkennt, und dass das wahrscheinlich bei Christian Tramitz anders ist. (lacht)
teleschau: Auf jeden Fall ist die Serie ein Hit - und eine echte Marke!
Padotzke: Oh ja. Wie beliebt unsere Serie ist, das wurde mir erst jetzt so richtig bewusst: Im August hatten wir ein Open-Air-Screening in Starnberg. Wir durften zwei neue Folgen zeigen, und da waren fast 1.000 Fans vor Ort. Die Veranstaltung war innerhalb von wenigen Stunden restlos ausverkauft, für uns alle überraschend.
teleschau: Wobei der Erfolg ja messbar ist: Die Quoten stimmen auch 14 Jahre nach der ersten Folge von "Hubert und Staller" noch.
Padotzke: Ja, die Serie läuft super - wir haben im Schnitt gut zweieinhalb Millionen Zuschauer. Das ist sehr viel am Vorabend. Außerdem wird "Hubert ohne Staller" bei mehreren Anbietern erfolgreich gestreamt. Selbst die alten Folgen werden viel geschaut. Trotzdem ist es noch mal etwas anderes, wenn du den Erfolg live erlebst. Vor der Veranstaltung hat es heftig geregnet, die Fans, die dort auf uns warteten, wurden patschnass, aber als es dann losging, riss der Himmel auf, und wir konnten den Abend unter Sternen genießen. Vielleicht ein Zeichen. (lacht)
teleschau: Dabei wurden die letzten neuen Folgen Anfang 2024 ausgestrahlt. Das ist lange her.
Padotzke: Ja, es gab leider schon länger nichts Neues mehr zu sehen. Es war schön mitzubekommen, wie groß die Sehnsucht unserer Fans ist. Das sagt ja etwas über die Produktion aus, dass man eben nicht vergessen wird. Die gute Nachricht ist nun: Wir haben bereits einen Teil der Staffel 14 abgedreht - da kommt also mit Sicherheit noch mehr!
teleschau: Jetzt laufen erst mal einige bislang nicht ausgestrahlte Folgen von Staffel 12 und dann die ersten sechs der 13. Staffel. Mit Blick auf die Anspannung allenthalben kommen die neuen Folgen keinen Augenblick zu früh, oder?
Padotzke: Ja, es wird Zeit für ein bisschen mehr Spaß und Leichtigkeit. Was auf der Welt und auch bei uns im Land passiert, das ist alles wirklich beängstigend. Ich schau manchmal tagelang keine Nachrichten, um mich zu schützen. Im Gym habe ich neulich darum gebeten, dass sie nicht mehr den Nachrichtenkanal laufen lassen, sondern eine Tierdoku zeigen, während ich trainiere ... Natürlich darf man nicht wegschauen, aber die Seele braucht auch manchmal eine Pause und eine Serie wie "Hubert ohne Staller" (lacht).
"Wir decken in Sachen Männer praktisch alles ab, was es gibt"
teleschau: Obwohl es ja eigentlich ein Paradoxon ist: Hier wird gemordet im Akkord - und doch fühlt man sich mit dieser Serie einfach wohl.
Padotzke: Die Kunst liegt darin, den Mord gewissermaßen zur Nebensache zu erklären. Wer hier wen warum umgebracht hat, ist wurscht. Die Leute schalten nicht ein, weil sie das große Drama um Schuld und Sühne erwarten, sondern weil es einfach eine Freude ist, Girwidz, Hubert und Riedl durch ihren Alltag stolpern zu sehen. Dass sie am Ende irgendwie ans Ziel kommen und den Täter verlässlich stellen, steht ja außer Frage - hier wird immer alles gut! Es ist einfach leichte Unterhaltung, in einer Traumkulisse, mit witzigen Typen. Wir haben starke Frauen und lauter Prachtkerle (lacht)!
teleschau: Aber stellen Sie sich mal eine Welt vor, in der Girwidz, Hubert und Riedl die letzten Männer sind ...
Padotzke: Oh Gott, unvorstellbar (lacht)! Das ist ein ganz schlimmer Gedanke. Kann dann nicht wenigstens Yazid (gespielt von Hannes Ringlstetter, d. Red.) mit dabei sein? Dann wäre es wenigstens abenteuerlich, bei ihm weiß man ja nie, was ihm als Nächstes einfällt. Aber jetzt mal im Ernst: Diese Kerle da im Wolfratshauser Revier, das sind alles Prototypen, ein bisschen Punk, ein bisschen Anarcho ... Da kann sich doch jeder irgendwo wiederfinden.
teleschau: Meinen Sie jetzt nicht wirklich?
Padotzke: Doch, doch. Wir decken in Sachen Männer praktisch alles ab, was es gibt (lacht). Vermutlich ist genau das ein Geheimnis des Erfolges: dass wir Charaktere haben, die, trotz oder gerade wegen ihrer Macken, ihrer Eitelkeiten und ihres permanenten Fehlverhaltens ziemlich echt sind in ihrer Art.
teleschau: Ohne Frage ist die Figurentiefe eine Stärke der Serie. Sie spielen die coole Pathologin ...
Padotzke: Die jede Woche von ihren Kollegen eine Leiche auf den Tisch kriegt und trotzdem immer die Nerven behalten muss.
teleschau: Was wirklich an ein Wunder grenzt, auch wenn man bedenkt, dass sie einst als Patientin in einer Burnout-Klinik erste Bekanntschaft mit Hubert und Staller machte ...
Padotzke: Ja, damals, 2017 bei meinem ersten Auftritt, war die Rolle noch ein wenig anders angelegt. Fuchs kam aus der Großstadt, um in der Klinik auf dem Land zu gesunden ... das war noch zu den Zeiten mit Staller (Helmfried von Lüttichau, d. Red.). Es konnte keiner ahnen, was daraus werden und dass er aussteigen würde.
teleschau: War da also noch nicht die Rede von einem festen Engagement?
Padotzke: Doch. Als ich damals angefragt wurde, ging es zwar erst mal nur um diese eine Folge, aber mir wurde die Rolle der Pathologin in Aussicht gestellt. Der Druck war also immens, denn hätte ich mir eine Vorabendserie aussuchen können, dann wäre es "Hubert und Staller" gewesen.
teleschau: Wieso eigentlich?
Padotzke: Weil ich diese zumindest manchmal politisch unkorrekte Serie mit ihrem schwarzen Humor schon immer besonders fand. So etwas gibt es sonst nicht im Vorabendprogramm. Es ist alles so schön unperfekt, so menschlich. Außerdem ist da dieses außergewöhnlich gute Ensemble. Es ist eine große Kunst, Komödie zu spielen, denn es ist viel schwerer, als es am Schluss aussieht. Man braucht ein gutes Gespür für Timing und Pointen, und das ist bei all meinen Kollegen absolut gegeben. Außerdem ist es für mich ein Heimspiel - ich fahre nie weit zu den Dreharbeiten und kann immer zu Hause schlafen, das ist Luxus.
teleschau: Wie war das, als dann die Zusage kam, dass Sie die Nachfolge von Karin Thaler als Pathologin in der Serie antreten dürfen?
Padotzke: Ich hab mich riesig gefreut! Auch weil ich damals ja schon über 40 war - und für Frauen über 40 ist es in der Branche sehr eng geworden.
"Die Angebote werden mit über 40 plötzlich viel weniger"
teleschau: Man hört doch, dass das allmählich besser werden soll ...
Padotzke: Ja, höre ich auch. Aber selten von Kolleginnen. Fakt ist: Die Angebote werden mit über 40 plötzlich viel weniger. Fragen Sie mich nicht, warum das so ist. Auf einmal ist man zu alt für die Mutter und zu jung für die Oma (lacht). Generell ist die Stimmung in der Branche gerade nicht so lustig. Es wurde viel gekürzt, die Spielräume werden enger ... Aber zurück ins Jahr 2017: Ich hatte in dem Moment großes Glück. Und dann wurde noch ein bisschen nachjustiert bei meiner Rolle: Die Pathologie von Frau Dr. Fuchs ist nun der Ort, wo alles kulminiert. Ich habe manchmal nur wenig Spielzeit, aber Dr. Fuchs ist wichtig als Pointengeberin, sie steht fast immer im Epizentrum des ganzen Wahnsinns (lacht). Den Burnout hat sie hinter sich gelassen - genau wie die Zigaretten und die Wollmütze, die sie vorher noch auf dem Kopf hatte.
teleschau: Wie finden Sie sie jetzt?
Padotzke: Ich mag sie (lacht). Ich fände es schön, wenn sie hier und da noch tiefer in die Situationen verwickelt wäre. Aber ich finde: Alle Frauen-Figuren in unserer Serie haben viel Potenzial für gute Geschichten. Schauen wir mal, was da noch kommt.
teleschau: Die Frauenrollen sind keinesfalls zu unterschätzen, aber man hat das Gefühl, dass da noch mehr ginge ...
Padotzke: Ja, absolut! Schön, dass es erkannt wird (lacht).
teleschau: Als Zuschauer hat man die Vorstellung, dass es hinter den Kulissen immer lustig und familiär zugeht. Stimmt der Eindruck?
Padotzke: Größtenteils schon, aber man darf sich nicht täuschen lassen. Wir diskutieren viel und feilen an Worten und Pointen. Es ist oft sehr anstrengend am Set. Eben genau wie mit der Verwandtschaft: Man kann sie sich nicht aussuchen, aber man freut sich auch, wenn man sie sieht. Meistens (lacht).
teleschau: Haben Sie schon mal mit echten Pathologen über Ihre Rolle gesprochen?
Padotzke: Nein, das zum Glück noch nicht (lacht). Wir haben ja auch nicht den Anspruch, unsere Berufe realitätsgenau zu imitieren. Im Gegenteil. Wie gesagt, in der Unvollkommenheit liegt der Charme. Aber neulich kamen bei einer Schulveranstaltung meiner jüngsten Tochter zwei waschechte Polizisten auf mich zu und sprachen mich an. Ich habe mich erst furchtbar erschrocken, weil ich mir sicher war, dass sie mir die Leviten lesen. Aber sie sagten, sie seien echte Fans der Serie und: "Das ist viel näher an der Realität, als sie glauben!". Damit hätte ich nicht gerechnet.
"Das Fernsehen lebt unterm Strich doch recht brav von der Wiederholung des Bekannten"
teleschau: Ihr Kollege Michael Brandner hat gesagt: "Heutzutage die Leute zum Schmunzeln zu bringen, ist das Beste, was man für sein Karma tun kann. Mich macht der Job glücklich." Sagen Sie es genauso?
Padotzke: Ja, auf jeden Fall.
teleschau: Was würden Sie sich dennoch wünschen mit Blick auf Ihre Branche?
Padotzke: Mehr Mut! Das deutsche Fernsehen lebt unterm Strich doch recht brav von der Wiederholung des Bekannten. Vielen tollen Schauspielern, die in den Startlöchern stehen und auf gute Rollen warten, fehlt hingegen die Lobby.
teleschau: Und was fehlt Ihnen sonst noch zum Glück?
Padotzke: Nichts. Mich macht die Natur glücklich, und davon gibt es hier mehr als genug. Ich habe ein tolles Leben und eine wunderbare Familie - dafür bin ich unendlich dankbar.
teleschau: Ihre Töchter Laila und Lola spielen ebenfalls in Film- und Fernsehen ...
Padotzke: Dabei hatte ich sie gewarnt (lacht). Aber die beiden gehen ihren eigenen Weg, und sie machen das aus dem Bauch heraus sehr gut. Meine Große ist in der 14. Staffel von "Hubert ohne Staller" auch in einer Episodenrolle zu sehen. Ich freue mich einfach, wenn sie glücklich sind!