Precht verteidigt Merz nach Stadtbild-Aussage - und prognostiziert AfD-Sieg
"Bei der Migration sind wir sehr, sehr weit. [...] Aber wir haben natürlich immer noch im Stadtbild dieses Problem. Und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen." Diese Aussage von Friedrich Merz sorgt bundesweit seit inzwischen über einer Woche für massiven Wirbel. Laut Markus Lanz und Richard David Precht liege das vor allem auch an einer absichtlich missgünstigen Interpretation des Satzes, wie sie in der neusten Folge ihres Podcasts "Lanz & Precht" schildern.
Doch zunächst wählen die beiden Gesprächspartner einen sprachlichen Ansatz und versuchen, den Satz des Bundeskanzlers mal ganz wörtlich zu nehmen. Dabei entstehen allerdings schon beim ersten Teil einige Fragezeichen, denn: "Bei nichts sind wir weniger weit als bei der Migration", findet Markus Lanz.
Laut Richard David Precht hätte die Aussage sein müssen: "Bei den Grenzschließungen sind wir deutlich weiter gekommen. Da hat sich, seit ich Kanzler bin, einiges verändert und die illegale Migration ist geringer geworden." Denn das habe Friedrich Merz eigentlich gemeint, so der Philosoph. Doch so wie der CDU-Politiker seine Aussage formuliert habe, sei das "einfach nicht korrekt", stellt Lanz fest und ergänzt: "Finde ich schwierig."
"Damit wird die AfD bei der nächsten Wahl stärkste Partei"
Dann komme der Satz mit dem "Stadtbild" - und lasse sich Precht zufolge zwischen der "Übertreibung" zuvor und der Aussage über die Rückführungen danach so interpretieren, "dass sich das Stadtbild durch weitere Rückführungen in Zukunft zum Guten verändern wird". So habe das auch Lanz verstanden, stimmt der Polit-Talker zu.
"Das klingt ein bisschen so, als würden wir jetzt systematisch das Stadtbild säubern" und illegale Migranten weiter zügig entfernen, geht Precht der Aussage von Merz weiter auf den Grund und schlussfolgert: "Dieses gesamte Bild, was er da rhetorisch skizziert, und die Realität in diesem Land, haben nichts miteinander zu tun." Lanz geht noch weiter und zeigt sich überzeugt, dass schon alleine der Begriff "Stadtbild" völlig falsch gewählt sei, denn an dem deutschen Stadtbild "wirst du im Grunde nicht mehr viel verändern, ob dir das gefällt oder nicht".
Precht meint die Intention hinter dem kontroversen Satz von Merz zu erkennen: "Dieses Rumgeraune möchte die Herzen der AfD-Wähler zurück in die CDU holen. Das ist der Sinn der ganzen Aktion." Die Themen der AfD würden nun in ähnlicher Sprache - "nur minimal weicher gekaut" - aus der Union heraus artikuliert werden, "um Wähler zurückzugewinnen", führt der Schriftsteller seine These aus. "Ich glaube, um mehr geht es nicht. Weil am Stadtbild wird sich unter Friedrich Merz nichts zum Besseren verändern."
Lanz über Gegenwind: "Geht es mal eine Nummer kleiner?"
Eine Sache wolle Precht aber in Bezug auf Merz deutlich sagen: "In einem Punkt nehme ich ihn in Schutz: Das, was er gesagt hat, war nicht rassistisch. Das geht mir auf den Geist." Der 60-Jährige ärgere sich über "diese Etikettenaufkleberei am Fließband, die wir im Augenblick machen", und fügt an: "Das ist keine rassistische Aussage, sondern das ist eine Rumraunerei mit der Hoffnung, AfD-Wähler zurückzugewinnen, indem man sich mehr oder weniger ihrer Sprache bedient."
Auch Lanz empfindet die derzeitige Stufe der Eskalation, "die Reflexe von der anderen Seite", als übertrieben. Bei Linken-Politikerin Heidi Reichinnek, die von einem "zutiefst menschenverachtendem Weltbild" spreche, oder Aktivistin Luisa Neubauer, die alle Töchter bundesweit zum Protest aufrufe, denke sich der ZDF-Moderator nur: "Geht es mal eine Nummer kleiner?"
Die Podcast-Partner sind sich einig, dass Merz seinen Stadtbild-Satz so nicht hätte treffen sollen, die Reaktionen darauf aber über die Stränge schlagen würden. Precht stellt allerdings auch den ganzen Sinn der Rhetorik des Bundeskanzlers infrage: "Ich finde, diese raunende Sprache ist kein Gewinn. Er darf das, er ist kein Rassist, aber was bringt das? Es wird dauerhaft die Union ruinieren." Seiner Meinung nach würde er damit nicht die AfD-Wähler für seine Partei gewinnen, sondern "der CDU schaden". Precht setzt noch einen drauf: "Ich prognostiziere, damit wird die AfD bei der nächsten Wahl stärkste Partei."