ZDF rollt "Mord ohne Leiche" auf - Frau von Karsten M. richtet sich mit Aufruf an die Zuschauer
Wie jeden Morgen steht Karsten M. schon früh morgens in der Küche des Einfamilienhauses in dem kleinen Ort in der Nähe von Goslar in Niedersachsen. Während seine Frau und seine beiden erwachsenen Söhne noch schlafen, macht er sein Frühstück - alles wie immer. Doch der 51-Jährige erscheint an jenem 13. April 2021 nie bei seiner Arbeitsstelle in Hannover.
True-Crime-Podcasterin Paulina Krasa erzählt gemeinsam mit dem ZDF in "Schuld & Sühne: Ein Vater verschwindet" die Geschichte eines unfassbaren Falls, der, so wünscht es sich die Familie, nicht in Vergessenheit geraten soll.
Unheimliche Vorfälle vor dem Verschwinden von Karsten M.
Etwa ein halbes Jahr vor seinem Verschwinden, am 5. November 2020, entdeckt Karsten M. unter den Scheibenwischern seines VW Caddy einen Brief. Darin ist von einer Affäre seiner Frau und angeblichen Beweisbildern die Rede. Die angegebene Nummer speichert Karsten M. unter "Fotomacher" ein.
Einen Tag später will Karsten M. den Unbekannten abends auf dem Friedhof treffen. Dort entdeckt er jedoch nur einen weiteren Briefumschlag. Wieder zu Hause, konfrontiert der 51-Jährige seine Frau mit dem Vorwurf einer Affäre. Sie streitet jedoch alles ab und der Brief, in dem die vermeintlichen Beweisfotos stecken sollen, ist leer.
Am 19. März 2021 ist Karsten M. wieder einmal früh wach und geht seiner üblichen Morgenroutine nach. Als er nach draußen schaut, stellt er fest: Alle Möbel auf der Terrasse sind umgeworfen worden. Zwei Tage später findet einer der beiden Söhne im Garten den Pfeil einer sogenannten Pistolenarmbrust.
13. April 2021: Der Tag des Verschwindens
Es kehrt wieder Ruhe in das Leben von Familie M. ein - bis zu dem verhängnisvollen Tag im April 2021. Als der Rest der Familie aufsteht, ist Karsten M. schon weg. Zunächst machen sich Frau M. und ihre Söhne keine Sorgen. Doch wie der Vater die Küche verlassen hat, sei ungewöhnlich gewesen, erklärt Polizeihauptkommissar Michael Bothe: Das Handy, der Geldbeutel und die Arbeitstasche von Karsten M. sind noch da.
Auch am Abend fehlt von ihm weiterhin jede Spur. Schließlich alarmiert die Ehefrau die Polizei. Doch die geht zunächst davon aus, dass Karsten M. bald wieder auftauchen wird. Immerhin 50 Prozent der Vermisstenfälle in Deutschland klären sich laut Bundeskriminalamt bereits in der ersten Woche.
Blutspuren im Garten: Was ist Karsten M. zugestoßen?
Schnell wird jedoch klar, dass Karsten M. etwas zugestoßen sein muss: Der ältere Sohn entdeckt einen großen Blutfleck auf der Terrasse. Als die Familie und der beste Freund des Vermissten, Martin G., den Garten absuchen, finden sie noch mehr Blut.
Der jüngere Sohn durchsucht außerdem das Handy seines Vaters und stößt auf den Chat mit dem Kontakt "Fotomacher". Bei der Überprüfung der Nummer habe sich herausgestellt, dass der Anschluss auf eine "real existierende Person" eingetragen war. Der Mann lebt allerdings schon seit 2017 im Ausland und konnte somit nicht hinter dem Brief stecken.
Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und stößt im Garten auf Schleifspuren und die blutverschmierte Brille des Familienvaters.
"Unmengen an Blut" in Karsten M.s Auto
Drei Tage nach Karsten M.s Verschwinden wird sein VW-Caddy im etwa 70 Kilometer entfernten Hannover gefunden. Die forensische Untersuchung zeigt: Im Auto müssen sich "Unmengen an Blut" befunden haben, erklärt Bothe. Dass der 51-Jährige einen derartigen Blutverlust überlebt, ist nahezu unmöglich.
Doch wer würde Karsten M. etwas antun wollen? Bei einer Nachbarschaftsbefragung identifizieren die Polizisten einen Verdächtigen: Martin G. - den Mann, der seit dem Verschwinden seines angeblich besten Freundes der Familie tagtäglich beisteht.
Bester Freund von Karsten M. gerät in den Fokus der Ermittler
Die Ermittler nehmen den Bundespolizisten Martin G. genauer unter die Lupe: Immer dann, wenn es um Familie M. "besondere Auffälligkeiten" gab, habe G. PKWs angemietet, erklärt Bothe. Etwa, als die Fotoübergabe auf dem Friedhof stattfinden sollte oder als die Gartenmöbel umgeschmissen wurden.
Martin G. arbeitete außerdem am Flughafen Hannover in der Passkontrolle. Die Ermittler vermuten, dass er so an den Ausweis gelangte, mit dem später die SIM-Karte gekauft wurde, hinter der sich "Fotomacher" verbirgt. Auch den gefundenen Pfeil kann die Polizei mit dem Verdächtigen in Verbindung bringen. Er hatte eine entsprechende Armbrust und sechs passende Pfeile bei einem österreichischen Hersteller bestellt. Dabei hatte Martin G. seinen echten Namen angegeben.
Bei einer erneuten Befragung gibt Frau M. schließlich zu, eine Affäre mit Martin G. gehabt zu haben. "Frau M. hat anders auf diese Affäre geschaut als Martin G.", glaubt Steffen Hörning, der Rechtsanwalt der Familie M. Karsten M.s Ehefrau habe ihm immer wieder "unmissverständlich" klargemacht, dass sie ihren Mann nicht verlassen werde. Doch Martin G. wollte mehr und "hat schon großen Druck ausgeübt", so Hörning.
Welches Motiv hat Martin G.?
Die Indizien reichen aus: Am 18. Mai 2021 wird Martin G. widerstandslos an seiner Dienststelle am Flughafen Braunschweig festgenommen. Die Beamten stellen dabei fest, dass er den Brief an Karsten M. auf seinem Dienstrechner geschrieben und sogar dort ausgedruckt hatte.
Die Ermittler werten außerdem Konto- und Computerdaten von Martin G. aus. Nach dem Verschwinden von Karsten M. kauft er mehrfach in verschiedenen Baumärkten ein: Baustahlmatten, Rasengittersteine, Stacheldraht und Bauzaunelemente samt Betonfüßen. Nichts davon konnte bei Durchsuchungen gefunden werden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die gekauften Gegenstände dazu verwendet wurden, Karsten M.s Leichnam verschwinden zu lassen.
So ist Karsten M. verschwunden
Die Leiche von Karsten M. bleibt weiter verschwunden. Dennoch leitet die Mordkommission einen Tatablauf her: Am 13. April 2021 parkt Martin G. den Mietwagen an der Straße und schleicht sich in den Garten der Familie M. Dort lockt er Karsten M. auf die Terrasse und attackiert ihn - möglicherweise mit der Armbrust. Der Familienvater ist schwer verletzt oder sogar sofort tot.
Martin G. schleicht ins Haus, nimmt die Schlüssel des VW-Caddy und zieht Karsten M. in sein Auto. "Dann ist er mit diesem Caddy zu einem unbekannten Ort gefahren, hat dort Karsten M. entladen und den Leichnam in irgendeiner Art und Weise versteckt, entsorgt, begraben", erklärt Oberstaatsanwalt Hans Christian Wolters. Anschließend reinigt Martin G. das Auto und stellt es in Hannover ab.
Am 24. November 2021 beginnt der Prozess gegen Martin G. "Emotionslos" und "mit arroganten Zügen" habe er den Angeklagten erlebt, erinnert sich Rechtsanwalt Hörning. Martin G. wird schließlich wegen Mordes aus niedrigen Beweggrründen, Unterschlagung und Missbrauchs von Ausweispapieren zu lebenslanger Haft verurteilt.
Frau M. hat eine Bitte an das ZDF-Publikum
Das ZDF und Krasa haben mit der Frau von Karsten M. gesprochen. Vor der Kamera möchte sie nicht reden, doch sie hat einen Wunsch, den die Podcasterin für sie an die Zuschauerinnen und Zuschauer weitergibt: "Haltet die Augen offen, wenn ihr im Umkreis von etwa 70 Kilometern um Goslar unterwegs seid. Vielleicht entdeckt ihr die erwähnten Bauzäune oder Baumaterialien, die seit 2021 in dieser Gegend liegen oder stehen. All das könnte ein Hinweis auf den Ort sein, an dem Karsten M. versteckt wurde."
"Schuld & Sühne mit Paulina Krasa: Ein Vater verschwindet" ist am Montag, 17. November, um 20.15 Uhr auf zdf.info und bereits jetzt in der ZDF-Mediathek zu sehen.