Shirley Manson: Hunde, Basketball und Rock'n'Roll

Mit knapp 50 Jahren zählt Shirley Manson immer noch zu den absoluten Powerfrauen der Rockszene. Die Garbage-Sängerin im Interview über das Älterwerden, Verletzlichkeit und inspirierende Sportarten.
2015 haben Garbage das 20-jährige Jubiläum ihres Debüts gefeiert. Ein Jahr später zeigen die Alternative-Ikonen nun mit ihrem neuen Album, dass sie noch lange nicht satt sind, denn "Strange Little Birds" klingt tatsächlich fast schon wieder so spontan, einfallsreich und finster wie der Erstling. So düster das Album auch sein mag, Sängerin Shirley Manson (49) ist beim Interview mit spot on news bestens gelaunt und bezaubert mit ihrem schottischen Akzent und ihrem herzhaften Lachen.
Sie haben vorab erklärt, dass "Strange Little Birds" für sie größere Ähnlichkeit mit ihrem Debüt hat als alle Alben dazwischen. Woran liegt das?
Shirley Manson: Nun, ich denke jede Band entwickelt sich nach dem ersten Album weiter. Man will sich als Künstler nicht wiederholen und erkundet neue Wege. Und wir sind dabei irgendwie wieder da gelandet, wo wir angefangen haben. Unsere Gedanken zu der Welt, in der wir leben, sind wieder genauso verwirrt, chaotisch, düster und vielleicht noch etwas trauriger, und ich finde, das hört man der Platte an. Wir haben den Charakter des Albums erst richtig erfasst, als wir die Aufnahmen abgeschlossen und es zum Mastern geschickt haben, und sein Temperament hat uns überrascht. Wir haben gemerkt, dass es ein dunkles, brütendes und cineastisches Album ist, und zumindest mich erinnert es sehr an unsere Anfänge.
Sie nennen "Strange Little Birds" Ihr "romantischstes" Album, wobei Sie Romantik mit Verletzlichkeit gleichsetzen. Wie darf man das verstehen?
Manson: Früher habe ich nie wirklich zugelassen, verletzbar zu sein. Ich bin eine relativ aggressive, energische Person - wenn ich aufstehe, mich anziehe und zur Tür hinausgehe, bin ich schon im Verteidigungsmodus. Das ist mir auf der Tour zu unserem letzten Album auf merkwürdige Weise bewusst geworden. Da habe ich mir vorgenommen, diese Gedanken zu erkunden, denen ich meine ganze Musikerkarriere über ausgewichen bin. Dabei wurde mir klar, dass ich immer dann am verletzlichsten bin, wenn ich verliebt bin. Dann bin ich am offensten und es ist wohl die einzige Gelegenheit, bei der ich zulasse, dass ich völlig ungeschützt bin. Einige dieser Gefühle habe ich nun ausgelotet, und darum denke ich, dass es ein romantisches Album ist.
Ihre Texte auf dem Album handeln zumeist von früheren Beziehungen. Kann es aber sein, dass es bei "If I Lost You" um Ihre aktuelle Liebe geht?
Manson: Ja, den Song habe ich meinem Ehemann gewidmet. Das zeigt vielleicht, was für eine kaputte Person ich bin, aber ich finde ihn irgendwie peinlich. Andererseits fühlt es sich gut an, dass ich tapfer genug dafür war... jetzt halten Sie mich vermutlich für psychisch völlig gestört! (lacht)
Hat der etwas retrospektive Charakter von "Strange Little Birds" auch etwas damit zu tun, dass Sie bald 50 werden?
Manson: Oh ja, zweifellos. Die Vorstellung, dass ich bald den Abschluss meines ersten halben Jahrhunderts feiere, ist definitiv ein Ansporn für mich. Es gibt noch einige Dinge, die ich sehen und tun möchte, darum habe ich in meinem Leben einen Gang zugelegt, darin, wie ich mich selbst sehe und wie ich mich als Künstlerin weiterentwickeln will. Ich grüble viel darüber nach, das Thema fasziniert mich. Unsere Kultur scheint vor dem Alter so viel Angst zu haben, doch mein eigenes Älterwerden hat nur bewirkt, dass ich mich immer besser fühle. Ich fühle mich wohler in dieser Welt, vollständiger und stärker auf meinem Weg durch dieses Leben.
Wissen Sie schon, wie Sie Ihren Geburtstag im August feiern werden?
Manson: Ja, das ist alles schon geplant. Ich fahre zurück nach Schottland und hänge ein Wochenende lang mit meiner Familie und einigen meiner ältesten und liebsten Freunde herum. Nichts Spektakuläres also, wir halten alles ganz einfach.
Zu ihren Vorbildern gehört David Bowie. Wie sehr hat Sie sein Tod im Januar getroffen?
Manson: Das war schmerzhaft. Ich war wirklich geschockt und es hat mich auf seltsame Weise berührt, denn es hat sich wirklich wie ein schwerer Verlust angefühlt. Dabei hatte ich nur einmal das Vergnügen, ihn zu treffen. Aber ich bin mit seiner Stimme aufgewachsen, seit ich 13 Jahre alt war und er ist einer der Künstler, die mir seit meiner Kindheit Halt gegeben haben. Dass eine so wichtige Kraft in meinem Leben plötzlich verschwindet, war sehr seltsam und traurig. Einen wie ihn werden wir nie wieder sehen, das ist sicher.
Ihr Album erscheint zeitgleich mit dem Beginn der Fußball-EM, was sicher ein Zufall ist. Dennoch: Sind Sie Fußball-Fan?
Manson: Ja, ich mag Fußball, ich mag Sport generell. Aber ich muss zugeben, da ich seit einem Jahrzehnt hauptsächlich in Amerika lebe, ist meine Gefolgschaft vom Fußball zum Basketball gewechselt.
Und welche Mannschaft unterstützen Sie da?
Manson: Ich bin Fan der San Antonio Spurs, schon seit einem Jahrzehnt! Ich hatte tatsächlich großes Glück, dass sie zu diesem legendären Team geworden sind. Als ich angefangen habe, sie zu unterstützen, waren sie echte Außenseiter. Und ich mache jetzt keine Späße - das klingt vielleicht, als würde ich mir das ausdenken, aber es ist wahr: Ich habe mir bei den San Antonio Spurs schon viel Inspiration für mein Leben geholt und die Art, wie Popovich dieses Team führt, war für mich unglaublich lehrreich.
Besucher Ihrer Facebook-Seite sehen als erstes Ihre reizende Hündin Veela auf dem Titelbild, und auch sonst posten Sie oft Fotos von ihr. Was können Sie uns über sie erzählen?
Manson: Ich bin von ihr auf gefährliche Weise besessen! (lacht) Sie war ein Notfallhund, aber ich bin mir absolut sicher, dass eigentlich sie mich gerettet hat. Sie wurde auf der Straße umherirrend gefunden, damals war sie vielleicht neun Monate alt und schwanger. Wir haben sie aufgenommen, und dann hat sie sich daran gemacht, mich in Ordnung zu bringen.
Sie haben in der Serie "Terminator: The Sarah Connor Chronicles" Ihr Debüt als Schauspielerin gegeben. Würden Sie gerne mehr in dieser Richtung machen?
Manson: Ich habe tatsächlich vor kurzem etwas sehr spannendes gemacht, aber darüber darf ich noch nicht reden. Die Schauspielerei ist etwas, das ich gerne in meinem Leben habe und ich würde sehr gerne mehr in der Richtung machen. Aber dazu müssen sich die richtigen Gelegenheiten ergeben, Dinge, die ich aufregend finde. Ich bin im Allgemeinen besessen von Science Fiction, das ist genau mein Ding. Aber zumindest in den Vereinigten Staaten wurde in der letzten Zeit nur sehr wenig Science Fiction produziert, damit stehen meine Chancen wohl eher schlecht. Aber ich würde gerne etwas in der Richtung machen, wenn ich die Zeit dafür habe.
Sie posten öfter etwas über "Game of Thrones", ist das gerade Ihre Lieblings-Serie?
Manson: Ja, ich liebe "Game of Thrones", wie praktisch jeder auf diesem Planeten. Das zieht mich regelrecht in seinen Bann. Aber ich mag auch "House of Cards" und ich bin ganz verrückt nach "Transparent", einer wunderschön geschriebenen Amazon-Serie. Ich sehe mir gerade einen ganzen Haufen Serien gerne an. Das amerikanische Fernsehen hat im letzten Jahrzehnt einige unglaubliche Sachen hervorgebracht.
In den 1990ern waren Sie und andere Musikerinnen aus der Alternative-Szene wichtige Vorbilder, die gezeigt haben, was Frauen in der Musiklandschaft darstellen und erreichen können. Wie sehen Sie die Situation der Frauen im heutigen Musikgeschäft?
Manson: Das ist ein kompliziertes Thema. Auf der einen Seite sind heute die mächtigsten, erfolgreichsten Musiker Frauen: Rihanna, Beyoncé, Lana Del Rey, Lady Gaga, Katy Perry... die stehen ganz oben. Und das freut mich! Es ist gut, dass Frauen die Chance bekommen, als Künstlerinnen ernstgenommen zu werden, und dass es auch mal mehr als nur eine auf einmal schaffen kann. Ein wenig Sorgen macht mir aber, dass in unserer Kultur keine alternativen weiblichen Perspektiven bestärkt werden. Mir fehlen die Stimmen der Seltsamen, der Zerbrochenen und Zerbrechlichen. Die der ruhigeren Frauen, die vielleicht keine geborenen Entertainerinnen, aber trotzdem unglaubliche Künstlerinnen sind. Davon gab es in den 90ern definitiv mehr. Heute scheint diese Art von Künstlerinnen nicht genug Unterstützung zu bekommen.