Thomas D: "Wir wollen mit 50 nicht wie eine Jazz-Kapelle klingen"

Die Superhelden des Hip-Hops sind mit "Captain Fantastic" zurück! Im Interview erklärte Thomas D von den Fantastischen Vier, um was es ihnen bei Hip-Hop wirklich geht.
Die Fantastischen Vier sind mit einer neuen Platte zurück. "Captain Fantastic" heißt das neue Werk der Stuttgarter Hip-Hop-Urgesteine, das es ab jetzt zu kaufen gibt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news sprach Thomas D (49) darüber, wie man es nach einer so langen und erfolgreichen Karriere schafft, noch innovativ zu sein, und wie anstrengend es eigentlich ist, zwei Stunden lang auf einer Bühne abgehen zu müssen.
"Captain Fantastic" soll eine Geisteshaltung sein. Das müssen Sie mir genauer erklären.
Thomas D: Wir sind Kinder der "Star Wars"-Generation. Dort gibt es ja die Macht, die alles umgibt, durchdringt und die Galaxis zusammenhält. So etwas Ähnliches hält auch die Fantastischen Vier zusammen. "Captain Fantastic" ist unser Spirit.
Im neuen Song "Aller Anfang ist Yeah" heißt es "Hip-Hop ist mehr als Pimmel und Image". Was bedeutet Hip-Hop für die Fantastischen Vier?
Thomas D: Hip-Hop war unsere Nabelschnur. Der Urknall. Die Musik, die über den großen Teich geschwappt ist, als wir jung waren. Das war die Quelle unserer Inspiration. Hip-Hop heißt für uns, authentisch zu sein. Das heißt unsere Muttersprache zu verwenden, über unsere Themen zu reden und nicht so zu tun, als wären wir aus dem Ghetto. Und seitdem haben die Fantas ihre eigene Schublade und da steht "Die Fantastischen Vier" drauf. Als Künstler sein eigenes Genre zu haben, das ist toll. Deswegen muss man mal sagen, dass Hip-Hop mehr ist als "Pimmel und Image". Es geht um Authentizität, und Selbstverwirklichung. Es geht um Kunst!
Wie finden Sie es, dass sich deutscher Hip-Hop nach Schlager zu einem der beliebtesten Genres entwickelt hat?
Thomas D: Das gefällt mir, auch wenn ich nicht alle Spielarten des Hip-Hops generell gut finde. Ich finde, es gibt immer noch zu viel Nachmacherei, Adaption von amerikanischen oder internationalen Styles. Die Inhalte finde ich größtenteils erbärmlich. Das muss man echt so sagen. Das ist arm!
Sie haben mal gesagt, dass Künstler die Verantwortung haben, mit ihren Werken zu überraschen und den Fans etwas Neues zu bieten. Finden Sie, das ist mit "Captain Fantastic" gelungen?
Thomas D: Wir versuchen, uns mit jedem Album in einem gewissen Rahmen neu zu erfinden. Dieses Mal haben wir uns durch ein Tool an kreativen Mitstreitern erweitert. Wir haben uns inspirieren lassen und gemeinsam mit anderen Textern geschrieben. Das haben wir vorher noch nie gemacht. Man merkt einfach, dass da mehrere kreative Köpfe auf einem Haufen waren. Das tut der Platte gut. Wir haben so viele Features wie noch nie. Zum Beispiel Clueso in der aktuellen Single "Zusammen". Das bereichert die Platte, finde ich. "Tunnel" ist hingegen - so ähnlich wie "Troy" - ein typisches Fanta-Stück. Das kommt nur mit uns aus. Wir haben die Platte vor allem geschrieben, um live damit aufzutreten. Wir wollen mit 50 nicht klingen, wie eine Jazz-Kapelle im Anzug, die auf Barhockern zu einem Martini performt.
Also ist "Captain Fantastic" das innovativste Album bislang?
Thomas D: Innovativ ist das falsche Wort. Es ist spielerisch, locker, leicht. Es hat aber auch durchaus auch eine sozialkritische, politische Komponente - wie man ja zum Beispiel bei "Endzeitstimmung" deutlich hört. Dass die Verrücktheit der Fantas durchkommt, ist auch ganz wichtig. Sich selbst nicht so ganz ernst zu nehmen und auch bei ernsten Themen mal einen guten Witz zu platzieren. Wie ein leichter Schlag voll in die Fresse.
Also behaupten Sie als Band die Aufgabe zu haben, gesellschaftskritisch zu sein?
Thomas D: Wir wollen den Zeigefinger nicht erheben. Aber wenn ich hinterfrage, was mich bewegt und warum ich einen Song schreibe, dann kommen schon so grundlegende Sachen durch. Was regt mich wirklich auf, was bewegt mich? Auch im positiven Sinne. Das ist natürlich oft ein Spiegel der Gesellschaft. Wir sind Teil der Gesellschaft und die Platte ist ein Teil unserer letzten drei Jahre.
Was wollen die Fantastischen Vier denn mit ihrer Musik erreichen?
Thomas D: Wir wollen keine Musik machen, die schlechte Laune bringt. Wenn doch ist das bei uns immer mit einem Augenzwinkern verbunden oder mit lustiger Musik untermalt. Lustige Musik zu traurigen Themen, hat Smudo mal gesagt und irgendwie trifft es das. Sich schuldig zu fühlen, ist kein guter Motor, um etwas zu verändern. Wir sind uns hauptsächlich der Verantwortung bewusst, die wir uns selbst gegenüber haben. Denn was ich jetzt sage, will ich auch noch in ein paar Jahren sagen und vertreten können. Klar gebe ich den Leuten auch gerne etwas mit. Aber das ist nicht unser oberstes Ziel. Wir müssen eine Platte machen, das ist schon das Schlimmste...
Wie voll sind die kreativen Reserven der Fantas?
Thomas D: Hmm, knapp unter 70 Prozent. Natürlich haben wir manchmal das Gefühl, schon alles gesagt zu haben. Ich hab Love-Songs geschrieben, ich weiß nicht wie viele... Aber dann wandelt sich dieses Gefühl und man empfindet eine andere Art von Liebe. Und dann kann ich wieder ein neues Liebeslied schreiben. Je mehr die Leute mit unserer Karriere vertraut sind, umso mehr checken sie auch die kleinen Witze, die in unseren Texten versteckt sind.
Wie darf man sich denn einen kreativen Band-Tag im Studio vorstellen?
Thomas D: Wenn wir zusammensitzen, um ein Album zu schreiben, rauchen uns meistens die Köpfe. Diese Augenblicke, wenn dann einer von uns auf eine lustige Zeile kommt, sind unbezahlbar. Man kann sich das so vorstellen: Für "Tunnel" saßen wir tagelang im Studio. Curse, Samy Deluxe, Smudo, Michi, ich - fünf gestandene Rapper denken sich die Köpfe blutig über "Tunnel". Und Smudo sagt drei Tage lang nichts, weil ihm nichts einfällt. Und dann sagt er plötzlich: "Buddel, Buddel, Buddel voll Rum". Das kann nur ein Smudo erfinden! Eine grandiose Zeile! Ich bin zusammengebrochen. Danke, Smudo! Genau deswegen bist du hier drei Tage gesessen und hast geschwiegen! Weil du dich so wahnsinnig machen musstest, dass so Schrott dabei rauskommt, der aber genial ist.
Bei Live-Aufritten ist die Reaktion des Publikums essentiell. Wie bekommt man die Leute dazu bei einem Konzert abzugehen?
Thomas D: Den Song "Gegen jede Vernunft" haben wir in den letzten Jahren auf jedem Konzert gespielt und wir hatten nie das Gefühl, dass der abgeht. Aber wir finden den so gut, dass wir gesagt haben, wir spielen den so lange, bis die draußen auch checken, dass der super ist. Und nach drei Jahren haben wir das Gefühl, das Publikum hat es kapiert. Deswegen haben wir ihn jetzt wieder von der Setliste gestrichen! Der hat wirklich nur unter Zwang funktioniert. Jetzt probieren wir das Gleiche mit einem neuen Song.
Mit welchem?
Thomas D: Gute Frage. Wir haben inzwischen so viele Live-Knaller, dass es inzwischen echt schwierig geworden ist, sich zu entscheiden. Wir wollen natürlich immer "Troy" spielen, "Sie ist weg", "Die da", "Einfach sein" und so weiter. Wir spielen zwei Stunden und länger will ich auch nicht. Also länger will eigentlich keiner von uns. Wir wollen eigentlich nur 45 Minuten spielen.
Das liegt vermutlich am Alter?
Thomas D: Wir werden fauler. Nee, wir finden ja Konzerte geben geil. Aber ich bin jedes Mal am Arsch danach. Und zwar total am Arsch. Das ist wie ein Hip-Hop-Tanzkurs da auf der Bühne.