Tatort "Kriegssplitter": Ödnis unter Musik-Matsch
Tatort "Kriegssplitter" aus Luzern: So schwungvoll wie hier sind Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) selten. © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Wer beim neuen Schweizer Tatort "Kriegssplitter" bisweilen den Überblick verliert oder einfach einnickt, kann beruhigt sein: Die Macher sorgen musikalisch dafür, dass man immer weiß was man in den jeweiligen Szenen empfinden soll. Sie halten das sogar für so wichtig, dass sie die Musik penetrant in den Vordergrund stellen – ungeachtet dessen, dass die verwendeten Sound-Teppiche stark nach den 80ern klingen.
Unterhalb dieser sehr, sehr dicken Schicht aus Geräusch-Kleister verbirgt sich – neben der wie immer fürchterlichen Synchronisation – ein Tatort der Marke "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint". Dass ein tschetschenischer Kriegsverbrecher in der Schweiz untertaucht und von zwei Parteien gesucht wird, klingt erstmal einigermaßen spannend, verläuft aber durch die unterirdische Inszenierung in Langeweile. Trotz der penetranten Drama-Musik.
Ein Bad im Meer der Zufälle
Und wie schon in den letzten Fällen spielen die Luzerner Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) tapfer gegen die Ödnis an. Allein, es hilft nicht. Durch den Tod eines Journalisten (Daniel Mangisch) werden die Ermittler auf diverse Tschetschenen gestoßen, die nach dem Bürgerkrieg in der Schweiz gekommen sind: Harmlose Flüchtlinge wie Nurali (Joel Basman), der sich ein eigenes Leben aufgebaut hat, genauso wie Kriegsverbrecher Ruslan Abaev (Jevgenij Sitochin), der unter falschem Namen in Luzern lebt.
Der Tatort-typische Zufall will es nun, dass Abaev nach jahrelangem Inkognito-Leben gleich doppelt gejagt wird. Nuralis Zwillingsschwester Nura (Yelene Tronina) schleust sich illegal in die Schweiz ein, um ihre Mutter zu rächen, die Abaev angeblich zu einem Selbstmord-Attentat gezwungen hat. Und der geheimnisvolle Killer Sorokin (Vladimir Korneev) soll Abaev im Auftrag der russischen Regierung aufspüren und erledigen. Der hartnäckige Journalist, der mit seinen Recherchen den untergetauchten Tschetschenen auf die Pelle rückte, störte dabei nur, aber wer hat ihn aus dem Hotelfenster gestürzt?
Reto Flückiger hat dabei noch ein weiteres Problem: Durch den Mord fliegt seine Affäre mit einer verheirateten Frau (Brigitte Beyeler) auf, die beiden hatten sich gerade ein Stockwerk tiefer zum Stelldichein getroffen. Der Ehemann ist verständlicherweise erzürnt, die Umworbene kann sich nicht recht entscheiden.
Tatort-Standards, aber handwerklich suboptimal
"Kriegssplitter" will leider viel mehr, als ein Tatort aus der Schweiz zu leisten vermag, so hart das auch klingt. Die Story hat etwas Thriller-haftes, bleibt aber immer nah am Stereotypen. Den wortkargen Killer, den schmierigen Botschafts-Handlanger oder die von Rache getriebene Schönheit hat man schon x-mal gesehen. Genauso wie den angeschossenen Bösewicht, der schwitzend und blutend die seine Geheimnisse hervorpresst und den Normalo versucht um den Finger zu verwickeln.
Dass die Erinnerung an den fast vergessenen Tschetschenien-Krieg aufgefrischt wird, ist sicherlich nicht falsch, verkommt aber zu sehr zu einem Drama auf familiärer Ebene. Und auch handwerklich fällt " Kriegssplitter" sehr hinter den Tatort-Durchschnitt zurück.
Ein kompletter Flop also? Nein, für Schweizer Verhältnisse zumindest solide. Man bedient sich Krimi-Standards, greift vielversprechende Themen auf und bemüht sich um ein bisschen Weltläufigkeit. Damit lässt sich kein Kracher und von der Kritik gelobter Tatort landen, allerdings minimiert man das Risiko, noch mehr Zuschauer zu vergraulen. Doch während ein Köln- Tatort nach 08/15-Strickmuster locker die zehn Millionen überspringt, dürfte Luzern diverse Millionen weniger vor den Fernseher locken. Man kann es ihnen nicht verübeln.