Tatort "Totenstille": Der Erklär-Bär aus Saarbrücken
Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) und Kassandra (Kassandra Wedel) kommen sich im Saarbrücken-Tatort "Totenstille" näher. © SR/Manuela Meyer
Das, liebe Kinder, ist der Ben. Ben hört nicht, er ist nämlich gehörlos. Damit er sich trotzdem mit anderen unterhalten kann, zeigt der Wörter und Buchstaben mit seinen Händen. Das nennt man Gebärdensprache. Damit er weiß, was seine Freunde ihm antworten, schaut Ben ganz genau auf deren Lippen und kann dort erkennen, was sie sagen. Das nennt man Lippenlesen. Klingt komisch, ist aber so.
Die "Sendung mit der Maus" hätte uns die Welt der Gehörlosen wohl mindestens ebenso anschaulich nahebringen können wie der Tatort "Totenstille", das jedoch im Bruchteil der Zeit. Dann wäre auch noch Platz für einen passablen Krimi gewesen. Stattdessen wird die zunächst recht überschaubare Krimi-Handlung zum Ende hin mit dermaßen vielen Themen und Querverbindungen zugemüllt, dass nicht wenige Zuschauer mit einem großen Fragezeichen zu Bett gingen.
Das recht unbeliebte Team aus Saarbrücken holte jedoch mit diesem thematisch bepackten Fall gute 9,69 Millionen Zuschauer, das macht einen Anteil von 25,8 %. Bei den 14-49jährigen hatte allerdings das Dschungelcamp mehr Zuschauer, der Tatort kam hier mit 3,01 Millionen und 21,3% nur auf Platz zwei.
Gebärdensprache? Check! Hörgerät? Check!
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Der Einblick in die Welt der Gehörlosen war durchaus interessant und lehrreich. Doch allzu oft kam das Gefühl auf, es werde eine Checkliste mit Aspekten abgearbeitet, die es zu beachten gilt. Das führte zu steifen Dialogen und unglaubwürdigen Szenen, getoppt nur noch von der naiv-kitschigen Annäherung Kommissar Stellbrinks (Devid Striesow) an Gebärdensprache sowie die Verbrüderung von Ben (Benjamin Piwko). Dass die Gehörlosen auch wirklich von nicht Hörenden dargestellt wurden, ist toll - sollte aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Neue Figur, Staatsanwältin kaltgestellt - kriegt der SR den Tatort nochmal hin?
Der Saarländische Rundfunk hat für den Stellbrink-Tatort schon ordentlich auf den Deckel bekommen. Es macht aber den Anschein, als ob man zumindest bemühe, den Saarbrücken-Tatort ein wenig zurechtzurücken. Stellbrink ist nicht mehr ganz so freakig (wir erinnern uns an die Wickelhose im ersten Fall), Lisa Marx (Elisabeth Brück) hat Motorrad und Lederkluft abgelegt und die kindliche Staatsanwältin Nicole Dubois (Sandra Steinbach) ist fast komplett kaltgestellt.
Dafür gab es in " Totenstille" die zumindest sympathische Kommissars-Anwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider), die allerdings regelmäßig von Stellbrink rundgemacht wurde. Soll da jemand mehr Ecken und Kanten bekommen? Sorry, aber das passt noch nicht so ganz. Zumal viele dieser Dialoge viel zu gewollt lustig waren. Schön, dass man beim SR etwas ändern will - aber von einem überzeugenden Team ist man trotz eines Devid Striesow noch weit entfernt.
Der Saarbrücken-Tatort "Totenstille" bei Twitter
Tja, dumm gelaufen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Zuschauer war noch emotional aufgeheizt vom Handball-Krimi gegen Russland.
Tatort aus Saarbrücken...nur wenige haben das Glück, spannendere und aufheiternde Alternativen wählen zu können.
Die Gehörlosen-Thematik machte sofort klar: Obacht, hier wird uns eine Botschaft vermittelt! Darf man darüber Witze machen? Man muss!
90 Minuten "Totenstille" lassen sich recht treffend in einem Satz Tucholsky zusammenfassen: "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint."