Ocon zerstört Bottas-Träume
Valtteri Bottas fühlte sich stark genug für die Pole Position. Doch dann stand ihm ausgerechnet ein Mercedes-Junior in Renault-Farben im Weg. Esteban Ocons Dreher beendete die Pole-Träume von Bottas.
Valtteri Bottas fuhr so stark wie schon lange nicht mehr. Der Finne führte alle drei freien Trainingssitzungen an. Mal vor Lewis Hamilton, mal vor Max Verstappen. Auch im Q1 ließ der Finne keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der Weg zur Pole Position nur über ihn führen wird.
Da konnte er es sogar verschmerzen, dass ihn Hamilton im Q2 um 13 Tausendstelsekunden geschlagen hat. Bottas blieb auch noch optimistisch, als der Teamkollege auch nach dem ersten Q3-Versuch noch vorne lag. Der Rückstand von 0,059 Sekunden war aufholbar.
"Meine erste Q3-Runde war nicht optimal. Ich wusste, da ist noch mehr drin", gab sich der WM-Zweite kämpferisch. Doch am Ende war Bottas wieder nur zweiter Sieger. Lewis Hamilton konnte seine vorgelegte Rundenzeit nicht verbessern, "weil zum Schluss Wind aufkam und die Strecke langsamer war".
Bottas glaubt, dass er den Engländer trotz Wind hätte schlagen können. Doch dann stand ihm plötzlich Esteban Ocon im Weg, der sich ausgangs Kurve 3 in den Grünstreifen gedreht hatte. Die gelbe Flagge beendete die Hoffnung all der Fahrer, die hinter Ocon auf die Strecke gegangen waren. Auch Renault-Teamkollege Daniel Ricciardo zählte dazu.
Viel Setup-Arbeit für Hamilton
Lewis Hamilton wirkte nach seiner 95. Pole Position erleichtert. Man merkte ihm an, dass er die Bestzeit auf der Fahrerstrecke Mugello unbedingt wollte. Es wurmte ihn, wie Bottas von Anfang an mit Leichtigkeit durch die 15 Kurven flog. Er selbst hatte mit gewissen Kurven und Abschnitten seine Probleme.
"Es hat länger gedauert, als ich es erwartet hatte. Dabei bin ich sogar im Simulator ein paar Mugello-Runden gefahren, was ich sonst nie mache. Aber er hat mir nicht wirklich viel gebracht. Ich habe mich Schritt für Schritt mit dem Setup hingearbeitet. Das ist eine unglaubliche Detailarbeit, die Balance für jede Kurve hinzukriegen. Vertrauen ist alles hier auf dieser Strecke mit so unglaublich schnellen Kurven. Am Ende habe ich die Runde hingebracht, die ich brauchte."
Nach Idealzeiten war Hamiltons Vorsprung auf Bottas sogar noch ein bisschen kleiner. Da lag der Weltmeister nur 21 Tausendstel vor seinem Widersacher. Den entscheidenden Vorsprung holte Hamilton in dem Sektor mit den schnellsten Kurven heraus. Wenn man bei einem Unterschied von Sekundenbruchteilen von entscheidend reden kann.
Hamilton machte einem sichtlich angefressenen Bottas ein Kompliment: "Valtteri war unglaublich stark und beständig hier. Er treibt mich zu immer neuen Höchstleistungen." Kleiner Einblick eines Champion, wo er vor der Qualifikation noch Nachholbedarf sah: "In den Kurven 1 und 10 habe ich mich am meisten verbessert."
Teamchef Toto Wolff findet es völlig normal, dass selbst ein Champion wie Hamilton seine Zeit braucht, sich der Achterbahn in der Toskana zu nähern. "Es ist ein technischer, sehr schneller Kurs. Wenn man noch nie vorher da war, ist es nicht einfach die Limits zu finden. Es gibt viele Linien durch die Kurven, und wie so oft hat es Lewis rechtzeitig zur Qualifikation geschafft, die Runde perfekt zu treffen."
Für Bottas mag das ernüchternd sein, doch Wolff stärkte ihm den Rücken. "Valtteri ist nach der Enttäuschung von Monza ganz stark zurückgekommen. Das zeigt, was für ein zäher Bursche er ist. Er kann stolz auf seine Leistung sein. Wir wissen ja nicht, was er geschafft hätte, wenn Esteban nicht im Weg gewesen wäre."
630 Meter Anlauf in die erste Kurve
Bottas muss wieder einmal auf das Rennen setzen. Doch ausgerechnet in Mugello sind diese Hoffnungen getrübt, weil der Kurs nach Aussagen aller Fahrer nur wenig bis gar keine Überholmöglichkeiten bietet. "Es ist das, was alle sagen", meinte Bottas resignierend. "Ich hoffe, das sieht mit mehr Benzin an Bord anders aus."
Hamilton wirft ein: "Der Gripverlust der Reifen könnte eine Rolle spielen und Überholmöglichkeiten eröffnen." Bottas erwähnt noch den langen Anlauf in die erste Kurve. Er ist mit 630 Metern der drittlängste der ganzen Saison. "Es wäre schön, wenn wir morgen auch noch Gegenwind auf der Zielgerade hätten. Das hilft beim Windschatten", betet Bottas. Wenn er Hamilton schon im ersten Spurt schlagen will, muss er aber endlich auch mal einen guten Start fabrizieren. Und da hat es zuletzt öfter gehakt.
Für Toto Wolff ist das Rennen noch lange nicht gelaufen. Er hat zwar keine Angst, dass sich Silverstone mit den erwartet hohen Reifenverschleiß am Sonntag wiederholt, doch bis jetzt kann ihm noch keiner der Strategen sagen, ob es am Ende ein Rennen mit einem oder zwei Boxenstopps wird.
"Es wird auf jeden Fall eine Fahrt ins Ungewisse. Die Longruns am Freitag gingen nur über sechs oder sieben Runden. Da lässt sich nicht viel für das Rennen ableiten. Es wird viel davon abhängen, wer am besten improvisiert." Auch das kann eine Chance für Bottas sein.
Oder für Max Verstappen. Der Holländer ist mit einem Rückstand von 0,365 Sekunden so nahe an den Silberpfeilen dran wie schon lange nicht mehr. Im Gegensatz zu Mercedes fand Red Bull die Balance für den RB16 praktisch aus dem Stand.
Die Red Bull sind auch auf weniger Anpressdruck getrimmt, was sich in einem Vorteil auf den Geraden niederschlägt. Verstappen kann am Sonntag für beide Mercedes-Fahrer zum Störfaktor werden. Oder zur bösen Überraschung.