F1-Tagebuch GP Italien 2018

In ihren Grand Prix-Tagebüchern liefern die auto motor und sport-Reporter persönliche Eindrücke vom Arbeitsalltag an einem Formel-1-Wochenende. In Folge 14 berichtet Bianca Leppert darüber, was hinter den Kulissen beim GP Singapur so los war.
Monza. Allein bei diesem Wort hat man schon Pizza und Tiramisu im Kopf. Ich zumindest. Und die bewegende Geschichte dieses Hochgeschwindigkeits-Mekkas. Für uns geht es dieses Mal aber eher à la „Zurück in die Zukunft” auf die Reise nach Italien. In einem Lexus, der zum Redaktionspool gehört, und mehr an ein Raumschiff denn an ein Auto erinnert, chauffiert mich Kollege Michael Schmidt gewohnt flott nach Monza.
Der Splügenpass als Teststrecke
Die ultimative Teststrecke: Der Splügenpass, der von der Schweiz nach Italien führt. Eine Bergetappe, die in jedem Roadbook einer Oldtimer-Rallye Pflicht sein sollte. Den Berg hinauf werden wir mit einer wundervollen Aussicht über die Wiesen und Berge verwöhnt, weiter oben hat die Landschaft mit den Seen schon etwas von Neuseeland. Der Nachteil: Man muss ja auch wieder irgendwie runter. Bei der durchaus rasanten Fahrweise von Kollege Schmidt und einem empfindsamen Gemüt wie mir, kann das dann auch mal in Übelkeit münden. Eine Kehre ist sogar so eng, dass man den Rückwärtsgang einlegen muss, um den Gegenverkehr erst einmal passieren zu lassen.
Wir sind schon am Mittag an der Strecke, um die ersten Fotos für die Galerie im Kasten zu haben. Mindestens so groß wie die Vorfreude auf den Formel-1-Zirkus ist aber auch der Heißhunger auf den famosen Tarto Frutti di Bosco, einen Waldbeerkuchen, der Tradition in unserem Hotel Sant’Eustorgio hat. Ich gönne mir vor dem Dessert aber noch eine italienische Spezialität: Die Tagliata di Manzo, Rindfleisch in Scheiben geschnitten auf Rucola mit Parmesan. Die Kollegen staunen nicht schlecht, als sie meinen Teller sehen. Offenbar kannte noch keiner von ihnen diese Leckerei. Und ausgerechnet ich als ehemalige Vegetarierin setzte damit einen neuen Trend, denn an den folgenden Abenden probieren sie es auch mal.
Ein Ort ist nach mir benannt
Ob das wohl an meinem italienischen Namen liegt, dass ich ein Gespür dafür hatte? Entgegen meinem Spitznamen Motzi, den mir einst Kollege Roger Benoit verpasste und mittlerweile im gesamten Fahrerlager bekannt ist, heiße ich im echten Leben Bianca. Und siehe da, auf unserem Weg zur Strecke passieren wir am Donnerstagmorgen auch gleich ein Örtchen mit fünf Häuschen namens Ca’ Bianca. An der Strecke ist der Halo ein großes Thema. Klar, immerhin hat noch jeder den Horror-Crash von Charles Leclerc in Spa in bester Erinnerung. Auch ein viel diskutiertes Thema: Wo ist Lewis Hamilton? Der fehlt am obligatorischen Medien-Donnerstag. Es gehen die wildesten Gerüchte herum. Die Fans, die sich am Ausgang des Fahrerlagers in Scharen sammeln, haben aber noch einen ganz anderen Promi entdeckt: Kollege Michael Schmidt. Er muss mal wieder Autogramme geben.
Er ist eben einfach ein Unikat. In jeder Hinsicht. Wie er mir erklärt, hat er blöderweise seinen Wecker zuhause vergessen. Und nein, dieser Mann besitzt kein Handy und keine Armbanduhr, die da Abhilfe schaffen könnte. Der Weckruf der Rezeption ist ihm auch zu unsicher. Heißt: Ich klingle jeden Morgen in seinem Zimmer durch, um ihn aus den Federn zu werfen. Offenbar bekommt ihm der Telefon-Terror aber nicht so gut. Die Laune ist im Keller als er am Freitagmorgen sieht, dass es regnet. So etwas dürfe in Monza einfach nicht sein – so seine Theorie. Weil er die Fensterläden im Zimmer geschlossen hatte, bemerkt er das ganze Ausmaß der Katastrophe erst auf dem Weg zum Auto. Ich empfehle ihm mal wieder, es mit etwas mehr Gelassenheit zu versuchen. Und nehme mir vor, ihn irgendwann zu einem Meditationskurs zu überreden.
Das Ferrari-Wunder in Monza./strong>
Tatsächlich verwandelt sich der Parkplatz am Freitag in ein einziges Schlammloch, die Feuerwehr rückt im Fahrerlager an, um die Wassermassen abzupumpen. Das Training der GP3 fällt ganz ins Wasser, die Formel 1 kann immerhin ein paar Runden drehen. Am Nachmittag folgt dann der große Schreckmoment. Marcus Ericsson biegt im Sauber am Ende der Start-Zielgerade links in die Bande ab und überschlägt sich gleich drei Mal mit Schraube. Überall verteilt liegen die Trümmerteile. Es gleicht einem Wunder, dass der Schwede unverletzt aus dem Auto steigen kann.
Schon kurz darauf erleben wir am Samstag im Qualifying das zweite Wunder. Ob die Italien.r wirklich einen speziellen Draht nach oben haben? Kimi Räikkönen holt sich die Pole. Sebastian Vettel startet neben ihm aus der ersten Reihe. Die Tifosi drehen durch. Zuletzt gelang dieses Kunststück den Roten im Jahr 1994. Danach kochen die Spekulationen natürlich hoch, ob Kimi bei Ferrari bleibt oder nicht. Zeitgleich hören wir, dass Charles Leclerc quasi schon mit Ferrari einig sei. Der neue Ferrari-Boss Louis Carey Camilleri gibt sich aber geheimniskrämerisch. Gar kein Blatt vor den Mund nimmt dagegen Kevin Magnussen. Er posaunt in seiner Medienrunde: “Alonso hält sich doch für Gott.” Die beiden Streithähne waren im Qualifying aneinander geraten. Ich denke mir: Okay, ein bisschen rüpelhaft dieser Däne, aber auch wahnsinnig erfrischend.
Gesundheit geht vor
Am Abend gibt es dann noch etwas zu feiern: In der Pizzeria um die Ecke stoßen wir mit einem Tag Verspätung auf den Geburtstag unserer Kollegin Vanessa Georgoulas an. Dazu verschlingen wir jede Menge Tiramisu. Ob das wohl so gesund ist? Egal, schließlich ist man in Italien.
Kollege Schmidt, der ja gerne das Frühstück und Mittagessen auslässt und nur zu Abend isst, bekommt im Laufe dieses Wochenendes zu diesem Thema auch noch eine Standpauke von mir. Und oh Wunder, tatsächlich sitzt er am Sonntagmorgen mit mir beim Frühstück. Roger habe ich zu Beginn des Wochenendes erklärt, dass er eigentlich 10.000 Schritte am Tag auf seinem iPhone aufgezeichnet haben sollte. Ab diesem Moment tauschen wir uns von Donnerstag bis Sonntag ständig über den aktuellen Stand aus. Klar, dass ich jetzt einen Doktortitel von den Kollegen verliehen bekomme. Ich werde fortan nur noch Dr. Motzi genannt.
Für Sebastian Vettel läuft es beim Heimrennen übrigens katastrophal. Lewis Hamilton gewinnt in der Höhle des Löwen. Vettel wird noch Vierter, muss sich aber nach einer Berührung mit Hamilton kurz nach dem Start viel Kritik anhören. Ein sollte ein entscheidender Moment im WM-Kampf werden, den Ferrari am Ende verliert.