Gleicher Speed, bessere Plätze
Von den nackten Zahlen war es ein Fortschritt. Beide Ferrari-Fahrer starten aus der dritten Reihe. Doch Teamleitung und Piloten lassen sich nicht blenden. Der Abstand zu Mercedes blieb. Nur das Ergebnis war besser, weil die Gegner schwächelten.
Endlich ein Lichtblick. Die beiden Ferrari starten beim GP Ungarn aus der dritten Reihe. Bei den ersten beiden Rennen geriet der Aufstieg ins Q3 jeweils zu einer Zitterpartie. Der eine Fahrer schaffte es in die Top Ten, der andere nicht. Diesmal mussten sich Sebastian Vettel und Charles Leclerc keine Sorgen machen.
Trotzdem ließ sich Ferrari auf kein Risiko ein. Um sicher ins Q3 zu kommen, rückten die Fahrer im Q1 und im Q2 jeweils mit zwei frischen Garnituren soft aus. Dafür zahlten sie dann im Q3. "Vielleicht wäre mit zwei Reifensätzen sogar noch ein bisschen mehr gegangen", meinte Vettel.
Fürs erste ist die zuletzt so schwer gebeutelte Truppe aus Maranello erleichtert. Das Aero-Paket, das letzte Woche in Spielberg noch keinen nachhaltigen Eindruck hinterließ, gab im zweiten Anlauf Hoffnung, dass man damit auf dem richtigen Weg ist. Ein Wunder hatte man sowieso nicht erwartet.
"Wir sind aus eigener Kraft in die dritte Startreihe gefahren. Das heißt: Wir fahren nicht nur mit, sondern mittendrin", erlaubte sich Vettel ein Wortspiel. Die Racing Point sind zwar immer noch bis zu vier Zehntel schneller, dafür stehen beide Red Bull, beide McLaren und beide Renault hinter den Ferrari. Das lief zuletzt noch anders herum.
Langsamster auf der Zielgerade
Vettel verweist auch auf das Streckenlayout. "Es gibt weniger Geraden dafür mehr Kurven, wo wir das was wir auf den Geraden verlieren, wieder wettmachen können." Trotzdem bricht der vierfache Weltmeister nicht gleich in Euphorie aus: "Der Abstand zu Mercedes ist gleich geblieben. Nur unsere Startpositionen sind besser."
Im Sektorenvergleich machen die Ferrari vor allem im Schlussabschnitt eine gute Figur. Da sind sie hinter den Mercedes zweite Kraft. Dass auf die Silberpfeile in der Passage dennoch 0,3 Sekunden auf der Strecke blieben, nimmt Vettel mit Galgenhumor: "Die fahren in einem anderen Universum."
Der dritte Sektor des Hungarorings besteht aus drei Kurven. Die Geschwindigkeit dort: 125 km/h, 110 km/h und 145 km/h. Auch im Mittelsektor mit eher schnelleren Kurven sieht es für den SF1000 gar nicht so schlecht aus. Neben den außerirdischen Mercedes waren da nur die Racing Point und die McLaren schneller, allerdings nur marginal.
Am meisten verlieren die roten Autos auf den ersten 1,5 Kilometern. Da bestraft sie der müde Motor und die schlechte Effizienz des Autos. Der SF1000 generiert seinen Anpressdruck immer noch auf Kosten von zu viel Luftwiderstand. Mit 304,3 km/h rangierten Leclerc und Vettel ganz unten auf der Top-Speed-Tabelle. Lance Stroll wurde dort mit 313,9 km/h gestoppt.
Das war ein weiterer Beweis dafür, dass Ferrari beim Motor dramatisch zurückrüsten musste. Die Erklärung, dass die Technischen Direktiven des letzten Jahres auch andere Hersteller getroffen hätten, was man ja an den Leistungsdaten der aktuellen Motoren sehen könne, kam bei Mercedes-Teamchef Toto Wolff gar nicht gut an. "Erstens wurde in diesen Direktiven nur mitgeteilt, was ohnehin schon Teil des Reglements war. Das hat höchstens einen Mitbewerber eingeschränkt."
Eigentlich, so Wolff, hätte sich Ferrari die Motormisere im doppelten Sinne selbst eingebrockt. Weil Mercedes im letzten Jahr gezwungen war, auf Ferraris Super-Motor zu reagieren, auch wenn es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. "Sie haben uns fast in einen Burnout gezwungen, um dagegenzuhalten. Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt mit dem Motor einen ordentlichen Schritt gemacht haben."
Fragezeichen Reifenwahl
Sebastian Vettel sieht im Rennen Chancen auf eine Platzverbesserung, vielleicht sogar auf ein Podium. Erstens, weil die Ferrari im Renntrim schneller sind als auf eine Runde. Im Power-Modus für das Rennen verliert der Ferrari V6-Turbo weniger Leistung als im heißen Qualifikationsmodus. Und der Ferrari schont in der Regel seine Reifen besser als der Racing Point. "Ich habe das Gefühl, dass wir am Sonntag mit den Racing Point mithalten können", macht Vettel in Optimismus.
Sein zweiter Trainingssieg über Leclerc ist eine stille persönliche Genugtuung, mehr nicht. Vettel muss niemandem beweisen, dass er immer noch ein exzellenter Fahrer ist, auch wenn es einige bei Ferrari schon vergessen haben mögen. Leclerc nahm sich selbst in die Pflicht: "Ich bin in Q1 und Q2 nicht gut gefahren. Erst im Q3 konnte ich mich etwas steigern."
Ein Fragezeichen bleibt. Im Gegensatz zu den Mercedes und Racing Point starten die Ferrari.Piloten und die Verfolger in ihrem Rücken mit Soft-Reifen. "Die geben uns beim Start und in den ersten zwei Runden einen Vorteil. Dann wird man sehen, wie sich das Rennen weiterentwickelt."
Die Logik sagt, dass Ferrari früher die Boxen ansteuern wird als die vier Autos vor ihrer Nase. Die Frage wird sein, wie lange die Racing Point mit den Soft-Reifen im zweiten Stint Tempo bolzen können, bevor der Reifen einbricht. Der Verschleiß der Soft-Gummis ist ein gutes Stück höher als der der Medium-Reifen.
Teamchef Mattia Binotto blieb trotz der Steigerung erstaunlich selbstkritisch. "Das Resultat bildet unseren Leistungsstand ab. Wir dürfen mit der dritten Startreihe nicht zufrieden sein, vor allem wenn man den Abstand zur Spitze betrachtet. Auf einer Strecke, die völlig anders ist als die in Spielberg, haben wir es wenigstens geschafft, das Maximum aus unserem Paket zu holen. Aber das ist eindeutig zu wenig. Wir müssen morgen das meiste aus unseren Chancen machen, vor allem auch wegen der unsicheren Wetterlage."