Grand Prix Tagebuch Bahrain 2016

In ihren Grand Prix Tagebüchern liefern die auto motor und sport Reporter persönliche Eindrücke vom Arbeitsalltag an einem Formel 1-Wochenende. In Folge 2 berichtet Tobias Grüner, was hinter den Kulissen beim GP Bahrain abgegangen ist.
Normalerweise wird man als Journalist in Bahrain immer schon am Flughafen-Gate von einem Mitarbeiter des Grand Prix-Veranstalters empfangen. Doch dieses Jahr stand niemand mit einem Schild am Ausgang des Flugzeugs. Ich hatte wohl die Info-E-Mail mit meiner Ankunftszeit etwas zu spät an die Organisatoren geschickt. Also ging es ausnahmsweise ohne Begleitung durch die Passkontrolle und die Gepäckausgabe. Und einen Shuttle-Service zum Hotel gab es auch nicht.
Das machte aber alles nichts. Ohne einen Journalisten-Aufpasser fühlt man sich sowieso irgendwie wohler. Für die Veranstalter bestand auch keine Gefahr. Ich hatte schließlich nicht vor, über eine regierungskritische Demonstration zu berichten. Und die Taxis zum Hotel sind dank Niedrigspritpreisen im Ölstaat auch superbillig.
Kaum am Hotel angekommen meldete sich auch schon Kollege Schmidt. Er hatte nach dem Auftaktrennen in Melbourne noch ein paar Urlaubstage in Australien angehängt und war direkt von Down Under in den mittleren Osten geflogen. Nach so viel Freizeit konnte er es offenbar kaum erwarten wieder zu arbeiten. Und so verabredeten wir uns direkt für die Fahrt an die Strecke.
Gold-Nissan steht im Regen
Der Blick auf den Mietwagen auf dem Hotelparkplatz sorgte für eine Überraschung. Nein, ich meine damit nicht die gewöhnungsbedürftige Gold-Lackierung unseres Nissan Tiida, sondern die Wassertropfen auf der Karosserie. Es hatte tatsächlich geregnet. Ich war bestimmt das siebte oder achte Mal beim Wüsten-Grand Prix vor Ort, aber einen Schauer hatte ich hier noch nie erlebt.
Zum Glück besserte sich das Wetter schnell wieder. Der Weg quer über die Halbinsel durch die kargen Steinlandschaften ist aber auch bei Sonne und blauem Himmel immer etwas deprimierend. Früher hatte das Rennen gar keine Atmosphäre. Durch die Verlegung in den Abend sorgt jetzt wenigstens das Flutlicht für etwas Stimmung.
Wenn mich Freunde fragen, welches das unattraktivste Rennen für Formel 1-Fans ist, dann antworte ich immer Bahrain. Die Tribünen sind meist nur halb besetzt. Und Manama hat als Metropole auch irgendwie nur wenig Flair. Dann doch lieber nach Abu Dhabi, wenn es einen schon in die Wüste zieht.
Abgesehen von den intensiven Sicherheitschecks am Eingang zur Strecke sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten aber gut. Der Pressesaal bietet genügend Platz und ist modern eingerichtet. Der Internet-Zugang ist stabil und gratis, was man nicht von allen Rennstrecken sagen kann. Dazu gibt es im Fahrerlager jedes Jahr einen Grillabend mit orientalischen Speisen, zu dem alle Teammitglieder und Pressevertreter eingeladen sind.
Hamilton sorgt für Schlagzeilen
Die erste Einladung des Wochenendes kam allerdings von Mercedes. Am Donnerstag bat Lewis Hamilton die anwesenden deutschen Medien zur Interview-Runde. Es entwickelte sich ein launiges Gespräch über seinen privaten Lebensstil, der sich bekanntlich etwas von seinen Fahrerkollegen unterscheidet, und seine ständige Präsenz auf allen Social Media-Kanälen. Der Formel 1-Rechteinhaber hatte dem Briten einen Rüffel verpasst, weil Hamilton unerlaubt Videos an der Strecke aufgenommen hatte. Der Pilot reagierte verärgert über das Verbot.
Ich fragte Lewis, ob er nicht befürchte, dass seine Posts auch mal für Kritik sorgen könnten. Er antwortete trocken, dass es ihn nicht interessiere, was andere darüber denken und schreiben. Als ihm die englische Presse 6 Monate später in Suzuka wegen der Snapchatterei in der FIA-Pressekonferenz mangelnden Respekt vorwarf, reagierte der Weltmeister allerdings nicht mehr ganz so souverän.
Auch auf der Strecke machte der Champion keine glückliche Figur. Nach dem verpennten Start krachte der Pole Setter in der ersten Kurve mit Valtteri Bottas zusammen und fiel weit zurück. Am Ende war Rang 3 Schadensbegrenzung. Nico Rosberg gewann bereits sein zweites Rennen und setzte sich in der WM-Wertung vorne ab.
Neben dem Hamilton-Crash sorgte vor allem Ferrari für Schlagzeilen. Wir hatten schon bei den Wintertestfahrten von Motorenproblemen bei den roten Autos geschrieben – was damals noch entschieden dementiert wurde. Doch nach dem Turbo-Schaden bei Räikkönen in Melbourne ging in Bahrain bei Sebastian Vettel das komplette Triebwerk hops. Und zwar noch in der Einführungsrunde. Jetzt konnte auch die italienische Presseabteilung nichts mehr schönreden.
Am Rande des Bahrain.Wochenendes hatte Kollege Schmidt auch noch enthüllt, dass Ferrari wegen eines zu schwachen Turbos nicht die volle Leistung abrufen kann. Auch das wurde von den Verantwortlichen umgehend abgestritten. Dabei sprachen die GPS-Messungen ein eindeutiges Bild. Die von uns für Barcelona angekündigte Turbo-Modifikation kam dann übrigens in Kanada.
K.O.-Qualifying geht endgültig K.O.
Wie schon in Australien hatte auch das neue K.O.-Format im Qualifying Negativ-Schlagzeilen geschrieben. Dass die Idee nicht funktionierte, hätte eigentlich schon nach dem ersten Versuch klar sein sollen. Doch nach Bahrain wurde der „Elimination-Mode“ endgültig gekillt. Beim nächsten Rennen in China wurden die Startplätze wieder nach dem alten Format ausgefahren.
Eine weitere große Story des Wochenendes schrieb Fernando Alonso. Nach seinem Crash in Australien bekam der Spanier Startverbot erteilt. Er hatte sich offenbar 2 Rippen angeknackst, wovon aber niemand wusste. Selbst McLaren wurde überrascht. Stoffel Vandoorne wurde kurzfristig als Ersatz aus Japan eingeflogen. Der Belgier schaffte es bei seinem F1-Debüt immehrin auf Rang 10 in die Punkte.
Die Formel 1 schrieb also wieder einmal genügend gute Geschichten. Dabei wäre uns Reportern nach dem Rennen eigentlich etwas weniger Action lieber. Durch die späte Startzeit verschiebt sich unser Feierabend immer bis nach Mitternacht. Und um 2 Uhr halten sich die Alternativen zum Abendessen stets in Grenzen. In Hotelnähe bietet nur noch ein kleines arabisches Restaurant warme Küche. Umgeben von schlaflosen Scheichs, die an ihren Wasserpfeifen nuckelten, ließen wir das Wochenende entspannt ausklingen.
In der Galerie zeigen wir Ihnen einige persönliche Eindrücke davon, was hinter den Kulissen beim GP Bahrain abgegangen ist.