Der britische Klassiker

Goodwood hat nie einen Formel 1 Grand Prix gesehen. Trotzdem ist die Strecke so berühmt wie Silverstone oder Brands Hatch. Nicht nur wegen des Festivals of Speed. Der Kurs im Süden von England spielte Schicksal für zwei große Rennfahrer.
Goodwood ist wie man sich eine englische Rennstrecke vorstellt. Naturbelassen, mitten im Grünen, zieht sich das Asphaltband in sanften Schwüngen in leichtem Auf und Ab durch eine Parklandschaft. Nur eine hässliche Schikane kurz vor Start und Ziel unterbricht den Rhythmus.
Wenn man die Strecke auf der Service-Straße umrundet und sie von den Erdwällen auf der Außenseite betrachtet, dann wirkt sie fast harmlos. Die Auslaufzonen scheinen für eine Strecke aus der Nachkriegszeit üppig bemessen. Doch der erste Eindruck täuscht. Goodwood kann eine grimmige Strecke sein.
Die großen Grünflächen am Kurvenausgang machen entgleiste Autos nicht langsamer sondern schneller. Und am Ende warten immer eine Leitplanke, Holzbohlen oder ein Erdwall, der so wenig nachgibt wie Beton.
Nun, ein bisschen hat sich Goodwood für die modernen Zeiten fit gemacht. Es fahren bei den Oldtimer-Veranstaltungen auch einige richtig schnelle und teure Autos mit, und die Herren, die sie fahren, lassen es krachen. Vor den Erdwällen liegen heute verschämt ein paar Reifenstapel und am Ausgang von Woodcote Corner fängt ein Kiesbett Unfallpiloten auf.
Rennstrecke ohne Grand-Prix-Rennen
Goodwood hat keinen einzigen Grand Prix gesehen. Trotzdem kennt die Strecke im Süden von England jeder Motorsport-Fan. Weil die Formel 1 trotzdem in Goodwood gefahren ist. Im Rahmen der Glover Trophy fanden zwischen 1949 und 1965 insgesamt 17 Formel-1-Rennen ohne WM-Status statt. Stirling Moss und Jim Clark haben je zwei Mal gewonnen, John Surtees, Graham Hill, Mike Hawthorn und Froilan Gonzalez ein Mal.
In Goodwood fanden auch drei Neunstunden-Rennen und sieben Läufe zur Tourist Trophy statt. Damals pilgerten fast so viele Fans in die Grafschaft Sussex wie beim Festival of Speed oder dem Goodwood Revival. Bis in die 70er Jahre war Goodwood die beliebteste Teststrecke der englischen Teams. Cooper, Vanwall, Lotus, Brabham und McLaren hatten Hausrecht auf dem anspruchsvollen 3,809 Kilometer langen Kurs.
Die Runde beginnt mit einer elend langen Rechtskurve namens Madgwick. Sie ist aus der Cockpitperspektive schwer einzusehen und ändert ihren Radius. Nach einer kurzen Gerade geht es Vollgas durch Fordwater, bevor die Streckenführung im St. Mary’s-Komplex abrupt nach rechts und dann nach links abbiegt.
Es ist die Kurve, in der am 23. April 1962 die Karriere von Stirling Moss zu Ende ging. Ausgelöst vermutlich durch einen festgeklemmten Gaszug fuhr Moss mit seinem Lotus schnurstracks in einen Erdwall am Ausgang von St. Marys Corner. Es dauerte eine halbe Stunde, bis man den Unglückspiloten aus dem Wrack geschnitten hatte.
Der beste Fahrer seiner Zeit erlitt so schwere Verletzungen, dass er 28 Tage in ein Koma fiel und für mehrere Wochen halbseitig gelähmt war. Es dauerte fast ein Jahr, bis Moss wieder halbwegs genesen war. Der Versuch eines Comebacks wurde nach einem Test abgeblasen. Moss war der Meinung, dass seine Reflexe und sein Sehvermögen gelitten hatten.
Tödlicher Unfall von Bruce McLaren
Goodwood wird auch immer in einem Atemzug mit Bruce McLaren genannt. Der Neuseeländer verbrachte an einem sonnigen Sommertrag des 2. Juni 1970 den ganzen Vormittag damit, das neue Can-Am-Auto M8D für den ersten Lauf im kanadischen Mosport vorzubereiten.
McLaren kannte Goodwood wie seine Westentasche. Wenn er St. Mary‘ s hinter sich gelassen hatte, pflegte er die 740 PS starken Can-Am Bomber in leichtem Drift aus der 100 km/h schnellen Lavant-Kurve in die folgende Gerade hinein rutschen zu lassen. Eigentlich war es keine Gerade. Mitten drin macht die Strecke durch eine Senke eine leichte S-Kurve. Dort hat der McLaren M8D seine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h erreicht.
Es passierte in der ersten fliegenden Runde vor dem letzten Test-Lauf vor der Mittagspause um 12.22 Uhr Ortszeit. Die Motorverkleidung des "Batmobile" getauften Autos hatte sich im Linksknick der Gerade gelöst. Bruce McLaren krachte breitseits in einen gemauerten Unterstand für Streckenposten und wurde aus dem Auto geschleudert. Die Trümmer waren über 100 Meter verstreut. Der Neuseeländer starb noch am Unfallort.
Die Woodcote-Rechtskurve, ein Linksbogen und die enge Schikane, komplettiert die Runde. Das Geschlängel vor Start und Ziel wurde für viele Autos zum Schrottplatz. Für echte Rennen genügte Goodwood nicht mehr den Sicherheitsanforderungen des Verbandes. Geändert hat sich seit dem letzten Rennen im Juli 1966 nicht viel. Genau das macht den Charme von Goodwood noch heute aus. Wer hier herkommt, atmet echte britische Rennsportatmosphäre ein.
In der Galerie zeigen wir Ihnen einige Fotos, auf denen Sie sehen können, wie es heute in Goodwood aussieht.
Streckendaten
- Lage: 10 km, nördlich von Chichester
- Länge: 3,809 km (1948-1966)
- Breite: 9,0 m
- Rechtskurven: 7
- Linkskurven: 3
- Schnellster Teil: Lavant Straight
- Langsamster Teil: The Chicane
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Rekord: 1.18,217 min = 175,312 km/h (Nick Pardmore, Lola T70)