Mercedes C 350e und 190 E 2.5-16 Evo II im Fahrbericht
Sie eint, die stärksten Mercedes 190er-/C-Klasse-Vierzylinder ihrer Epoche zu sein. Sie trennt ein Vierteljahrhundert Entwicklung und eine gänzlich andere Antriebsphilosophie. Ein Treffen auf der Rennstrecke zwischen dem Mercedes C 350e und dem Mercedes 190 E 2.5-10 Evo II.
Wir tun ja gerne so, als hätte die sportive Autowelt früher nur aus Sechszylindern aufwärts bestanden. Früher war alles so gut, wie es heute nie mehr sein kann. Sie wissen schon: Damals kostete der Sprit nix, und gehalten haben die Autos ewig – zumindest bis zum nächsten Austauschmotor. Beharrlich zetern wir also, oft zu Recht, über die Miniaturisierung des Motors im Zuge des Downsizing. Wie konnte BMW den M3 vom Acht- zum Sechszylinder degradieren? Wieso fehlen dem neuen Mercedes C 63 AMG 2,2 Liter Hubraum? Wieso steht kein Schampus in meinem Büro? Und vergessen dabei: Eine Menge vierrädriger Sporthelden haben ihre Karriere mit vier Zylindern begonnen.
Erinnern Sie sich noch, wie magisch in den 80er- und 90er-Jahren das Kürzel 16V klang? Vier Ventile pro Zylinder, dieser Inbegriff des erreichbaren Sportmotors mit so grandiosen Maschinen wie der im Opel Kadett GSI 16V mit Cosworth-Zylinderkopf. Oder der Mercedes 2.3-16, ebenfalls bearbeitet vom englischen Rennspezialisten. Dabei war der 2,3er noch nicht die Krönung. Die kam 1990 mit dem 2.5-16 Evo II und einem Heckbrett, breit wie eine Bierbank. Also 2,5 Liter kurzhubiger Raum, der mit viel Drehzahl 235 PS erkämpft. Was für eine Zahl damals! Und was für Duelle gegen den BMW M3, als die DTM noch nicht aus einer Perlenkette von auf der Ideallinie prozessierenden Abtriebsmonstern bestand. Damit war der auf 500 Exemplare limitierte Evo II mit Abstand der stärkste Vierzylinder im 190er-Programm
Mercedes C 350e mit 279 PS
Diese Potenz trug er stolz wie ein Arschgeweih nach außen: „Der Mercedes in den Zeiten des Bodybuildings zeigt sich der Welt ganz unbekümmert als Plast-Kraftwagen für den Sporteinsatz“, textete auto motor und sport schon 1989 über den Evo I. Bodybuilding ist heute noch so in wie auftoupierte Föhnfrisuren. Also sieht der jetzt stärkste Vierzylinder im C-Klasse-Programm brav wie ein schwäbischer Messdiener aus. Feinstes Understatement für ein nicht nur im Verhältnis zu damals echtes Powerpaket: 279 PS und 600 Nm. Werte, für die es 1990 schon eines Ferrari 348 tb bedurfte. Übrigens mit eher possierlichen 317 Nm. Während aber sowohl beim Ferrari wie beim Evo II der Sprit floss wie Chianti bei einer toskanischen Landhochzeit, begnügt sich der Plug-in-Hybrid-Schwabe C 350e mit geizigen 2,1 Litern pro 100 km. Laut – räusper – EU-Norm.
DTM-Sound und die Verwandlung in Bernd Schneider
Die Norm ist ein statistisch mögliches Verbrauchskonstrukt bei fleißigem zweistündigen Laden an der Steckdose. Stellen Sie sich in der Praxis auf Werte zwischen null und zehn Liter pro 100 km ein – je nach Strecke.
Also stehen die beiden Vierzylinder.Sternenkreuzer nun wie Monumente ihrer Auto-Epoche auf dem portugiesischen Rennkurs Portimão bei Faro. Auf der einen Seite das extrovertiert-trinkfreudige Hochdrehzahl-Monster, auf der anderen das Sport-Öko-Hybrid-kann-alles-nur-nicht-stricken-Kraftfahrzeug. Beide eint eine fast meditative Ruhe beim Start. Beim C 350e ist es die logische Konsequenz des e für Elektroantrieb. Eine 60 kW (82 PS) starke synchrone Kraft-Scheiblette zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe sorgt für bis zu 31 km rein elektrische Reichweite aus netto 6,4 kWh Energieinhalt des Lithium-Ionen-Akkus. Locker erzielbar mit etwas Rückenwind und Gefälle. Im reinen E-Modus der vier möglichen Hybrid-Modi schiebt die doppelgekuppelte C-Klasse herrlich sanft, leise und 340 Nm stark voran. Baldrian für lärmgestresste Innenstädte. Der wohl angenehmste Nebeneffekt der Elektromobilität.
Aber auch im alten Haudegen herrscht noch Ruhe. Untertourig gleitet der Evo mit akutem Dampfmangel, leise brummend wie ein x-beliebiger Vierzylinder. „Tadellose Laufruhe“, wertete auto motor und sport damals. Genau so was will ein Sportmotor ja hören. Für die moderne Generation Turbo-Drehmoment wird die erste Begegnung mit dem Pausbacken-Mercedes ernüchternd wie ein alkoholfreier Junggesellenabschied. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Denn ab 4.500 Touren gibt’s Schnäpse aufs Haus. Dann grölt der Evo mit Inbrunst die alte DTM-Hymne aus seinen Endrohren. Ein trotziger Vortrag über Brüllen, Fauchen und Sägen. Fast hakelfrei hangelt sich der Pilot während des Konzerts durch die typische H-Schaltung mit Rückwärtsgang links vorne. Endlich brennt der Asphalt – also nach damaligen Dimensionen. Gefühlt bist du der Bernd Schneider von Portimão. Zumindest so lange, bis dieses unscheinbare silberne Ding mit seinen LED-Brennern durch deinen Heckflügel glotzt.
Dann überdrückt der Fahrer im Plug-in lässig die Kickdown-Schwelle des Automaten und lässt den 2,1 Liter großen turbobeatmeten Vierzylinder ebenfalls ran. Noch mal 211 PS und 350 Nm kurbeln nun zusätzlich an der Welle. Für alle, die jetzt bei 279 PS Gesamtleistung einen Rechenfehler vermuten: Ein E-Motor hat untenrum viel Dampf. Ein Verbrennungsmotor obenrum. Beide zusammen aber eben nicht bei der gleichen Drehzahl das Maximum.
Mercedes C 350e von in 5,9 Sekunden von 0-100 km/h
Schon bei der Beschleunigung auf 100 km/h liegt mit 5,9 statt 7,1 Sekunden eine Welt zwischen der C-Klasse und dem 190er, beim Durchzug ist es eine komplette Galaxie. Ansatzlos und mit feinsten Manieren jagt der Plug-in-Hybrid am Evo vorbei, bremst sich später an die Spitzkehre heran, um mit subtilem Grunzen wieder herauszubeschleunigen. Du ziehst den Hut vor dieser eindrucksvollen Leistung schwäbischer Ingenieurskunst. Diesem eingesprungenen Spagat zwischen Sparen und Sport. Diesem je nach Modus zwischen direkt und weich changierenden Gaspedal und der Einberechnung der Topografie in die hybride Betriebsstrategie. Diesem Komfort. Nur dein Puls, der wundert dich etwas.
Der ist ruhiger und langsamer als bei der Fahrt im alten Stern. Der hat dich mit ein und demselben Gaspedaldruck gepackt und auch gefordert, wenn das Heckbrett reifenqualmend zum Ausflug in die portugiesische Botanik ansetzt. Mal liebst du, mal hasst du den Evo, aber nie lässt er dich emotional allein. Er kann keinen Spagat, aber dafür eine Menge Spannung.
In Mister Hightech gibt’s keinen Flügel und auch keine breiten Drifts, weil das ESP nie komplett ausschaltbar ist. Er ist eben keiner für den Seitensprung. Ein vernünftiger Kerl, Typ perfekter Schwiegersohn. Man sollte beide mit nach Hause nehmen.