Handtuch kommt ferngesteuert
Drei Tage lang hat sich die Formel 1 Gedanken um die Siegerehrung nach Corona-Sicherheitsnormen gemacht. Man hat bei den Rahmenrennen geübt und dann ein Prozedere aus dem Hut gezaubert, das nur entfernt an die übliche Zeremonie erinnert.
Was ist an einer Siegerehrung so kompliziert, dass man da drei Tage lang ernsthaft darüber nachdenken muss? In Corona-Zeiten ist offenbar alles schwierig. Sogar die scheinbar einfachsten Prozeduren müssen auf den Prüfstand. Auch wenn nicht einzusehen ist, wie man sich bei einer Siegerehrung mit dem Virus infizieren kann.
Die übliche Empore für die Siegeszeremonie bleibt jedenfalls geschlossen. Da könnten sich die drei Fahrer auf der Treppe und später auf dem Podest zu nahe kommen. Mindestens einer von ihnen kommt ja aus einer anderen Blase. Somit war klar, dass die Örtlichkeit verlegt werden muss.
Zwei Tage lang wurde bei den Rahmenrennen geübt, was der beste und sicherste Ersatz für die gewohnte Siegerehrung sein könnte. Die Formel 3-Fahrer feierten in der Boxengasse, dort wo sich sonst der Parc Fermé befindet. Die Formel 2-Ehrung fand auf der Zielgerade statt.
Und genau dort wird auch die Königsklasse ihre Sieger ehren, wie das Dokument 37 der Rennleitung fünf Stunden vor dem Start des Grand Prix mitteilte. Der Ablauf ist auf zwei Seiten und in 19 Punkten festgehalten. Manche Vorschriften sind so kurios, dass man sie festhalten muss.
Jo Bauer bringt die Handwaage
Es geht damit los, dass die Ersten die Letzten sein müssen. Die Top 3 sind angehalten in der Ehrenrunde hinter Kurve 1 so abzubremsen, dass sie an das Ende des Feldes rutschen. Anstatt in den Parc Fermé abzubiegen, parken sie in Formation auf der Zielgerade.
Dort ist nur ein Minimum an Personal erlaubt. Pro Auto eine begrenzte Zahl an Mechanikern, um die Kühlaggregate anzubringen. FIA-Funktionäre, akkreditierte TV-Crews und drei Fotografen sind ebenfalls dabei. Ausdrücklich keine Physiotherapeuten oder Pressereferenten der Teams.
Die Fahrer müssen in voller Montur warten, bis sie gewogen sind. Dazu bringt der FIA-Technikdelegierte Jo Bauer extra eine Handwaage mit. Dann führt Sky-Mitarbeiter Jenson Button die Siegerinterviews durch. Selbstverständlich mit Maske, obwohl alle Beteiligten angehalten sind auf einen Zwei-Meter-Abstand zu achten.
Champagner bleibt erlaubt
Der Gesichtsschutz muss auch bei der Siegerehrung getragen werden. Und jetzt aufgepasst! Dieser Punkt schlägt alles. Drei per Fernsteuerung bewegte Serviertische bringen Wasserflaschen und Handtücher zu den Fahrern. Alle anderen Getränke sind verboten.
Dann müssen sich die Fahrer zu provisorischen Podesten bewegen, die im gebührenden Abstand das Podium ersetzen. Zur Nationalhymne werden virtuelle Flaggen gehisst. Echte wären ein zusätzliches Risiko.
Immerhin: Es darf Champagner verspritzt werden. Wenigstens ein bisschen Normalität. Die endet dann schon wieder mit den Pressekonferenzen. Sie finden wie üblich ohne Medien im Erdgeschoss der Haupttribüne statt. Die Fragesteller sitzen drei Stockwerke darüber und sind digital zugeschaltet.