Albon muss auf die Ersatzbank
14 Wochen musste Sergio Perez um seinen Verbleib in der Formel 1 bangen. Kurz vor Weihnachten wendet sich alles zum Guten für den Mexikaner. Perez wechselt zu Red Bull, wie der Rennstall am Freitag (18.12.2020) offiziell macht. Dafür rückt Alexander Albon ins zweite Glied.
Red Bull musste sich verstärken. Zu groß waren in dieser Saison die Unterschiede zwischen den beiden Fahrern. Mit einem Max Verstappen allein wird man nicht Weltmeister. Selbst das Ausnahmetalent braucht im Kampf gegen die schier übermächtigen Mercedes das richtige Auto. Und er braucht die Unterstützung vom Teamkollegen. Sonst hat Mercedes mit zwei gegen einen Fahrer auf Dauer taktisch einen zu großen Vorteil.
Auch für den Konstrukteurspokal braucht Red Bull eine starke Nummer zwei. Einen Fahrer, der zuverlässig punktet und wenn möglich auf das Podest fährt. Oder sogar gewinnt, wenn es die Umstände erlauben. Die Mannschaft aus Milton Keynes lechzt nach sieben Jahren der Mercedes.Dominanz nach WM-Titeln. Zuletzt gab es die 2013. Im kommenden Jahr soll endlich der Großangriff erfolgen. Mit verbessertem Auto und neuem Fahrer-Duo. Die Wahl fiel neben Verstappen auf Sergio Perez, der einen Einjahresvertrag unterschrieb.
Mit dem RB16B sieht sich Red Bull nach einer Technikoffensive bis zuletzt auf dem richtigen Weg. Zum Saisonstart 2021 will man Mercedes endlich auf Augenhöhe begegnen, und nicht wieder einem Rückstand hinterher laufen. Bei der Besetzung des zweiten Cockpits bessert Red Bull nach. Die Teamführung um Sportchef Helmut Marko und Teamchef Christian Horner stellt Alexander Albon ins zweite Glied und verpflichtet dafür den mexikanischen Routinier, der in seiner Laufbahn 191 Grand Prix bestritt, in meist unterlegenen Autos zehn Mal auf das Podest fuhr und in dieser Saison sogar erstmals ein Rennen gewann. Der größte Gegner gratuliert: "Red Bull gewinnt einen Fahrer mit großer Erfahrung und gutem Speed. Ich sehe Perez als Verstärkung für sie. Sie werden ein noch größerer Rivale", sagt Mercedes.Teamchef Toto Wolff.
Verstappen braucht starken Rückhalt
In der abgelaufenen Saison sammelte Lewis Hamilton im Mercedes in 17 Rennen 28 Punkte mehr als Verstappen und Albon zusammen. Am Niederländer lag es nicht. 67 Prozent der WM-Punkte steuerte Verstappen bei – mit elf Podestplätzen und zwei Siegen. Albon verlor das Qualifikationsduell mit 0:17. Und der Thailänder unterlag nach Punkten mit 214 zu 105.
Zwei Podestplätze waren Red Bull nicht genug. Albon strauchelte über weite Strecken der Saison mit dem losen Heck des RB16, während der Teamkapitän die Probleme mit dem Auto umfuhr. Auch Verstappens Laune drehte sich. Nach anfänglichen Komplimenten für den Teamkollegen äußerte er gegen Saisonende mal direkte, mal versteckte Kritik an Albons Leistungen. Man konnte es auch als Aufforderung an die Teamleitung zum Handeln deuten.
Verstappen war Einzelkämpfer im Duell mit den Mercedes. Albon konnte ihn in den meisten Fällen nicht unterstützen. Weder indem er Lewis Hamilton und Valtteri Bottas auf der Strecke beschäftigte noch taktischer Natur. Warum man eine zuverlässige Nummer zwei braucht, wurde im Saisonfinale offensichtlich. Da hielt sich Albon im Windschatten der Mercedes, sicherte Verstappen nach hinten ab, indem er jegliche strategische Überlegung der Weltmeister unterband. Zu spät, um das Stammcockpit zu retten.
Diesen Rückhalt glaubt Red Bull nun in Perez gefunden zu haben. Der 30-Jährige wurde im September von Racing Point nach sieben gemeinsamen Jahren vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Team, das 2021 als Aston Martin an den Start geht, köderte Sebastian Vettel nach Silverstone und behält Lance Stroll, Sohn des Teambesitzers Lawrence Stroll, an der Seite des Ex-Weltmeister. Da war für Perez kein Platz mehr.
Perez nach Analyse Red Bulls Mann
14 Wochen später ist die Frage nach seiner Zukunft beantwortet. Es greift Plan A des Mexikaners. Perez wechselt zu Red Bull. Plan B wäre ein Jahr Pause gewesen. Plan C die Rolle als Ersatzfahrer bei einem Spitzenteam. In seiner elften Saison in der Formel 1 wird der Sieger des Grand Prix von Sakhir endlich ein Spitzenauto fahren. Das blieb Perez bisher vergönnt, trotz seiner unbestrittenen Qualitäten.
Nach zwei Jahren bei Sauber wechselte der Mann aus Guadalajara 2013 zu einer vermeintlichen Spitzenmannschaft. Doch für McLaren hatte zu dieser Zeit bereits eine Periode des Abschwungs begonnen. Nach nur einer Saison in Woking dockte Perez bei Force India an. Und etablierte sich dort als einer der zuverlässigsten Fahrer. 2020 belegte er den vierten WM-Platz, obwohl Perez wegen einer Corona-Erkrankung zwei Rennen aussetzte und zwei Mal wegen Technikdefekt ausfiel.
Albon rückt ins zweite Glied. 12 Punkteplatzierungen waren nicht genug, um das Cockpit zu verteidigen. Red Bull lässt ihn nicht fallen, sondern macht ihn zum Edelreservisten. Albon wird in Milton Keynes Test- und Ersatzfahrer, und vor allem häufig im Simulator bei der Abstimmungsarbeit und Weiterentwicklung unterstützen. Sein Hauptaugenmerk liege auf der Entwicklungsarbeit für das 2022er Auto und Reifentests.
Die Rolle als dritter Fahrer ist keine schlechte. So nimmt Red Bull seinem Fahrer den Druck von den Schultern, zieht ihn aus der Öffentlichkeit zurück und kann ihn in den nächsten Monaten weiter ausbilden. Und wir alle wissen, wie schnell aus einem Ersatz- ein Einsatzfahrer werden kann. Das Corona-Virus wird den GP-Zirkus auch 2021 noch beschäftigen.
Während Perez eine vorzeitige Bescherung erlebte, geht Nico Hülkenberg auch 2021 leer aus. Der Rheinländer wurde als Außenseiter gehandelt. Sein Problem: Während Perez und Albon sich Woche für Woche beweisen mussten und durften, hatte Hülkenberg nur drei Grand Prix, um sich zu empfehlen. Zu wenig für Red Bulls Verantwortliche, die sich nach einer ausführlichen Datenanalyse für Perez und gegen Albon und Hülkenberg entschieden.