Formel 1 trotz Sparkurs
Renault hat die Fragezeichen über einem Verbleib in der Formel 1 weggewischt. Interimschefin Clotilde Delbos verkündete, dass die Franzosen trotz Milliarden-Einsparungen und Stellenabbau in der Königsklasse bleiben. Die neuen finanziellen Rahmenbedingungen in der Formel 1 gaben den Ausschlag.
Renault verordnet sich einen rigorosen Sparkurs. In den nächsten drei Jahren will der französische Autobauer seine Fixkosten um mehr als zwei Milliarden Euro verringern. Dazu will Renault in Frankreich rund 4.600 Stellen abbauen. Weltweit kommen noch mehr als 10.000 Arbeitsplätze hinzu, die wegfallen sollen.
Die wirtschaftlichen Einbußen aufgrund der Coronakrise zwingen den Autobauer, der weltweit etwa 180.000 Personen beschäftigt, zu den drastischen Einschnitten. Die französische Regierung, die 15 Prozent an Renault hält, drängt auf den neuen Kurs. Renault muss schlanker und effizienter werden, damit ein staatlich garantierter Kredit von fünf Milliarden Euro fließt. Das Sparprogramm wurde am Freitag (29.5.2020) verkündet.
Werbe- und Imagewert der Formel 1
Auch die Formel 1 hörte gespannt zu. In den letzten Wochen waren ein paar Fragezeichen über dem Werks-Engagement Renaults in der Königsklasse gehangen. Ähnlich wie bei Daimler gibt es Stimmen im Umfeld, dass ein Formel-1-Programm nicht mit einem Sparkurs, Kurzarbeit und gar einem umfangreichen Stellenabbau vereinbar sei. Bei Renault umso mehr, weil doch die Erfolge auf der Rennstrecke verglichen mit Abonnement-Weltmeister Mercedes ausblieben, so die Argumentation der Gegner.
Renaults Interimschefin Clotilde Delbos bereitete den Spekulationen am Freitag in einer Telefonkonferenz mit Analysten ein Ende. Renault bleibt in der Formel 1 – auch über 2020 hinaus. "Wir haben es bereits öffentlich gesagt, und wir können bestätigen, dass wir der Formel 1 gegenüber treu bleiben." Der Autobauer bekennt sich zur Königsklasse und will den neuen Rahmenvertrag, der ab 2021 greift, unterschreiben.
Der französische Werksrennstall hatte es in den letzten Jahren zwar nicht geschafft, zu den Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull aufzuschließen. Im Gegenteil: Im Vorjahr verdrängte sogar McLaren, das mit Renault-Motoren fährt, die Franzosen vom vierten auf den fünften Platz in der Team-WM. Doch man darf den Werbe- und Imagewert eines solchen Engagements in der Topklasse des Motorsports nicht unterschätzen. Da kommen mehrere hundert Millionen – im Fall von Mercedes sogar Milliarden – zusammen.
F1-Sparprogramm hilft Renault
Die Formel 1 hat sich für die Zukunft ihr eigenes Sparprogramm verordnet. Ab 2021 werden die Ausgaben der Teams auf 145 Millionen Dollar gedeckelt. Das schwächt die Topteams und ist nicht nur ein Schritt zu einem ausgeglicheneren Feld, sondern dürfte zusammen mit einer gerechteren Geldverteilung dazu führen, dass die Formel 1 für die Rennställe kein Verlustgeschäft mehr ist. Denn es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Coronakrise auch die Fahrergehälter, eine Ausnahme des Budgetcaps, nach unten gehen. Clotilde Delbos frohlockt: "Die Ankündigung der neuen Finanzregeln sind sehr gut für uns, weil wir weniger in diese Disziplin investieren müssen als manche unserer Wettbewerber, die derzeit viel Geld ausgeben."
Hersteller wie Mercedes, Ferrari und Renault, die ausreichend Sponsoren als Einnahmequelle zur Hand haben, müssten aus eigener Tasche nur noch die Motorenentwicklung finanzieren. Dort fielen in der Vergangenheit zwar hohe Kosten an, doch auch hier schreitet die FIA für die Zukunft ein. Schon ab diesem Jahr werden die erlaubten Prüfstandsläufe reglementiert.
Die Kostensenkungen und der weitere Zukunfts-Fahrplan der Königsklasse haben Renault in seinem Bewusstsein gestärkt, dass sich die Formel 1 als Marketing-Instrument durchaus lohnt. Ab 2022 greift ein völlig neues Chassis-Reglement. Renault hat bereits alle Ressourcen darauf ausgerichtet.
Und die Franzosen werden im Gegensatz zu den Topteams ihre Mannschaft nicht groß umbauen müssen. Ferrari, Mercedes und Red Bull werden gesundschrumpfen müssen. Heißt: Sie müssen Strukturen umbauen. Das kostet Hirnschmalz und könnte zu internen Reibereien führen. Renault beschäftigt in der Chassis-Abteilung Enstone derzeit rund 700 Angestellte. Da droht trotz Budgetdeckelung keine Entlassungswelle. Es ist Renaults große Chance, mit den Topteams gleichzuziehen und um Siege, vielleicht sogar die Weltmeisterschaft, zu kämpfen.
Klar, bis 2022 wird Renault warten müssen. Doch es macht mehr Sinn, bis dahin zu leiden, als jetzt den Stecker zu ziehen. Dann wären alle Investitionen, der Umbau in Enstone und der Motorenfabrik in Viry-Châtillon umsonst gewesen.
Wen holt Renault?
Die Formel 1 sorgt sich auch um die Nachhaltigkeit der Rennserie. Ab 2023 könnte die Königsklasse mit rein synthetischen Kraftstoffen fahren. Spätestens bis 2030 soll der Fußabdruck der Formel 1 CO2-neutral sein. Das sind Argumente, die ein Hersteller wie Renault braucht, um das Werksprogramm in einer Zeit zu rechtfertigen, in der Umwelt und Nachhaltigkeit verstärkt auf die Agenda kommen.
Jetzt braucht Renault nur noch eine starke Fahrerpaarung. 2020 hat man diese, doch es fehlt das Auto. Daniel Ricciardo und Esteban Ocon werden mit dem R.S.20 nicht gegen die Topteams konkurrieren können. Doch Renault hofft wenigstens darauf, wieder Vierter zu werden. Die Ergebnisse der Wintertestfahrten wertete die Teamführung um Cyril Abiteboul jedenfalls als positives Indiz dafür.
Ricciardo verlässt am Saisonende das Team. Das zweite Cockpit im Werks-Rennwagen muss Renault neu besetzen. Die Franzosen werden mit Blick auf 2022 handeln. Spätestens dann braucht Renault zwei starke Fahrer – und endlich ein sehr gutes Auto.