Versteckspiel aus Prinzip
Bei der Präsentation neuer Autos sollten eigentlich die Autos die Stars sein. Und die Ingenieure sollten darüber reden. Stattdessen versteckte die Formel 1 ihre Stars, und die Ingenieure schweigen. Wer mehr Fans gewinnen will, sollte mit offenen Karten spielen, meint Michael Schmidt
Motorsport ist Wettkampf auf drei Ebenen. Mensch gegen Mensch, Maschine gegen Maschine, Team gegen Team. Die Fahrer sind die Stars, die Autos die Raubtiere in der Manege. Die Wochen, in denen die Formel 1 ihre neuen Autos vorstellt, sind ein wichtiges Schaulaufen für die Fans.
Mit dem ersten Lebenszeichen der Branche nach der langen Winterpause beginnt ein Spannungsbogen, der die Zuschauer auf die Saison einstimmen soll. Präsentation, Testfahrten, Saisonstart. Dieses Jahr hat die Formel 1 einen Fehlstart hingelegt.
Dabei wäre es gerade in der dunklen Zeit des weltweiten Lockdowns so wichtig gewesen, das Interesse neu anzufachen. Begeisterung speist sich aus Information. Stattdessen glänzten die meisten Team. mit Gemeinplätzen und Geheimniskrämerei. Ich muss meine Raubtiere schon zeigen und erklären, wenn ich das Publikum hinter dem Ofen hervorlocken will.
Von einigen Autos gab es noch nicht einmal ein Foto. Von den anderen nur schlechte. Die Computergrafik hat Hochkonjunktur. Weil man da weglassen kann, was man nicht zeigen will. Dabei war das Versteckspiel noch nie so lächerlich wie diesmal. Die meisten Autos sind ohnehin nur B-Versionen ohne den großen Zaubertrick.
Die Token-Regel verhindert, dass Konzeptänderungen kopiert werden. Außer sie wären auch 2022 noch relevant. Die Budgetdeckelung und der Druck, sich möglichst früh auf 2022 zu konzentrieren, verbieten größere aerodynamische Eingriffe. Mal ehrlich: Was bringt es meinem Gegner, wenn er weiß, dass ich meine Token in ein neues Getriebe investiert habe?
Formel 1 mauert sich ein
Jetzt hätte man endlich mal die Chance gehabt, das wenige Neue zu zeigen, da mauert sich die Formel 1 mehr ein als je zuvor. Technische Daten? Fehlanzeige. Es wird nur kommuniziert, was sowieso im Reglement steht. Was spricht dagegen, die Abmessungen der Autos bekanntzugeben? Ein technischer Sport lebt von technischen Informationen. Der Gegner findet es sowieso innerhalb von wenigen Stunden heraus. Alle haben Programme, die anhand von Fotos Länge, Breite, Höhe und Radstand berechnen.
Bei den Videokonferenzen kamen hauptsächlich die Team.hefs und die Fahrer zu Wort. Dabei wäre das mal der Moment gewesen, den Ingenieuren die Bühne zu überlassen. Leider haben die, die sie bekommen haben, auch nicht viel gesagt. Alpine-Chassisdirektor Pat Fry antwortete auf die Frage, warum man so ein Geheimnis um nicht kopierbare Techniklösungen mache. "Weil wir das seit 30 Jahren so machen." Ach so.
Leider lässt sich auch die Formel 1 vom Digitalisierungs-Wahn erfassen. Da wird die Verpackung wichtiger als der Inhalt. Williams wollte sein neues Auto mit Unterstützung von Augmented Reality vorstellen. Der FW43B wäre dann auf Ihrem Schreibtisch oder vor die Garageneinfahrt projiziert worden. Zum Glück wurde die App gehackt. So blieb uns wenigstens das erspart.
Stattdessen bekamen wir ein paar pixelige Kinderzeichnungen präsentiert. Wir haben gelernt, dass die Ingenieure schon 2020 einen Token gezogen haben, aber man sagt uns nicht wo. Als ob man sich vom langsamsten Auto im Feld etwas abschauen wollte.