Ohne Österreich keine Saison
Am Wochenende geht die F1-Saison 2020 endlich los. Das Projekt Spielberg schaffte es nach Absagen anderer Strecken ein tragfähiges Sicherheitskonzept zu erstellen. Red Bull-Sportchef Helmut Marko ist überzeugt: "Ohne uns wäre die Saison nicht in Schwung gekommen."
Einer musste es tun. Einer musste beweisen, dass es möglich ist. Melbourne scheiterte drei Stunden vor dem ersten Training daran. Die Grand Prix von Bahrain, Vietnam, China, Holland, Spanien, Monaco, Aserbaidschan, Kanada und Frankreich wurden entweder abgesagt oder verschoben. Zeitweise musste man befürchten, dass diese 71. Formel 1-Saison der Geschichte komplett ins Wasser fällt. Deshalb war es wichtig, dass einer demonstriert, dass es doch geht.
Im Prinzip ist die Situation vergleichbar mit dem Fußball. Dort wurde zunächst auch stark angezweifelt, dass Geisterspiele funktionieren. Die Deutsche Fußball.Liga entwickelte trotzdem ein Sicherheitskonzept gegen alle Bedenkenträger. Es hat sich bis zum letzten Spieltag bewährt und ist jetzt Vorbild für andere europäische Ligen.
Für die Formel 1 war die Aufgabe ungleich schwerer. Es sind mehr Leute involviert als beim Fußball, die obendrein auch noch aus unterschiedlichen Ländern anreisen. Es ist ein weltumspannender Zirkus, der die Gesetze vieler Länder beachten muss. Und die Rennen finden im freien Gelände und nicht in einem Stadion statt, was es wesentlich schwerer macht, ungebetene Zuschauer fernzuhalten. Einziger Vorteil: Motorsport ist keine Kontaktsportart.
Konzept wurde nur ein Mal nachgebessert
Die Veranstalter des GP Österreich sahen bei all den Absagen die einmalige Chance, Geschichte zu schreiben und Anschubhilfe für ein Geschäft zu leisten, das dringend Geld einspielen muss. Noch nie hat eine Formel 1-Saison in Österreich begonnen. Noch nie gab es zwei Grand Prix in der Alpenrepublik, und das gleich direkt hintereinander. Am Wochenende schaut die gesamte Motorsportwelt nach Spielberg. Mehr Werbung in eigener Sache kann man sich nicht wünschen.
Red Bull-Sportchef Helmut Marko begann mit dem Gedanken eines Saisonstarts in Österreich zu spielen, als der GP Kanada abgesagt wurde. "Da habe ich Chase Carey angerufen und ihm gesagt: Wir sind in der Lage einen Grand Prix zu organisieren. Dann haben wir mit Liberty verhandelt, wie wir die Verträge ändern müssten."
Damit war aber nur der erste Schritt getan: "Dann bin ich zu Mateschitz gegangen", erinnert sich Marko. "Es wurde durchbesprochen und dann gab es von oberster Stelle wie bei uns üblich ganz unbürokratisch ein Ja. Danach wurden die ersten Kontakte mit der Regierung aufgenommen. Auch von dort gab es die Bereitschaft das ganze unter strengen Auflagen zu genehmigen. Das war der Moment an dem das Projekt Spielberg seine Arbeit aufgenommen hat."
Zunächst war die steirische Landesregierung mit ihrem Landeshauptmann und Sport-Landesrat involviert. Dann wurde die Angelegenheit nach Wien zu Vize-Kanzler Werner Kogler weitergetragen. Der ist in Österreich für den Sport zuständig. Auch die Landesregierung zeigte Wohlwollen, unter der Prämisse, dass die Sicherheitsauflagen alle erfüllt werden.
Marko verrät: "Das ursprüngliche Konzept wurde nur ein Mal nachgebessert. Unser Vorteil war, dass wir über unser Engagement in der Deutschen Fußball-Bundesliga schon eine gute Vorlage hatten. Das wurde dann für unsere Bedürfnisse angepasst. Natürlich irrsinnig detailliert und übervorsichtig."
Was dem Doktor auch einige Opfer abverlangt. "Ich muss in Spielberg im Hotel bleiben. Es ist das erste Mal, dass ich nicht zurück nach Graz fahren kann. Ich darf nicht einmal mit unseren Fahrern aus der Formel 2 und Formel 3 sprechen, weil die in einer anderen Blasen leben müssen. Aber die zwei Rennen in Österreich sind die Musterveranstaltung für den Rest der Saison. Das muss funktionieren. Wenn es bei uns klappt, ist die Chance groß, dass die Saison positiv über die Runden geht. Hätten wir das nicht so auf die Beine gestellt, wäre auch der Rest der Saison in Frage gestanden."
Notfalls Quarantäne in Österreich./strong>
Bei so einer komplexen Veranstaltung wie der Formel 1 gab es mehrere Hürden zu überspringen. Das Sicherheitskonzept musste nicht nur von den einheimischen Behörden abgezeichnet werden, es ist auch so geschrieben, dass es als Blaupause für andere Länder taugt. FIA und F1-Management besserten das Projekt Spielberg noch mit einem 73-seitigen Plan unter dem Titel "Return to Racing" nach.
Für Marko war das größte Hindernis rückblickend der Nachweis, eine Veranstaltung sicher abhalten zu können, obwohl viele Nationen vertreten sind. "Am Anfang war da schon die Angst, auch in der Bevölkerung, dass aus Italien wieder etwas eingeschleppt werden könnte. Diese Angst mussten wir den Leuten nehmen, ihnen zeigen, dass sich da keine Fahrlässigkeit einschleicht."
"Unsere Maßnahmen sind ja viel strenger als die im öffentlichen Leben in Österreich. Für den Fall, dass negative Tests als Voraussetzung für die Durchführbarkeit nicht ausgereicht hätten, hatten wir uns sogar ein Quarantäne-Konzept überlegt. Dann hätten halt alle zwei Wochen im schönen Österreich Urlaub machen müssen."
Die Idee, die beiden Grands Prix im Schnelldurchgang innerhalb von sechs Tagen mit dem GP Steiermark am Mittwoch abzuhalten scheiterte am Veto der TV-Anstalten. Das verlängert die Isolationshaft der Teams auf mindestens zehn Tage. Auch der Plan, die Startaufstellung für das zweite Rennen mit einem Spritrennen in umgekehrter Startreihenfolge abzuhalten, ließ sich nicht durchsetzen. Mercedes war dagegen.
Marko hätte das Experiment gerne gesehen: "Wenn man so etwas machen will, dann jetzt. Es ist eh schon alles durcheinander." Red Bull wäre zwar wie Mercedes unter den Leidtragenden gewesen, doch Zweck-Optimist Marko hätte in diesem Fall voll auf die Qualitäten seines Star-Piloten gesetzt: "Ich glaube, dass Verstappen besser überholt als Hamilton. Er ist so etwas gewohnt. Deshalb haben wir dafür gestimmt. Mir war klar, dass Mercedes dagegen ist. Ihre Strategie ist es, vorne zu fahren. Das haben sie im Griff. Von hinten sich durchkämpfen wäre für sie Neuland gewesen."