Renault setzt alles auf eine Karte
Renault hängt im Mittelfeld fest. Letztes Jahr Vierter, diesmal Fünfter. Die Franzosen wollen mehr und haben dafür schon einen Plan. Diesmal soll der Aufstieg in die Klasse der Sieger in einem Schritt gelingen. Renault setzt alles auf die Karte 2021.
Ein Ziel verfehlt, das andere so halb erfüllt. Renault wollte in diesem Jahr mindestens wieder Vierter werden und den Abstand zur Spitze halbieren. Jetzt ist der französische Nationalrennstall Fünfter, geschlagen von seinem eigenen Kundenteam McLaren. Der Zeitrückstand auf die Spitze ist kleiner geworden, allerdings nicht um die Hälfte. McLaren hat mehr Boden auf die drei Topteams gutgemacht. Toro Rosso und Racing Point haben einen ähnlichen Zeitsprung gemacht wie Renault.
Der Anspruch des Weltmeisterteams von 2005 und 2006 kann nicht Best of the Rest sein. Dafür legt in Paris keiner dreistellige Millionensummen auf den Tisch. In einer Zeit, in der das Formel 1.Engagement wegen hoher Kosten und sportlicher Stagnation auf der Kippe steht, muss das Formel 1.Team dem Vorstand Hoffnung verkaufen. So wie es der Konzern mit seinen Aktionären an der Börse macht. Diese Sprache verstehen die hohen Herren in der Chefetage.
Aus der Analyse der beiden abgelaufenen Jahre lässt sich eine Botschaft ableiten. Renault kann es. „Wir haben schon letztes Jahr gezeigt, dass man mit unserem Motor Rennen gewinnen kann“, sagt Teamchef Cyril Abiteboul. Nun hat die Motorenabteilung in Viry-Chatillon über den Winter einen riesigen Sprung gemacht und fast 60 PS gefunden. Der Renault V6-Turbo hat Mercedes überholt und gilt hinter dem Ferrari als zweitstärkster Motor im Feld. „Das gleiche kann uns auch bei der Aerodynamik gelingen, wenn wir uns so reinhängen wie beim Motor“, glaubt Chefberater Prost. itemprop="name" />Alain Prost./span>. Abiteboul gibt ihm Recht: „McLaren hat gezeigt, was man mit Umstrukturierungen im Team und neuen Leuten erreichen kann. Sie sind mit dem Wandel ein Jahr früher dran als wir.“
2021 größter Technik-Einschnitt
Der Neubeginn der Formel 1 soll dabei helfen. Alle Konstrukteure der Branche sind sich einig, dass 2021 technisch der größte Einschnitt folgt, den die Formel 1 je gesehen hat. Eine völlig andere Fahrzeugphilosophie mit viel weniger Möglichkeiten mit der Strömung zu spielen. Aber trotzdem Neuland genug, die eine entscheidende Idee zu finden, die den Unterschied ausmachen könnte. Racing Point-Technikchef Andy Green ist überzeugt: „Irgendeiner wird wieder mit so etwas wie einem Doppeldiffusor kommen. Etwas, an das keiner gedacht hat.“
Es ist nicht die erste große Regelreform der Formel 1. Und bis jetzt haben einschneidende Regeländerungen meistens einem oder zwei Teams geholfen, den Sprung von einem Jahr auf das nächste zu schaffen. Weil sie die bessere Idee oder das bessere Konzept hatten. 1961 Ferrari. 1966 Brabham. 1994 Benetton. 1998 McLaren. 2009 BrawnGP und Red Bull. 2014 Mercedes. Diesen Traum lebt jetzt auch Renault.
Die Besonderheit an 2021 ist, dass dem Neustart ein Jahr vorangeht in dem sich nichts ändert. Und dass 2020 das letzte Jahr ist, in dem die Teams so viel Geld ausgeben können, wie sie wollen. Das würde eigentlich bedeuten, dass Mercedes, Ferrari und Red Bull ihren Vorsprung behalten. Weil sie das Geld, das Personal und die Ressourcen haben, sich auf zwei Programme gleichzeitig zu werfen. Auch wenn Windkanalzeiten und CFD-Kapazitäten für alle gleich sind, kauft mehr Geld mehr Entwicklungskapazität. Weil mehr Leute da sind, die sich über Konzepte, Schlupflöcher oder Tricks Gedanken machen können. Da wird viel besser vorsortiert, was dann in den Windkanal kommt.
Die ganz große Chance
Obwohl Renault in der Chassisabteilung höchstens zwei Drittel von dem ausgibt, was sich die Topteams leisten, sehen Abiteboul und Prost ihre Chance. Aber nur wenn man volles Risiko geht. „Die Topteams haben das Geld für zwei Programme. Selbst wenn sie für 2020 ganz normal entwickeln, bleibt ihnen für 2021 ein Budget, das so groß ist wie unseres für beide Jahre“, vergleicht Prost. Deshalb kann es aus seiner Sicht nur eine Lösung geben. Ein Schmalspurprogramm für 2020, volle Konzentration auf 2021. „Dann könnten wir uns unter annähernd gleichen Bedingungen wie die Topteams auf 2021 vorbereiten. Es ist unsere ganz große Chance“, glaubt Prost. Um 2020 nicht ganz zu vernachlässigen werden gerade neue Sponsorverträge abgeschlossen. Was jetzt noch reinkommt, soll helfen, das 2020er Auto zu verbessern.
Wäre Renault ein Privatteam, könnte man 2020 vernachlässigen. Doch als Hersteller steht man immer im Fokus. Sollte Renault im nächsten Jahr noch weiter absacken, gerät das ganze Projekt unter Druck. Zumal immer noch nicht entschieden ist, wie es nach 2020 weitergeht. Prost weiß: „Wir müssen jetzt eine große Entscheidung treffen. Ein Team wie Renault kann nicht so einfach die Saison 2020 abschreiben, um sie 2021 zu opfern. Wir sind gezwungen, einigermaßen gut abzuschneiden.“ Da wird auf den vierfachen Weltmeister eine wichtige Arbeit zukommen. Wie erklärt man das dem Vorstand, der nicht so im Thema drin ist wie die Rennmannschaft? Bei Renault kommt hinzu, dass der Vorstand zur Zeit ständig wechselt. Und keiner will eine Entscheidung treffen, bis sich die Firmenspitze endgültig konsolidiert hat.
Abiteboul kämpft noch an einer anderen Front. Ähnlich wie bei Honda ist es für den Verbleib von Renault in der Formel 1 wichtig, dass die Motorkosten sinken. Das geht nur über einen Entwicklungsstopp ab 2022. „Wenn die Budgetdeckelung und der neue Verteilungsmodus kommen, können wir unser Formel 1.Team voll refinanzieren. Es bleiben also nur noch die Kosten für den Motor übrig. Und die sind im Moment zu hoch. Für 2021 wird jeder neue Motoren bauen, weil neue Autos eine andere Installation und andere Kühlkonzepte verlangen. Danach gibt es keinen Grund mehr, warum man die Entwicklung nicht einfrieren soll. Im Moment liegen alle vier Motoren in einem Bereich von 20 Kilowatt. Das wird sich noch weiter angleichen. Alles was dann noch kommt, ist wenig Ertrag für sehr viel Geld.“