Wer hat Schuld am Startcrash?
Der Startcrash von Singapur war das Gesprächsthema im Fahrerlager von Singapur. Wir haben Ex-Rennfahrer als Experten gefragt. Die meisten zeigen mit dem Finger auf Sebastian Vettel.
Die Pressekonferenz der Sieger war diesmal schlecht besucht. Keiner interessiert sich für die Quotes des Podest-Trios Lewis Hamilton, Daniel Ricciardo und Valtteri Bottas. Die Gespräche im Fahrerlager drehten sich um die ersten Sekunden nach dem Start. Wer hat Schuld an der Kollision zwischen Sebastian Vettel, Max Verstappen und Kimi Räikkönen?
Kurz ein neutraler Blick auf das Geschehen. Räikkönen hat den besten Start des Spitzentrios, Vettel den schlechtesten. „Er wäre als Erster in die erste Kurve gegangen. Ich hätte Vettel gekriegt“, ist Verstappen überzeugt. Räikkönen war innen, Vettel außen, Verstappen im Sandwich. Vettel zieht ganz deutlich nach innen, um Verstappen abzuwehren. Er kann nicht wissen, dass Räikkönen ganz innen wie eine Rakete nach vorne schießt.
Verstappen, ahnt, dass links von ihm noch ein Ferrari ist. Er muss wegen Vettel nach links lenken und bekommt plötzlich einen Schlag vom anderen Ferrari, der einen Zucker nach rechts macht. Räikkönen hätte nach Ansicht von Verstappen noch gut einen Meter bis zur Boxenmauer gehabt. „Es gab keinen Grund, nervös zu werden.“
Sportkommissare sagen: normaler Rennunfall
Die Rennleitung und die Sportkommissare studierten den Startunfall immer und immer wieder. Aus allen Blickwinkel, von allen Bordkameras. Sie analysierten die Telemetriedaten und die Aussagen der Fahrer. FIA-Rennleiter Charlie Whiting gab zu, dass auch er hin- und hergerissen war. „Ich habe die Szene sechs Mal gesehen. Erst dachte ich Kimi ist schuld, dann Max, zum Schluss Sebastian. Meine Zerissenheit zeigt schon, dass es wahrscheinlich ein normaler Rennunfall war.“
Whiting trifft in diesem Fall keine Entscheidung. Das ist Sache der Sportkommissare. Die vier Schiedsrichter Gerd Ennser, Silvia Bellot, Nish Shetty und Emanuele Pirro fällten folgendes Urteil: „ Wir müssen in Betracht ziehen, dass keiner der drei Fahrer komplett oder vorrangig für diese Kollision verantwortlich war. Deshalb legen wir den Fall zu den Akten.“
Webber nimmt Vettel in Schutz. Für eine halbe Stunde
Wir haben Ex-Rennfahrer um ihre Meinung gefragt. Niki Lauda gab Vettel die Schuld: „Sebastian darf nicht so viel riskieren. Er zieht zu weit nach links. Klar kann er Kimi nicht sehen, aber er nimmt in Kauf, dass ihm Verstappen bei einer Berührung die Reifen aufschlitzt. Für Vettel geht es um die WM. Da muss er mit Verstappen nicht auf Teufel komm raus kämpfen.“
Mark Webber nimmt Vettel zunächst in Schutz: „Für mich war das ein normaler Rennunfall, weil man die Schuld nicht eindeutig zuordnen kann. Wenn überhaupt, dann 70 Prozent Seb und 30 Prozent Kimi. Seb hat sich gegen Max verteidigt. Dass da innen noch Kimi daherkommt, kann er nicht sehen. Das passiert in seinem toten Winkel. Der einzige, der alles sehen konnte, war Räikkönen.“
Eine halbe Stunde später laufen wir Webber noch einmal über den Weg. Der Australier korrigiert sich: „Ich habe mir den Start noch einmal angeschaut. Es ist falsch, Kimi die Schuld zu geben. Der hatte so viel Schwung, dass er draufhalten muss. Seb hat am stärksten die Spur gewechselt, aber unter der Voraussetzung, dass er nur Verstappen sehen konnte, war es eine normale Verteidigung.“
Brundle und Hill kritisieren Vettel
Martin Brundle geht mit Vettel härter ins Gericht. „Unter dem Strich war es ein typischer Startunfall. Wenn man eine Schuld verteilen will, dann trifft sie Vettel. Es macht keinen Sinn, so stark nach links zu ziehen. Selbst dann nicht, wenn Kimi gar nicht dagewesen wäre. Das Risiko, dass er Max dabei trifft, ist einfach zu groß. Er weiß doch, dass Verstappen immer dagegenhält. Max kann gar nichts dafür. Er konnte nirgendwo hin. Ich frage mich nur eines: Wer wäre in Führung gegangen, hätte es keinen Crash gegeben? Ich glaube nicht, dass Kimi die erste Kurve gekriegt hätte.“
Damon Hill teilt Brundles Meinung: „Seb hat die Situation falsch eingeschätzt. Er muss an die WM denken, nicht an seine Position in der ersten Kurve. Die Pole Position und der 5. Startplatz von Hamilton waren ein Geschenk an ihn, dass er nicht verschenken durfte. Dafür ist er zu viel Risiko eingegangen. Die Sportkommissare sollten ihm auf die Finger hauen. Seb hat mit der Kollision auch alle hinter sich in Gefahr gebracht.“
Was meinen Sie zu dem Startunfall von Singapur. Schreiben Sie uns ihre Meinung.