Können wir nie wieder mit dem Auto nach Italien?

Sanierungen, Tunnelsperrungen, Grenzkontrollen – die Fahrt in den Süden wird zur Geduldsprobe. Was hinter dem Dauerstau auf den Alpenrouten steckt und warum eine schnelle Besserung nicht in Sicht ist.
Die Lust auf Urlaub in Italien ist groß, doch für viele Reisende beginnt der Stress lange vor der Adria: Bereits die Anreise über die Schweiz oder Österreich gestaltet sich aktuell schwierig. Wer an einem Juni-Wochenende mit dem Auto Richtung Süden fährt, braucht vor allem eins: Geduld.
Die Ursachen für die massiven Verkehrsprobleme sind vielfältig – und sie wirken gleichzeitig. Die wichtigsten Stau-Verursacher im Überblick:
1. Dauerbaustellen auf den Hauptachsen
Entlang der wichtigsten Transitstrecken nach Italien – etwa der Tauernautobahn (A10), der Brennerautobahn (A13) oder der Gotthard-Route in der Schweiz – laufen derzeit mehrere Großbaustellen. Besonders kritisch ist die Situation auf der A10 zwischen Golling und Werfen, wo gleich fünf Tunnel gleichzeitig saniert werden. Bis mindestens Ende Juni steht dort in jeder Richtung nur eine Spur zur Verfügung, was regelmäßig zu kilometerlangen Rückstaus führt.
Auch die Brennerautobahn ist stark eingeschränkt: Die Luegbrücke südlich von Innsbruck wird aktuell ersetzt. Eine Sanierung war wegen der überlasteten Konstruktion dringend nötig – doch während der Bauzeit ist die Strecke nur einspurig pro Richtung befahrbar. Allein über diese Brücke rollen jährlich mehr als 6 Millionen Fahrzeuge. Und in der Schweiz kommt es im Juni immer wieder zu nächtlichen Sperrungen des Gotthard-Straßentunnels, was Ausweichrouten wie die A13 überlastet.
2. Tunnel als Engpass
Viele Alpentunnel sind baulich nicht auf das aktuelle Verkehrsaufkommen ausgelegt. Am Gotthard etwa gibt es nur eine Röhre für beide Richtungen. Um einen Stillstand im Tunnel zu vermeiden, wird dort regelmäßig dosiert – sprich: Fahrzeuge dürfen nur schubweise passieren. Die Folge ist ein Rückstau vor dem Nordportal, der an stark frequentierten Tagen auf mehrere Stunden anwachsen kann.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch vor dem San-Bernardino-Tunnel oder bei Bauarbeiten auf italienischer Seite des Brenners. Selbst bei normalem Verkehr bleibt die Tunneldurchfahrt ein potenzieller Engpass, an dem der gesamte Transitverkehr gebremst wird.
3. Tiroler Blockabfertigung für Lkw
Ein zusätzlicher Faktor sind die von Tirol regelmäßig eingesetzten Lkw-Dosierungen. Um das eigene Straßennetz zu entlasten, dürfen an der Grenze bei Kufstein an bestimmten Tagen nur 250 Lastwagen pro Stunde passieren. Alle weiteren werden gestoppt – oft mit Folgen auch für den Pkw-Verkehr. Weil eine Spur für Lkw reserviert bleibt, reichen die Rückstaus oft bis auf die deutsche A93 und weiter zurück auf die A8.
Die Dosierungstermine konzentrieren sich auf verkehrsstarke Tage. Im Juni 2025 sind unter anderem der 17. und 20. Juni betroffen. Die Maßnahme ist politisch umstritten, wird aber weiterhin konsequent umgesetzt.
4. Ausweichrouten sind vielerorts blockiert
Wer denkt, er könne dem Stau auf der Autobahn über Landstraßen entkommen, irrt. Tirol hat flächendeckend sogenannte Abfahrtssperren verhängt, die an Wochenenden und Feiertagen gelten – jeweils zwischen 7 und 19 Uhr. Diese Maßnahme betrifft etwa die Region rund um Kufstein, das Inntal und auch die Fernpassroute. Nur wer ein lokales Ziel nachweisen kann, darf abfahren.
Die Folge: Der komplette Reiseverkehr bleibt auf der Autobahn gebunden – auch wenn es dort über viele Kilometer nicht mehr vorangeht.
5. Grenzkontrollen sind zurück
Seit Mai 2025 führt Deutschland wieder reguläre Grenzkontrollen durch – auch im Schengen-Raum. Besonders betroffen sind Übergänge wie Walserberg (A8), Kiefersfelden (A93), Suben (A3) oder Basel/Weil am Rhein. Autofahrer müssen Ausweise bereithalten und je nach Tageszeit mit Wartezeiten von bis zu einer Stunde rechnen. Auch auf italienischer Seite kommt es gelegentlich zu stichprobenartigen Personenkontrollen.
In Summe tragen diese Maßnahmen zu einem weiteren Rückstau auf den Zufahrtsachsen bei – teils auch dann, wenn es auf der eigentlichen Strecke flüssig laufen könnte.
6. Ferienbeginn in mehreren Ländern gleichzeitig
Neben infrastrukturellen Problemen sorgt die aktuelle Ferienlage für eine besondere Verkehrsdichte. Während in Bayern und Baden-Württemberg noch die Pfingstferien laufen (bis 23. Juni), starten in Italien und Schweden bereits die Sommerferien. Ab dem letzten Juniwochenende sind zudem viele Urlauber aus Nordrhein-Westfalen, Belgien und Frankreich unterwegs.
Diese Überlagerung erzeugt an Freitagen und vor allem Samstagen ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen – sowohl in Richtung Süden als auch in Richtung Norden (Rückreiseverkehr).
7. Samstagsproblem: Der Bettenwechsel
In vielen Ferienregionen ist der Samstag traditionell An- und Abreisetag. Vermieter und Ferienhausanbieter organisieren den Gästewechsel oft nach dem Prinzip "Samstag bis Samstag". Die Folge: An einem einzigen Tag treffen abreisende und neu ankommende Urlauber aufeinander – und das auf ohnehin überlasteten Straßen.
Besonders auf den letzten Kilometern zum Urlaubsort staut es sich dann nicht nur auf den Fernstraßen, sondern auch auf Landstraßen und in Ortsdurchfahrten.
8. Kaum echte Alternativen
Wer hofft, durch gute Planung oder Umfahrung dem Stau zu entgehen, hat nur wenige Optionen. Ob Brennerroute, Tauern, Reschenpass oder Gotthard – sämtliche Hauptachsen sind entweder sanierungsbedingt eingeschränkt oder überlastet. Selbst auf Nebenrouten wie dem Fernpass (B179) oder durch die Schweiz über Chur und Bellinzona kommt es bei erhöhtem Verkehrsaufkommen schnell zu Überlastungen.