„Große Chancen dank Zhou“
Das Team von Alfa Romeo für 2022 ist komplett. Neben Valtteri Bottas wird Guanyu Zhou 2022 sein GP-Debüt feiern. Teamchef Frédéric Vasseur erklärt im Interview mit auto motor und sport, warum er dem chinesischen Formel-2-Piloten eine Chance gibt.
Guanyu Zhou wird 2022 den zweiten Alfa Romeo fahren. Was steckt hinter Ihrer Wahl?
Vasseur: Wir haben jetzt drei Jahre mit Antonio Giovinazzi gearbeitet. Aber man muss auch sagen, dass Zhou bislang eine starke Saison in der Formel 2 gefahren ist und immer noch Chancen hat die Meisterschaft zu gewinnen. Es ist aber auch eine große Chance für uns als Team, für die Firma, die Sponsoren, für die Formel 1 generell mit China einen völlig neuen Markt zu erschließen.
Wie wichtig war es, dass Sie mit Valtteri Bottas bereits einen erfahrenen Piloten an Bord haben?
Vasseur: Nächstes Jahr wartet auf uns eine gewaltige Herausforderung. Neue Chassis, neue Motoren, neue Reifen und ein neues Aerodynamikpaket. Aber nur sechs Testtage, also drei für jeden Fahrer. Dabei kann es immer zu Problemen kommen. Zum Beispiel mit dem Wetter, wie vor zwei Jahren in Barcelona oder mit dem Sand letztes Jahr in Bahrain. Oder ein Problem mit den Autos, die ja brandneu sein werden. Da brauchen wir einen Fahrer mit viel Erfahrung. Gerade auf die ersten Rennen kommt es an. Die bietet sich oft eine gute Gelegenheit, Punkte zu holen.
War ein junger Fahrer im zweiten Cockpit gesetzt, nachdem Sie Bottas im Boot hatten?
Vasseur: Wir haben natürlich mit Antonio und einigen anderen erfahrenen Piloten gesprochen, um den Markt auszuloten. Das ist mein Job. Aber ich habe ein gutes Gefühl mit der Kombination eines jungen und eines erfahrenen Fahrers. Das hat bei uns Tradition. Zuerst Ericsson und Leclerc, dann Räikkönen und Giovinazzi. Jung und alt, das ist eine gute Balance.
Sie haben mit Theo Pourchaire einen eigenen Junior in ihrem Team. Warum nicht er?
Vasseur: Er ist in der Formel 2 eine fantastische Saison gefahren, aber er ist erst 18 Jahre alt. Und er ist sehr schnell von der Formel 4 in die Formel 3 und Formel 2 aufgestiegen. Wir waren schon von seinen Formel-3-Resultaten überrascht. Dann hat er sich extrem schnell in der Formel 2 zurechtgefunden und Monaco gewonnen und war in der Qualifikation immer vorne vorbei. Aus meiner Sicht ist er beeindruckend. Aber ich will ihn nicht zu sehr einem zu großen Druck aussetzen. Es wäre zu riskant, ihn sofort in die Formel 1 zu bringen. Da hast du nur eine Kugel im Lauf. Wenn die erste Saison schiefgeht, kann auch die Karriere vorbei sein. Theo muss noch Erfahrung sammeln, um den letzten Schritt zu machen. Er soll nächstes Jahr die Meisterschaft gewinnen. Dann sehen wir weiter. Er bleibt auf unserem Radar und bei uns im Team.
Es standen einige junge Fahrer zur Wahl: Warum Zhou?
Vasseur: Man muss bei jedem Fahrer auch die Umstände sehen. Piastri zum Beispiel hat einen Vertrag mit Alpine. Wir hätten ihn wahrscheinlich nur für ein Jahr haben können. Ich wollte freie Hand bei meinen Optionen für die Zukunft haben.
Heißt es, dass Zhou langfristig verpflichtet wurde?
Vasseur: Das behalten wir für uns.
Wann wird Zhou zum ersten Mal das Auto fahren?
Vasseur: Wir müssen erst noch ein paar Dinge mit seinem aktuellen Arbeitgeber Alpine besprechen, aber es ist der Wunsch, dass er am Dienstag nach Abu Dhabi unser Auto testet.
Hätten Sie lieber das Ende der Formel-2-Meisterschaft abgewartet, um eine bessere Übersicht zu haben?
Vasseur: Das wäre sinnvoll gewesen, weil es in der Formel 2 das Problem gibt, dass der Meister im Folgejahr nicht mehr fahren kann. Aber wir können nicht bis zum 10. Dezember warten. Im Sinne der Rekrutierung von Fahrern aus der Formel 2 wäre es sicher besser, wenn die Meisterschaft früher enden würde. Bei Zhou wissen wir, woran wir sind. Er hat gute Leistungen in der Formel 3 und Formel 2 gezeigt, fuhr eine fantastische Pole Position dieses Jahr in Silverstone und war in den Rennen immer dabei. Ich habe großes Vertrauen in ihn.
Zhou ist unter den jungen Fahrern der erfahrenste. Wie wichtig ist das?
Vasseur: Das spielt eine Rolle. Pourchaire ist vor 18 Monaten noch Formel 4 gefahren. Da besteht die Gefahr, ihn in der Formel 1 zu verbrennen. Der Zirkus ist brutal. Du kannst heute der größte Star und morgen der Verlierer sein.
Müssen Sie jetzt Chinesisch lernen?
Vasseur: Ich werde es probieren.
Welche Rolle spielt der chinesische Markt?
Vasseur: Ich glaube, dass Zhou für alle in der Formel 1 das Tor zu einem extrem interessanten Markt öffnet. Für unsere Sponsoren und Partner natürlich besonders. Das Interesse an der Formel 1 in China wird steigen. Das ist für alle eine Chance.
Das wird auch das Formel-1-Management freuen?
Vasseur: Das müssen Sie Stefano Domenicali fragen.