BMW und die Elektroautos
BMW war E-Auto-Vorreiter, dann kam lange nix. Der bescheidene Verkaufserfolg des i3 hat offenbar eine Strategie-Korrektur bewirkt. Der Entwicklungschef glaubt, die Kunden wollen keine E-Autos. Und jetzt?
Im Juli 2013 stellte BMW die Serienversion des i3 vor. Erst jetzt, sechs Jahre später steht der Münchner Konzern unmittelbar davor, das zweite rein elektrische Serienauto zu präsentieren: Den Mini E. Mit dem Motor des i3. Den trägt der Kleinwagen aber vorn und hat wie seine Verbrenner-Brüder Frontantrieb, denen er auch sonst sehr ähnlich ist. Der i3 hat einen Heckmotor und Heckantrieb wie bis 2014 alle BMW-Modelle (ohne Allradantrieb) und seine teure Karbon-Karosse sah aus, wie die keines BMW zuvor.
Bis heute hat BMW gut 100.000 der elektrischen Kleinwagen verkauft, die meisten davon im Ausland. Dass beim Mini E im gleichen Segment quasi alles anders ist als beim i3, lässt erkennen, dass BMW den i3 nicht gerade als geniales Erfolgsmodell und Blaupause für weitere E-Autos sieht. Zeitweilig konnte man den Eindruck gewinnen, BMW habe damit gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und bringt nach dem Erstversuch mit dem i3 E-Autos nur noch als Feigenblatt, auf Basis bestehender Modellreihen.
Kunden wollen keine Elektroautos
Nachdem Harald Krüger am 5. Juli 2019 den Aufsichtsrat informiert hatte, dass er nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht, kommt Aussagen von BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich eine noch größere Bedeutung zu. Er gilt als potenzieller Nachfolger Krügers, ist seit Ende 2014 Entwicklungsvorstand, wo er vom jetzigen VW-Chef Diess übernahm. Am Rande einer Veranstaltung sagte Fröhlich beispielsweise: „Es gibt keine Nachfrage von Kunden nach BEVs (batterieelektrische Fahrzeuge). Es gibt nur die Nachfrage der Regulierungsbehörden nach BEVs“. Klingt nicht einem, der sich für Elektroautos begeistern kann. Und angesichts der Verkaufserfolge des Tesla Model 3 oder der Begehrtheit des Audi E-Tron ist die Aussage in dieser Radikalität auch schwer zu halten. Fröhlich musste Tage später, angesprochen auf seine Aussagen, zurückrudern und sagte: „E-Autos kommen sicher“. Schon auf der Veranstaltung schränkte er ein: „Der Kunde will aber SUVs. Also entwickeln wir rein elektrische SUVs. Unser erstes Fahrzeug wird der iX3 (2020) sein. In den 20er Jahren werden wir dann die gesamte X-Reihe elektrifizieren“. Und natürlich sieht Fröhlich als Aufgabe der Autohersteller, die Regulatorien einzuhalten und die Kundennachfrage zu befriedigen: „Der Kunde trifft seine Wahl und wir müssen die Vorgaben einhalten. Also bringen wir die BEVs ins SUV-Segment. Und obendrein wird unser E-SUV auch in einem Segment verkauft, wo höhere Volumen möglich sind – nämlich unterhalb von 70.000 Euro“.
Kurz zuvor hatte BMW überdies seinen Zeitplan für die Einführung von E-Fahrzeugen beschleunigt: „Wir haben nicht das Ziel für 2025 auf 2023 nach vorne gezogen, sondern wir haben zusätzliche Fahrzeuge verabschiedet, und erreichen so schon 2023 die für 2025 anvisierte Zahl von 25 elektrifizierten Fahrzeugen und 12 rein elektrischen“. Von den 12 rein elektrischen sind bislang vier bekannt: Mini E (2019), BMW iX3 (2020), BMW i4 (2021) und iNext (2021). Der i3 zählt nicht mehr dazu. Seine Laufzeit nähert sich dem Ende und einen Nachfolger wird es nicht geben. Klaus Fröhlich erklärt das so: „Der i3 (und der i8) sind solitäre Fahrzeuge mit solitären Konzepten. Mittlerweile ist das alles “das neue Normal„ und wir benötigen gar nicht mehr ein so spezielles Konzept. Aber “i„ steht für Innovation. Wir müssen unter “i„ also immer “the next big thing„ bringen. Wir erzählen damit Technologie-Geschichten. Der i3 erzählte die Geschichte der Elektrifizierung und der iNext erzählt die Geschichte des autonomen Fahrens. Wir haben also keine direkten Nachfolger für den i3 (und den i8). Der i4 ist in Zukunft ein Fahrzeug aus der regulären Modellpalette. Ebenso der iX3, er setzt auch auf der normalen Baureihe auf“.
BMW mit gegenläufiger Entwicklung wie VW
Also kein Nachfolger für den i3, aber eine Elektroversion von jeder Baureihe. BMW invertiert damit die Entwicklung, die sich gerade bei VW vollzieht: Elektroautos auf Basis bekannter Baureihe. mit Verbrennungsmotor wie etwa der eGolf bekommen keinen Nachfolger, stattdessen hat VW einen ganzen Modularen Elektro-Baukasten (MEB) für eine Familie rein elektrischer Autos entwickelt und bringt deren eigenständige Parallel-Modelle ab 2020 in Segmenten, in denen der Konzern schon seit Jahren erfolgreich Verbrenner-Modelle verkauft. Den Anfang macht der ID.3 als E-Auto in Golf-Größe – mit Heckmotor und -antrieb. VW glaubt an entsprechend hohe Stückzahlen für E-Autos, so dass sich die Investitionskosten in den MEB rentieren, dessen teure Entwicklung VW zusätzlich in einer Kooperation mit Ford versilbern wird.
BMW setzt indessen stärker auf die vermeintliche Brückentechnologie Plug-in-Hybrid (PHEV), die sich nach aktueller Gesetzgebung mit sehr niedrigen CO2-Emissionen vorteilhaft auf den Flottenverbrauch auswirken. Fröhlich sagt dazu: „Wir pushen PHEVs in Europa, weil wir glauben, dass dieses Fahrzeugkonzept eine Zukunft hat, und hoffen, die Regulierungsbehörden killen das PHEV-Konzept nicht“. Vor allem in Europa hält er das für passend: „ Die Europäer sind sehr zurückhaltend beim Kauf von Elektroautos. In Europa haben die Kunden meistens nur ein Auto und trauen sich deshalb nicht, ein E-Auto zu kaufen. Mit einem PHEV (mit 80 bis 100 Kilometer E-Reichweite) bekommen sie das Beste aus zwei Welten: Sie können rein elektrisch in die Innenstädte fahren, während der Woche auf dem Weg zur Arbeit und haben gleichzeitig die Freiheit/Möglichkeit, am Wochenende in die Berge oder nach Italien zu fahren“.
Aber auch die Hybrid-Technik kostet. „Ein PHEV ist teurer als ein Fahrzeug mit normalem Verbrenner, aber billiger als ein BEV“. Man müsse aufgrund der Gesetzgebung „auf Marge verzichten“, so Fröhlich. Auch BMW will (wie VW den MEB) deswegen „seine Technologien an andere Autohersteller verkaufen“.
BMW M bekommt ab 2022 „Power-PHEVs“
Plug-in-Hybride passen laut Fröhlich auch gut zur sportlichen Submarke: „Die M-Modelle werden von 2022 an zu sogenannten Power-PHEVs. Sie bekommen elektrische Unterstützung vorwiegend, um die Driving Performance zu verbessern. Ein E-Antrieb mit etwa 150 kW und einigen Newtonmetern an maximalem Drehmoment liefert V8-ähnlichen Vortrieb schon innerhalb weniger Millisekunden“.
Rein elektrische BMW M-Modelle sieht Fröhlich erst in zehn Jahren: „Die M-Modelle machen keinen großen Sprung und werden reine E-Fahrzeuge, sondern eben Power-PHEVs im kombinierten Modus. Vielleicht ab 2030, wenn richtig gute BEVs möglich sind und die Energiedichte der Batteriezellen noch besser als heute ist, können die M-Modelle auch reine E-Fahrzeuge sein. Denn M bedeutet nicht Technologie, sondern pure Performance“.