Dauer-Vollgas lässt das Corvette-Heck schmelzen
... und hier - nach der Zieldurchfahrt - ist das Heck ordentlich angekokelt. Grund ist wohl die Kombination aus modifizierter Abgasanlage und starkem Anpressdruck.
Ein Teilnehmer hat in einer Corvette ZR1 einen neuen Rekord aufgestellt. An dem Sportwagen ging die Highspeed-Attacke allerdings nicht spurlos vorbei.
Selbst großen Motorsportfans dürfte das "Big Bend Open Road Race" kein Begriff sein. Hierbei handelt es sich um ein im Westen des US-Bundesstaates Texas ausgetragenes Autorennen für Amateure. Es führt über 59 Meilen den Highway 285 entlang, und zwar in beide Richtungen: Es geht erst nach Süden Richtung Sanderson, dann zurück in den Norden zum Ausgangspunkt in Fort Stockton. Die Straße wird für den Event für den öffentlichen Verkehr gesperrt, und die Regeln sind simpel: Wer für die Route die geringste Zeit braucht und damit die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht, gewinnt das "BBORR".
Mit angekokeltem Heck zum Streckenrekord
Dieses Kunststück gelang diesmal einem Herrn namens John Anhalt. Gemeinsam mit Beifahrerin Kelli Hughes absolvierte er die 118 Meilen (190 Kilometer) lange Strecke in einem Durchschnittstempo von 173,004 Meilen pro Stunde (mph). Damit war er einen Tick schneller als Vorgänger Tom Whalen, der 2013 knapp unter der 173-mph-Marke blieb. Um erfassen zu können, wie schnell das ist, wechseln wir kurz ins metrische System: 173,004 mph sind umgerechnet 278,4 km/h. Nicht in der Spitze, im Schnitt! Auf öffentlichen Straßen, mit jeweils 60 Kurven in jede Richtung! Mit einem – wenn auch umfangreich modifizierten – Straßenauto!
Das Duo Anhalt/Hughes absolvierte seine Rekordfahrt in einer Corvette ZR1 der siebten Generation, Modelljahr 2019. Diese überstand die Aktion allerdings nicht ganz unbeschadet. Wie von John Anhalt und den BBORR-Organisatoren in den sozialen Medien veröffentlichte Bilder zeigen, weist die C7, die in der Spitze sogar 213 mph (342,8 km/h) fuhr, seit der Highway-Hatz ein leicht angekokeltes Heck auf. Und das, obwohl General Motors bei der Vorstellung der Corvette C7 ZR1 viel Wert auf die Feststellung legte, dass die Entwickler besonders großen Aufwand beim Kühlkonzept betrieben hätten.
30 Prozent mehr Leistung, Verzicht auf Schalldämpfer
Diese materialverändernde Konsequenz hat wohl in erster Linie mit einigen Performance-Optimierungen zu tun, die Anhalt seiner 2020 als Fast-Neuwagen gekauften Corvette in der Zwischenzeit gegönnt hat. Als da wären: größeres Drosselklappengehäuse, bearbeitete Zylinderköpfe, Kipphebel, Stößel und Kompressors in modifizierter Form sowie weitere Veränderungen. Das Auto weise nun etwa 30 Prozent mehr Leistung auf als das Original, verriet der Hobby-Racer dem US-Magazin "Road & Track". Aus den ursprünglichen 766 PS dürften somit etwa 1.000 geworden sein.
Bei der Abgasanlage verzichtete er auf Schalldämpfer und installierte stattdessen komplett gerade Auspuffrohre, weshalb die Corvette nicht nur unerhört laut wurde, sondern im Heck offensichtlich auch ziemlich heiß. Eine weitere technische Eigenheit der Anhaltschen Corvette dürfte den Effekt verstärkt haben: Mit ihrem riesigen Heckspoiler und dem XXL-Diffusor erzeugt sie hinten einen starken Anpressdruck, der das ZR1-Hinterteil bei hohem Tempo nah an den Asphalt presst. Das heiße Abgas dürfte dadurch nicht nur schlechtere Chancen gehabt haben, überhaupt in alle Richtungen zu entweichen, sondern durch den Unterdruck sogar nach oben geleitet worden sein. Mit der Folge, dass die Kunststoff-Karosserie mit hohem Kohlefaseranteil in diesem Bereich ein wenig geschmolzen ist.
"Ich wusste, dass sich das Auto nicht richtig verhielt"
Eigenen Aussagen zufolge ist John Anhalt erst nach Zieldurchfahrt aufgefallen, wie stark die Beschädigungen an seiner Corvette waren. "Ich wusste, dass sich das Auto nicht richtig verhielt", sagt er auf der US-Website "The Autopian". "Ich wusste nicht wirklich, warum, aber ich wusste: Keine Ausreden, einfach fahren. Also fuhr ich einfach noch schneller." Erst im Verlauf der Rekord-Feierlichkeiten, als die Crew das ZR1-Heck in Augenschein nahm, wurde Anhalt und Hughes das Ausmaß der Schäden klar.
Der Fahrer nimmt's gelassen. "Ich hatte mit kleineren Schäden gerechnet", ergänzt Anhalt. Er habe durchaus wahrgenommen, dass es hinten zu heiß wurde. Aber dass sogar die Einfassungen der Rückleuchten geschmolzen sind, hätte er dann doch nicht erwartet. Für seinen nächsten Auftritt beim "Big Bend Open Road Race" will er die Abgasanlage jedoch grundlegend umbauen; vielleicht auf eine Sidepipe-Konstruktion.
