Kommt jetzt der Zwang zum Tausch-Akku?

In China soll ein neuer Einheits-Standard für Elektroauto-Akkus entstehen. Damit soll gewährleistet werden, unabhängig vom Hersteller seinen Fahrzeug-Akku zu tauschen, statt langwierig aufzuladen.
Wenn in China Beschlüsse zur E-Mobilität gefasst werden, hört der Rest der Welt aufmerksam zu. Denn im weltgrößten Markt für Elektrofahrzeuge wird schon seit langem die Marschroute für dieses Segment vorgegeben. Entsprechend hellhörig sollte eine Meldung des Wirtschafts-Portals "Bloomberg" machen. Dort bestätigte ein Sprecher des chinesischen Industrie-Ministeriums Pläne, wonach in China künftig ein einheitlicher Standard für das Tauschen von Elektroauto-Akkus entstehen soll.
E-Auto Akkus im Pfandsystem
Damit sollen E-Auto-Fahrer nicht mehr auf ein Ladekabel angewiesen sein. Stattdessen steuern sie eine spezielle Ladestation an, wo in wenigen Minuten vollautomatisch der leergefahrene Akku aus dem Auto entnommen und ein volles Akku-Pack installiert wird. Die beiden chinesischen Hersteller BAIC und NIO haben nach eigenen Angaben bereits mehrere hundert solcher Stationen in China installiert, die aber eben nicht untereinander kompatibel sind.
Eine solche neue Norm könnte weitreichende Folgen für die E-Auto-Branche in China und damit auch weltweit haben. Denn letztlich läuft dieser Plan darauf hinaus, dass die Elektroauto-Hersteller gezwungen werden, einen einheitlichen, genormten Antriebs-Akku zu verbauen, wie er von der chinesischen Regierung definiert und vorgegeben wird. Damit stößt dieses Vorhaben mitten in eine der Kernkompetenzen der Autobauer. Denn das sogenannte "Packaging" der Traktionsbatterien ist eine der Schlüsseltechnologien im Elektroauto-Bau und auch eine wichtige Säule der Wertschöpfung.
Die Idee ist nicht neu
Bislang ist das Thema Wechselakku bei Elektroautos nie über den Prototypenstatus hinausgekommen. Den jüngsten Flop in dieser Beziehung verzeichnete das israelische Startup-Unternehmen Better Place, an dem sich sogar Renault beteiligt hatte – 2013 ging Better Place in Insolvenz. Dennoch versuchen andere Startups weiterhin, das Thema am Kochen zu halten. So wirbt beispielsweise das schwedische Startup "Power Swap" mit einer ähnlichen Idee um Investoren, dort sollen einheitliche Akkupacks im praktischen Quader-Design an Tankstellen in geeignete E-Autos gesteckt werden.
Selbst Tesla versuchte sich an dem Thema. 2013 präsentierte Elon Musk für das damals brandneue Model S in einer der typischen New-Economy-Bühnenshows eine Maschine, die vollautomatisch den Akku an gleich zwei Model S tauschte, während parallel dazu in derselben Zeit ein Proband seinen Audi mit Benzin volltankte. Das viel beklatschte Spektakel blieb allerdings ohne großen Nachhall. Die Pilotanlage in Kalifornien blieb praktisch unbenutzt, im Jahr 2015 beerdigte Tesla das Projekt.
Gescheitert ist die Idee des Tauschakkus bislang aus mehreren Gründen. Zunächst die Technik: Es ist nicht ganz trivial, die mehrere hundert Kilo schwere Batterie millimetergenau anzusteuern, um sie ohne zu verkanten entnehmen und wieder einbauen zu können. Zudem müsste ein universelles System auf diverse Radstände und Fahrzeugbreiten adaptierbar und auch von Laien unfallfrei bedienbar sein. Wer schon einmal vor einer automatischen Waschanlage oder auf engen Parkplätzen manche Lenkradakrobaten bestaunt hat, darf hieran berechtigte Zweifel haben.
Im Video: So funktioniert der Akku-Tausch bei Nio
Weiterhin muss ein solches Wechselsystem auf Miet-Akkus setzen. Wer ein neues Elektroauto mit einer Traktionsbatterie im Wert von nicht selten 20.000 Euro und mehr erwirbt, wird diese wahrscheinlich nicht so gerne an einer Wechselstation gegen ein x-beliebiges Gebrauchtteil austauschen. Auch das chinesische Konzept sieht die Anwendung ausschließlich mit "Pfand"-Akkus, bei denen lediglich die Nutzung und nicht die Batterie an sich bezahlt wird.
Müssen sich Europas Autobauer also an neue Normen gewöhnen? Voraussichtlich erst einmal nicht. Denn das Tausch-Akku-System hat diverse Tücken im Detail, die natürlich auch den Planern in China nicht verborgen bleiben. Deshalb soll die Norm für Wechsel-Batterien in erster Linie im kommerziellen Bereich, etwa bei Kommunalfahrzeugen oder Taxis, zum Einsatz kommen.
Vor allem kleine E-Fahrzeuge sind prädestiniert
An anderer Stelle ist man jedoch bereits – nicht nur in China – weiter. Das Thema Tausch-Akkus nimmt für die Elektromobilität im Kleinen immer mehr Fahrt auf. Diverse Hersteller, vom Branchengiganten Honda über den Hersteller Kymco aus Taiwan bis hin zu rührigen Berliner Startups beackern dieses Terrain. Der Hintergedanke: Für kleine Lieferfahrzeuge, Elektro-Roller oder Lastenfahrräder, die nur wenig Gewicht bewegen müssen, schafft man einheitliche, entnehmbare Akkus. Diese können dann an öffentlichen Ladeterminals wie in einem Bahnhofsschließfach zum Aufladen eingesteckt und im Tausch ein voller Akku entnommen werden. Diese Thematik könnte in der Hauptstadt schneller Fahrt aufnehmen als gedacht: Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) plant nach jüngsten Meldungen, bis 2030 die komplette Berliner Innenstadt innerhalb des S-Bahn-Rings für alle Verbrenner zu sperren.
Übrigens: Wie fast immer im Automobilbau gilt auch für Austausch-Akkus – Alles schon einmal dagewesen. So brachte Mercedes im Jahr 1972 rund 50 Prototypen des elektrisch angetriebenen Transporters LE 306 auf die Straße. Dessen Antriebsbatterien wurden wie eine Schublade von der Seite eingeschoben. Sogar rekuperieren konnte der 56 kW starke Elektro-Kastenwagen. Es blieb allerdings bei den Prototypen – wirtschaftlich erkannte Mercedes letztlich keinen Sinn in dem Projekt. Heute hat "der Daimler" mit E-Vito und E-Sprinter moderne Nachfolger am Markt, ohne Tausch-Akkus.