Deshalb ist dieser Schritt so drastisch

Jaguar kappt seine traditionsreiche Verbrenner-Historie und setzt ab sofort ausschließlich auf Elektroautos. Warum dieser radikale Schnitt für die britische Luxusmarke so tiefgreifend ist – und welche Risiken er birgt.
Als Jaguar im Mai 2024 das letzte F-Type-Coupé vom Band laufen ließ – in klassischem British Racing Green, mit beige-goldenem Lederinterieur und auf Hochglanz poliertem V8, ging mehr verloren als ein Sportwagen-Modell. Es endete ein Kapitel, das Jaguar über Jahrzehnte mit definiert hatte. Der Verbrennungsmotor war das stilprägende Herz der Marke. Der F-Type war der ideelle Nachfolger des E-Type, dessen V12-Motor ab 1971 Maßstäbe setzte – 5,3 Liter Hubraum, 276 PS. Insgesamt produzierte Jaguar über 160.000 V12-Modelle und prägte damit eine Ära, die nun endet.
Mit dem vollständigen Schwenk zur Elektromobilität verabschiedet sich Jaguar nicht nur von seinen Produkten, sondern von seiner DNA. Anders als andere Hersteller, die zumindest auf Übergangsmodelle oder Hybride setzen, bricht Jaguar radikal. Kein Modell mit Verbrennertechnologie soll bleiben, stattdessen herrscht seit Mitte 2025 Leere im Modellprogramm. Der I-Pace, einstiger Hoffnungsträger im E-Segment, ist eingestellt, ebenso wie E-Pace, XF, XE und der F-Type. Die Marke existiert derzeit faktisch ohne Neuwagenangebot. Eine absolute Ausnahmesituation im globalen Premiumsegment.
Klangverlust und Identitätskrise
Was diesen Schritt besonders drastisch macht, ist die emotionale Fallhöhe. Jaguar stand jahrzehntelang für Performance, Eleganz und eine mechanische Präsenz. In einer Zeit, in der Markenidentität mehr denn je ein wirtschaftlicher Wert ist, erscheint der radikale Verzicht auf diese Elemente wie ein strategischer Kraftakt ohne Sicherheitsnetz. Während Marken wie Mercedes oder Porsche bewusst mit Heritage-Momenten spielen – etwa durch synthetisch erzeugten Sound oder visuelle Zitate alter Modelle – trennt sich Jaguar mit auffallender Konsequenz von seiner Geschichte.
Hinzu kommt: Der neue Markenauftritt unter dem Namen "Project Roar" soll futuristisch, digital, global sein, trifft aber vielerorts auf Unverständnis. Die Kritik an der Copy-Nothing-Kampagne reichte weit über Social Media hinaus und mündete in einem internen Strategiewechsel. Selbst Elon Musk fragte öffentlich, ob Jaguar überhaupt noch Autos verkaufe. Ein Satz, der sinnbildlich für die aktuelle Unsichtbarkeit der Marke im globalen Wettbewerb stehen kann.
Bleibt nur die Hoffnung
Die große Frage lautet: Kann Jaguar seine Markenidentität in die neue Ära übertragen? Design und Performance allein reichen nicht. Es braucht das Besondere, das Einzigartige – das, was Jaguar einst zum Liebling von Motorsportfans, Filmregisseuren und Staatsoberhäuptern machte. Ob sich dieses Gefühl elektrisch reproduzieren lässt, wird sich ab 2026 zeigen. Dann soll der neue Elektro-GT an den Start gehen – laut Adrian Mardell das sportlichste Jaguar-Modell aller Zeiten. Nur: Mardell ist inzwischen zurückgetreten. Und Jaguar steht mehr denn je vor der Frage, wie viel Vergangenheit in der Zukunft Platz haben darf.