„Regeln haben uns geholfen“
Zu Beginn des Jahres musste Antonio Giovinazzi um sein Alfa-Cockpit zittern. Nun hat der Italiener den ersten Punkt gesammelt. Wie sieht er seine Chancen in dieser Saison und in der Zukunft? Und wie kam es zu seinem ungewöhnlichen Sponsor? Wir haben mit dem Alfa-Piloten gesprochen.
Herzlichen Glückwunsch zum ersten Punkt der Saison!
Giovinazzi: Es ist wirklich gut, endlich wieder in den Punkten zu sein. Die Pace während des gesamten Wochenendes war wirklich gut und diese Top-Ten-Platzierung ist die Belohnung dafür. Auf einer anderen Strecke, auf der Überholmanöver möglich sind, hätten wir auf P8 liegen können. Aber wir müssen mit diesem Ergebnis und der hervorragenden Leistung des Teams an diesem Wochenende zufrieden sein. Wir haben große Fortschritte gemacht und dieser Punkt wird für uns alle eine gute Motivation sein, da noch so viele Rennen vor uns liegen.
Wie sind Sie bisher mit Ihrer Saison zufrieden?
Giovinazzi: Es war kein einfacher Start. Das Glück war nicht auf unserer Seite. Aber wir müssen happy und stolz auf die Arbeit sein, die wir im Winter geleistet haben. Das Auto ist sicher besser als letztes Jahr. Da war es nicht leicht, in Q2 zu kommen. Jetzt haben wir es in fünf Rennen vier Mal geschafft. Leider war die Zuverlässigkeit im Feld immer sehr hoch. Niemand fällt aus. 19 von 20 Autos beenden immer die Rennen. So ist es schwierig, Punkte zu sammeln.
Inwiefern ist das Auto besser als im vergangenen Jahr?
Giovinazzi: Kimi und ich fanden schon bei den Testfahrten, dass die Balance besser gepasst hat und das Auto einfacher zu fahren ist. Wenn du mehr Vertrauen hast, kannst du mehr pushen und der Speed wird besser.
Was haben die Ingenieure denn verändert, dass die Balance besser ist?
Giovinazzi: Das Heck fühlt sich stabiler an. Du kannst am Kurveneingang und am Scheitelpunkt aggressiver einlenken und mehr attackieren. Wir sind jetzt auch zu Beginn des Wochenendes immer schon näher dran mit dem Setup. Das war letztes Jahr nicht so. Da mussten wir erst viel über das Wochenende arbeiten. Das ist jetzt viel einfacher.
Wie sehr haben die neuen Regeln für den Unterboden einen Einfluss gehabt?
Giovinazzi: Viele Teams haben erwartet, dass das Auto schwieriger zu fahren ist. Aber bei uns ist es nun besser. Vielleicht haben uns die Regeln mehr geholfen. Auch die Power Unit von Ferrari hat sich verbessert.
Wie macht sich das bemerkbar?
Giovinazzi: Wenn die Leistung nicht da ist, droht die Gefahr, dass du im Rennen schnell übers Limit gehst. Es war für uns sehr mühsam, zu überholen. Und wir wurden wiederum leicht überholt. Jetzt macht es mehr Spaß im Qualifying. Und im Rennen können wir aus eigener Kraft überholen.
Im Qualifying führen Sie das Teamduell gegen Kimi Räikkönen an, im Rennen ist er besser. Gibt es dafür Gründe?
Giovinazzi: Wir hatten ein paar Zwischenfälle im Rennen. In Bahrain gab es ein Problem beim Stopp, in Imola hat sich ein Abreißvisier in der Bremse verfangen, in Spanien kam erneut einen Zwischenfall beim Reifenwechsel dazwischen. Wenn du so viel Zeit am Anfang verlierst, ist es schwierig, sich zurück zu kämpfen. Und Kimi ist einer der Besten, was die Pace im Rennen angeht. Um ihn da zu schlagen, musst du sehr gut sein und sauber durchkommen. Ich lerne viel von ihm, seit ich 2019 sein Teamkollege wurde.
Was kann man sich bei ihm abschauen?
Giovinazzi: Es geht darum, wie du dir das Rennen einteilst. Die Reifen, der Sprit, wann du angreifen kannst und wann man sich etwas zurücknehmen muss. Die Erfahrung macht da einen großen Unterschied. Aber ich versuche nach dem Rennen immer in den Daten zu schauen, was er anders gemacht hat und mich fürs nächste Wochenende zu verbessern.
Einige Ferrari-Junioren stehen für die Formel 1 Schlange. Macht Sie das nervös?
Giovinazzi: In der Formel 1 gibt es nur 20 Fahrer. Ich fahre schon immer mit Druck. In der Formel 3 hatte ich einen indonesischen Sponsor und ich wusste, dass ich Ergebnisse abliefern muss um voranzukommen. Und so ist das hier auch. Ich muss gut sein und dann werde ich bleiben.
Zu Beginn der Saison stand Mick Schumacher zur Diskussion bei Alfa Romeo. Ein großer Name.
Giovinazzi: Mick hat mit seinen Siegen in der Formel 3 und Formel 2 gezeigt, was er kann. Er ist hier wegen seiner Resultate. So wie ich auch. Am Ende war es eine Entscheidung von Ferrari, ihn in den Haas zu setzen und mich in den Alfa Romeo.
Hat die Formel 1 zu wenige Teams für zu viele Fahrer?
Giovinazzi: Ja. Aber das ist eben die Formel 1. Wir sind nicht im Fußball mit vielen Spielern. Es gibt eben nur 20 Plätze.
Viele Fahrer wie Stroll, Latifi oder Mazepin bringen Geld mit. Ärgert Sie dieser Trend?
Giovinazzi: Sie haben in den anderen Serien aber auch gezeigt, dass sie gewinnen können. Sie sind hier, weil sie es verdienen. Natürlich helfen Namen und Geld. Aber sie haben sich eben auch in den unteren Kategorien bewiesen.
Sie haben Ihren indonesischen Sponsor erwähnt. Das war der Vater von ihrem Fahrerkollegen Sean Gelael. Es ist ungewöhnlich, dass eine Familie eines anderen Fahrers jemand unterstützt. Wie kam es dazu?
Giovinazzi: Ich muss seinem Vater Ricardo danken. Er hat mich seit der Formel 4 bis zur Formel 2 unterstützt. Dann habe ich einen Vertrag bei Ferrari bekommen. Er hat mich zu 100 Prozent unterstützt, das passiert selten. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.
Wo haben Sie sich kennengelernt?
2011 beim Kartfahren. Ich sollte Sean coachen. Daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. 2012 sind wir zusammen in der Formel Abarth gefahren. Sean ist wie ein Bruder für mich. Ich habe mehr als ein halbes Jahr in Indonesien gelebt. Die Konstellation mag ungewöhnlich sein, aber es war sehr wichtig für meine Karriere.
War es da nicht komisch, gegeneinander zu fahren?
Giovinazzi: Er war wie ein Teamkollege für mich. Wie Kimi jetzt. Wir haben vieles gemeinsam gelernt. Für mich war der Formelsport eine neue Welt. Nicht wie im Kartsport, wo ich ihm etwas beibringen konnte. Wir sind zusammen bis in die Formel 2 gekommen, wo ich dann den Vertrag von Ferrari bekommen habe. Jetzt fährt er in der WEC in der LMP2-Kategorie Rennen und ich freue mich über seine Erfolge.
Wo sehen Sie sich in den nächsten zwei bis drei Jahren? Haben Sie einen Plan?
Giovinazzi: Nein, es gibt keinen. Ich will einfach eine gute Leistung zeigen. Jetzt bin ich mit Alfa Romeo hier und dann sehen wir, was nächstes Jahr passiert. Natürlich hat jeder Fahrer das Ziel, Weltmeister zu werden. Das ist nicht so einfach. Warten wir mal ab.
Haben Sie neben der Formel 1 noch andere Projekte? Vielleicht ein eigenes Kart-Team?
Giovinazzi: Momentan nicht. Ich fände das aber für die Zukunft toll. Ich liebe den Kartsport. Jetzt konzentriere ich mich erst einmal auf die Formel 1.