„George bringt frisches Blut“
Wir haben die zehn Teams am Donnerstag in Monza auf Neuigkeiten abgecheckt. Thema waren die Fahrerwechsel, die in der Woche vor dem Italien-Grand-Prix bestätigt wurden. Und die Frage, welches Team in Monza am meisten profitiert.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
Endlich herrscht auch auf dem Papier Klarheit. Valtteri Bottas geht, George Russell kommt. Bottas verkauft den Wechsel vom besten Team der Formel 1 ans andere Ende des Feldes als Chance: "Alfa Romeo ist eine großartige Marke. Das Team meint es ernst. Nach meinen Informationen kann dort etwas Großes entstehen."
Der Finne wird 2022 seine Ansprüche zurückschrauben müssen, auch wenn der Neustart die Karten neu mischt: "Es wäre sehr viel verlangt, wenn ich nächstes Jahr mit Siegen rechnen könnte." Für 2021 hat sich Bottas noch etwas vorgenommen: "Ein paar Siege und den fünften Konstrukteurs-Titel mit mir im Team."
Lewis Hamilton wird sich nächstes Jahr an einen neuen Teamkollegen gewöhnen ist. Einen Landsmann, der neben Verstappen, Leclerc und Norris zu den Weltmeistern von morgen zählt. "George zählt definitiv zu dieser unglaublich talentierten jungen Generation. Er wird frisches Blut in unser Team bringen und jedem bei uns neue Energie geben." Der Champion glaubt, dass Mercedes den internen Wettbewerb kontrollieren kann. "Das haben sie bis jetzt eigentlich immer geschafft."
Hamilton weiß nicht, was ihn nächstes Jahr erwartet: "Ich weiß nur, dass George sehr schnell ist. Ob er schneller sein wird als Valtteri, keine Ahnung." Er will sich dabei auch auf keinerlei Privilegien verlassen. "Das ist nicht mein Stil. Als ich in dieses Team kam, wurden mir gleiche Bedingungen zugesichert. Das ist alles, was ich als Rennfahrer erwarten kann. Dann musst du mit deiner Arbeit zeigen, dass du besser bist."
Doch jetzt steht erst einmal der GP Italien auf dem Programm. Die Ingenieure hoffen, dass der Hochgeschwindigkeitskurs Monza in die Karten spielt. "Je geringer der Abtrieb, umso besser ist unsere Effizienz im Vergleich zu den Konkurrenten." Hamilton warnt aber Red Bull zu unterschätzen. "Es gab einige Rennen, wo uns Red Bull auf den Geraden davongefahren ist. Ich glaube, es wird auch hier ein enges Rennen zwischen uns."
Ferrari
Monza ist Ferrari-Land. 19 Mal hat die Scuderia im Autodrom gewonnen. Ein 20. Sieg wäre eine Sensation. "Auf dem Papier ist es eine der schwierigsten Rennen für uns", bestätigt Charles Leclerc. Kollege Carlos Sainz hofft: "Vielleicht machen wir die gleiche Erfahrung wie in Silverstone, und es läuft besser als erwartet. Hier werden uns die Tifosi das letzte Zehntel geben."
Auf Power-Strecken tut sich Ferrari schwer, weil im Vergleich zu Mercedes und Honda immer noch Motorleistung fehlt. Die Schätzungen reichen von 20 bis 30 PS. In Spa brachte Ferrari nur ein Auto in die Top Ten der Startaufstellung. Monza passt Ferrari etwas besser, weil aus den Schikanen heraus die Traktion ein wichtiger Faktor ist. Und die Disziplin kann der SF21 ganz gut.
Carlos Sainz freut sich schon jetzt auf das Gefühl, als Ferrari-Fahrer in Monza anzutreten. "Dafür gibt es nur ein Wort: Es ist verrückt." Der Spanier ist erleichtert, dass der Grund für seine Probleme im letzten Renndrittel in Zandvoort gefunden ist. Sainz will jedoch über Details nicht sprechen. "Ich muss mir jedenfalls keine Gedanken machen, dass ich etwas falsch gemacht habe und kann mich voll auf Monza konzentrieren."
Red Bull
Max Verstappen gibt zu, dass in Zandvoort ein riesiger Druck auf seinen Schultern lastete. "Alle haben erwartet, dass ich gewinne. AlIes andere wäre eine Enttäuschung gewesen. Es war eine große Erleichterung, als ich die Zielflagge sah. So schön die Erfahrung war, ich brauche sie nicht allzu oft im Jahr."
Für Monza reicht der Holländer die Favoritenrolle an Mercedes weiter, sagt aber auch: "In diesem Jahr sind wir auf allen Strecken stärker als in der Vergangenheit. Das erwarte ich auch für Monza." Der WM-Spitzenreiter warnt davor, vom Sprintrennen viele Überholmanöver zu erwarten: "Letztes Jahr hing ich in einem DRS-Zug fest und kam nicht nach vorne."
Sergio Perez landete die letzten sieben Rennen in Monza immer in den Punkterängen. Der Mexikaner hofft nach vielen Rennen in der Versenkung endlich wieder auf ein Podium. Zandvoort war mit Platz 8 nach seinem Start aus der Boxengasse ein erster Schritt zurück zur Normalität.
Trotzdem ärgert sich Perez: "Der Fehler in der Qualifikation hat uns viel gekostet. Wir hatten im Rennen das beste Auto. Da war viel mehr drin. Das einzig Positive war, dass wir die Motorstrafe aus dem Weg gebracht haben."
Aston Martin
In Zandvoort stolperten die Aston-Martin-Piloten über schlechte Startplätze. Monza liegt dem Auto besser. Sebastian Vettel warnt jedoch: "In Monza sind die Abstände noch enger als anderswo. Da kann ein Zehntel viele Plätze rauf oder runter bedeuten."
Privat engagiert sich der vierfache Weltmeister immer intensiver für Umweltschutz. Vettel reiste zwischen den Rennen in Zandvoort und Monza nach Island, um dort die Firma Orca zu besuchen, die Kohlendioxyd aus der Luft saugt und es in 1.000 Meter Tiefe vergräbt, wo es dann zu Gestein wird. "Das ist ein aufregendes Projekt, und ich will ein Teil davon sein", erzählte Vettel.
Williams
Nicholas Latifi fährt 2022 seine dritte Saison für Williams. "Die Vertragsverlängerung hat sich in den letzten Rennen vor der Sommerpause bereits abgezeichnet. Da ist das gegenseitige Vertrauen gewachsen", erzählt der Kanadier. Latifi hofft, dass ihm die Konstanz mit dem Team und die Erfahrung aus den ersten zwei Jahren hilft, zusammen mit Williams ins Mittelfeld aufzusteigen.
Er wird dort Alexander Albon wieder treffen, mit dem er schon 2018 in der Formel 2 in einem Team gefahren ist. "Alexander hat mit seinem Talent einen Platz in der Formel 1 verdient", bestätigt Latifi. Die gemeinsame Saison in der Formel 1 ist eine gute Gelegenheit, sich für die Niederlage in der Formel 2 zu revanchieren. "Ich bin heute ein besserer Rennfahrer als damals", betont Latifi.
George Russell schwebt im siebten Himmel. Er wird im nächsten Jahr beim besten Team der letzten Dekade gegen den besten Fahrer dieser Generation fahren. Es ist aber auch eine große Aufgabe. "Ich trete gegen einen Fahrer an, den ich für den besten aller Zeiten halte. Lewis ist nicht ohne Grund siebenfacher Weltmeister. Ich werde jede Gelegenheit nutzen, von ihm zu lernen. Wir werden uns mit Respekt begegnen, hart aber fair fahren."
Es geht aber nicht nur um das Duell mit Hamilton. Der Neustart mit völlig neuen Autos verlangt gutes Teamwork. "Es ist eine Reise ins Ungewisse. Ich will mithelfen, dieses Auto so gut wie möglich zu entwickeln. Je besser die Zusammenarbeit der Fahrer, umso weiter werden wir kommen."
Vorher will sich Russell bei seinem Team dafür bedanken, dass man in drei Jahren Arbeit jetzt ein Auto hat, mit dem man auf bestimmten Strecken in die Punkte fahren kann. "Dieses Team verdient, dass ich bis zum letzten Rennen alles gebe und diese Reise mit guten Ergebnissen abschließe." Die Chancen für das bevorstehende Rennen in Monza können Latifi und Russell schlecht einschätzen. "Wir hätten es in Spa rausfinden können, doch da hat der Regen eigene Bedingungen geschaffen."
Alpine
Fernando Alonso war der König der Sprint-Premiere in Silverstone. Seine erste Runde ist vielen noch gut in Erinnerung. Der Spanier glaubt nicht, dass sich der Durchmarsch in Monza so einfach wiederholen lässt. "Durch die erste Schikane gibt es nicht so viele Linien. Meistens entsteht dort ein Stau. Man muss dort vorsichtiger sein als in Silverstone, wenn sich nicht für den Sonntag nicht bestrafen will."
Esteban Ocon dagegen glaubt, dass der Sprint in Monza besser funktionieren wird als in Silverstone: "Weil es vor der ersten und zweiten Schikane gute Überholmöglichkeiten gibt." Der Schlüssel für eine schnelle Runde in Monza sind laut Ocon guter Top-Speed, Vertrauen in das Auto auf der Bremse und eine gute Balance in den schnellen Kurven Lesmo, Ascari und Parabolica.
Alpha Tauri
Bei Alpha Tauri ist alles klar. Pierre Gasly und Yuki Tsunoda sind auch nächstes Jahr ein Team. Im Moment fällt der Zweikampf eher einseitig aus. Gasly führt im Trainingsduell mit 13:0 und nach Punkten mit 66:18. Für Teamkapitän Gasly läuft es in den letzten Rennen wie geschmiert: Fünfter, Sechster, Vierter. Monza ist für den Vorjahressieger ein Heimrennen. Gasly wohnt nur 15 Kilometer von der Strecke entfernt in Mailand.
Tsunoda hofft, dass ihn die Vertragsverlängerung beflügelt. Er selbst war überrascht, dass er eine zweite Chance bekommt. "Ich hatte zu viele Unfälle und habe dem Team viel Geld gekostet." Deshalb versuchte es der Japaner zuletzt mit einem konservativen Ansatz, blieb den Leitplanken fern und schenkte dafür etwas Speed her.
Selbstkritisch fügt er an: "Nach dem Crash in Imola habe ich Vertrauen verloren. Vielleicht hatte ich nach dem guten Saisonstart auch zu viele Erwartungen in mich selbst." In Monza erwartet den Rookie wieder eine Herausforderung: "Ich habe mir die Qualifikation der letzten Jahre angeschaut und gesehen, wie wichtig das Timing ist auf die Strecke zu gehen. Alle versuchen Platz nach vorne zu schaffen und einen Windschatten zu erwischen."
Haas
Mick Schumacher und Nikita Mazepin werden keine Freunde mehr. In Zandvoort krachte es gleich zwei Mal. Hinterher gaben die die Haas-Piloten gegenseitig die Schuld. Teamchef Guenther Steiner nahm sich seine beiden Rookies gleich zwei Mal vor. Zuerst noch in Zandvoort, dann nach ihrer Ankunft am Donnerstag im Fahrerlager von Monza. Schumacher und Mazepin dürfen weiter gegeneinander fahren, aber es gelten bestimmte Verhaltensregeln.
Mazepin war froh, dass er intern nicht als Buhmann dasteht. "Ich habe mich bis jetzt an alle Regeln gehalten." Dann eine Spitze gegen den Teamkollegen: "Man muss auch mal den Fuß vom Gas nehmen, wenn ein Hindernis im Weg steht. Da muss er sich nicht wundern, wenn er sein Auto beschädigt." Mick Schumacher wollte nicht über Details sprechen: "Das ist eine interne Angelegenheit. Ich hoffe, wir finden die richtige Lösung."
Bietet der Hochgeschwindigkeitstempel von Monza den Haas-Piloten eine bessere Chance als die Strecken, die zuletzt im Programm waren? Nikita Mazepin glaubt nicht. "Mit einem Auto, das während des Jahres nicht weiterentwickelt wurde, wird es schwer." Der Heckflügel ist das Exemplar von 2020.
Da kann der Sprint schon mehr Möglichkeiten bieten. Dazu braucht der US-Rennstall aber die Mithilfe der anderen. Zwei Rennen bedeutet mehr Gelegenheiten Fehler zu machen oder auszufallen. Dazu müssen aber die Haas-Piloten auf der Strecke bleiben.
McLaren
Schnelle Strecken sind das Revier von McLaren. Der WM-Vierte will in Monza die Pleite von Zandvoort vergessen machen und Ferrari im Kampf um Platz 3 wieder überholen. Im Moment liegen die Italiener um 11,5 Punkte vorne. Zandvoort ist abgehakt. "Wir wussten schon vor dem Rennen, dass es da ein paar Kurven gibt, die die Schwächen unseres Autos aufdecken. Monza sollte uns dagegen in die Karten spielen", blickt Daniel Ricciardo zurück und voraus.
Lando Norris resümiert: "Wir waren schwächer als erwartet, unsere Gegner besser." Der McLaren ist gut auf Geraden, schnellen Kurven und auf der Bremse. Norris erwartet deshalb eine Rückkehr zu der guten Form, die er früher in diesem Jahr gezeigt hat. Der Engländer hat sich mit Ausnahme immer für das Q3 qualifiziert.
Alfa Romeo
Kimi Räikkönen fällt immer noch wegen seiner Corona-Erkrankung aus. So kommt Ersatzmann Robert Kubica zu seinem 99. GP-Einsatz. Vor 15 Jahren feierte der Pole in Monza im BMW F1.06 sein erstes Podium. Kubica hätte sich auf Monza noch mehr gefreut, wenn es kein Sprint-Wochenende gewesen wäre. "Ich habe von allen Fahrern die wenigste Erfahrung mit meinem Auto. Das ist ein Nachteil, wenn du in einem Freien Training die Arbeit von drei Sitzungen erledigen musst und danach nichts mehr ändern kannst."
Die Autos des Schweizer Rennstalls werden in den italienischen Landesfarben lackiert sein. Alfa Romeo ist das letzte Team mit einem offenen Cockpit. Es könnte noch eine Weile dauern, bis das zweite Cockpit neben Valtteri Bottas besetzt wird. Teamchef Frédéric Vasseur hat theoretisch viele Optionen: Antonio Giovinazzi, Guanyu Zhou, Robert Shwartzman, Callum Ilott, Theo Pourchaire und Nyck de Vries.
Experten geben Zhou die besten Chancen, weil der Chinese 20 Millionen Dollar im Gepäck hat und dafür keinen Sponsorplatz beansprucht. Robert Kubica sieht die Fahrerfrage gelassen: "Man darf niemals nie sagen. Zandvoort hat gezeigt, dass man alles oder nichts erwarten darf. Aber ich bin sicher nicht oben auf der Liste. Realistisch liegt meine Zukunft im Langstreckensport."
Giovinazzi würde vor seinem Heimpublikum die gute Quali-Leistung von Zandvoort gerne wiederholen. Er weiß aber auch: "Zandvoort und Monza sind zwei grundverschiedene Rennstrecken." In Monza zählt aerodynamische Effizienz und Power. "Wir sind normalerweise stärker auf Strecken, wo viel Abtrieb gefragt ist und es nicht so viele Geraden gibt."