Verbrenner-Aus in der EU wackelt!
Die Europäische Kommission überdenkt ihre bisherige Linie zum geplanten Ende des Verbrennungsmotors. Nach einem Brief von Bundeskanzler Friedrich Merz an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigt sich Brüssel offen dafür, auch nach dem Jahr 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zuzulassen, sofern diese mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden.
Mehrere hochrangige Kommissionsmitglieder bestätigten dem "Handelsblatt", dass man im Zuge der anstehenden Überarbeitung der Flottengrenzwerte neue Spielräume schaffen wolle. Damit rückt ein Thema wieder in den Mittelpunkt, das in der EU-Politik bereits als abgeschlossen galt.
Brüssel will Technologieoffenheit prüfen
Friedrich Merz hatte in seinem Schreiben an Ursula von der Leyen angeregt, sogenannte "hocheffiziente Verbrenner" künftig nicht von der Neuzulassung auszuschließen. Der Brief sei "sehr positiv aufgenommen" worden, sagte Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas dem "Handelsblatt".
Auf die Frage, ob auch klassische Verbrennungsmotoren neben Hybridmodellen weiter zugelassen werden könnten, erklärte Tzitzikostas: "Wir sind offen für alle Technologien." Die Kommission werde "alle technologischen Entwicklungen" einbeziehen, einschließlich der Rolle von "emissionsfreien und emissionsarmen Kraftstoffen und fortgeschrittenen Biokraftstoffen".
Rolle von E-Fuels und Biokraftstoffen
Nach Angaben aus Kommissionskreisen sollen künftig auch Verbrennungsmotoren möglich sein, die mit Biokraftstoffen oder synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Das solle einen "wirtschaftlich tragfähigen und sozial fairen Übergang" zu klimaneutralen Antrieben gewährleisten, zitierte das "Handelsblatt" den Kommissar.
Zugleich betonte Tzitzikostas die Bedeutung wirtschaftlicher Stabilität. "Wir müssen darauf achten, unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden und gleichzeitig der europäischen Industrie helfen, ihren technologischen Vorsprung zu halten", sagte er. Damit signalisiert Brüssel, industriepolitische Faktoren künftig stärker zu gewichten.
Anpassung der 2035-Regelung
Nach aktueller Rechtslage dürfen ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden, die im Betrieb kein Kohlendioxid ausstoßen. Das hätte das faktische Ende von Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotor bedeutet.
Die Kommission arbeitet nun an einer differenzierteren Regelung. Künftig könnten private Käufer weiterhin neue Verbrenner erwerben, sofern diese mit alternativen Kraftstoffen betankt werden. Für gewerbliche Flotten wie Leasing- und Dienstwagen sollen dagegen strengere Elektroquoten gelten. Nach Informationen der Zeitung soll bereits im Jahr 2027 jeder zweite neue Dienstwagen elektrisch fahren, 2030 sollen es rund neun von zehn sein. Damit würde der Anteil elektrischer Antriebe im Unternehmenssektor schneller steigen als im Privatmarkt.
Der überarbeitete Vorschlag war ursprünglich für den 10. Dezember angekündigt. Tzitzikostas erklärte jedoch, man könne sich verspäten: "Wir arbeiten weiterhin sehr hart daran, bis zum 10. Dezember bereit zu sein. Es besteht aber die Möglichkeit, dass wir etwas später dran sind. Dafür gibt es gute Gründe."
Politische Folgen und offene Fragen
Mit der geplanten Anpassung reagiert die EU auf wachsenden Druck aus mehreren Mitgliedstaaten und von Teilen der Industrie. Kritiker des Verbrenner-Verbots warnen seit längerem vor wirtschaftlichen Nachteilen und Arbeitsplatzverlusten, sollten bestimmte Technologien ausgeschlossen werden.
Unklar bleibt, wie eine mögliche Öffnung mit den europäischen Klimazielen vereinbart werden kann. Der Kompromiss, Verbrenner nur mit alternativen Kraftstoffen zuzulassen, dürfte in den kommenden Monaten erneut politische Auseinandersetzungen auslösen.
